TanzTheater

Julia Klockows Tanzperformance „vague“ in der Lokhalle Freiburg

So wie Zina Vaessen und Daniel Rakovsky auf der Bühne sitzen, ein Stück Pannesamt über sich, muss man ein bisschen an Bettina Eichins Musengruppe denken, die für einige Jahre in der Uni Freiburg einen Platz gefunden hatte. Nicht, dass die beiden trauern würden, doch die Falten, die der Stoff über Vaessen und Rakovsky wirft, sind geradezu skulptural. Erst verhüllt der Stoff die gesamte Gestalt, dann zieht Julia Klockow den Samt erst von dem einen, dann von dem anderen Körper weg, so dass er Zentimeter um Zentimeter verschwindet. Damit lüftet sich ein Vorhang und gibt den Blick auf den Tänzer und die Tänzerin frei, die beide die Beine aufgestellt haben, die Hände locker um diese gefasst und in weißen Shorts, Socken und hellen Rippenshirts einfach nur da sitzen. Wirkten sie eben noch wie zwei blockhafte, archaische Skulpturen, erscheinen sie dem locker verteilten Publikum gegenüber nun neutral, beide tragen weißen Lidschatten über den Augen. Ein paar Minuten lang werden ihre Augen noch geschlossen sein.
„Vague“, das erste abendfüllende Stücke von Julia Klockow zieht seine Dynamik mehr aus dem Boden als aus der Tatsache, dass sich hier ein Mann und eine Frau zum Duo gefunden haben. Zina Vaessen und Daniel Rakovsky sind einander, insbesondere am Anfang dieses gut 50minütigen Stückes, zugewandt und ihre Bewegungen korrespondieren miteinander, doch als sie sich später berühren, wirkt es wie ein Zufall. Julia Klockow geht es in dieser Choreografie weniger um die Kräfte von Anziehung und Abstoßung als um diejenigen, die alles hervorbringen. Das ist in seiner Abstraktion durchaus spröde. In den Taschen der Zuschauerinnen und Zuschauer liegen kleine Amethystdrusen anstelle von Tickets. In der Lokhalle ist ein Geräusch wie von einem Bergsturz zu hören, später kommt noch das von Wasser hinzu, das in einem Strudel zu verschwinden scheint. Draußen hört man die vorbeiratternden Güterzüge und ein Amselmännchen markiert sein Revier. Die Lokhalle von Pan.Optikum, in die die Produktion kurzfristig ausweichen konnte, ist einer der wenigen Orte in Freiburg, dem man nicht den rauen Charme der Industriearchitektur ausgetrieben hat.
Julia Klockows Tanzstück misst vor allem die Horizontale aus. Zina Vaessen und Daniel Rakovsky drehen sich, lassen sich fallen, oft in einer leicht spiralförmigen Bewegung, mal bäumen sie sich auf und heben sich vom Boden ab. Das ist sehr physisch, und nicht minder fordernd für die Performerin und den Performer. „Vague“ selbst folgt einer Kreisbewegung. Wenn eine Cover-Version des Beatles-Klassiker „Let it be“ zu hören ist, richten sich die beiden auf, ihre Handflächen scheinen Töne zu akzentuieren, dann später beginnt erneut das Treideln, das leichte Hin und Herwiegen des Körpers auf dem Boden. Und noch später kommen Vaessen und Rakovsky wieder zur Ruhe und schließen die Welt aus, indem sie die Augen zu machen.

Weitere Infos: www.juliaklockow.com

Bildquellen

  • Zina Vaessen und Daniel Rakovsky in „Vague“: Foto: Jennifer Rohrbacher