Internationaler Tag des Waldes: Wie technische Innovation hilft, gestresste Wälder besser zu verstehen
Den 21. März 2024 haben die Vereinten Nationen zum Internationalen Tag des Waldes ausgerufen und unter das Motto „Wälder und Innovation: Neue Lösungen für eine bessere Welt“ gestellt. Damit wollen die Vereinten Nationen die Rolle technischer Neuentwicklungen würdigen, die einen Beitrag zu Schutz und Erhalt der globalen Wälder leisten. „Als Ökologen sind wir bei unseren Messungen in Wäldern und anderen Ökosystemen schon immer auf Technik angewiesen“, kommentiert Prof. Dr. Christiane Werner, Professorin für Ökosystemphysiologie an der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg. Herkömmliche Messinstrumente hätten aber erhebliche Beschränkungen: Sie seien oft sehr teuer, groß und aufwendig zu installieren, so dass sich mit ihnen meist nur einzelne Bäume vermessen ließen. „Solche Messungen sind daher räumlich nicht hoch aufgelöst und sie sind zudem invasiv, das heißt die Sensoren verletzen oder belasten die Bäume, greifen in die Natur ein und stören das Ökosystem“, ergänzt Prof. Dr.-Ing. Ulrike Wallrabe, Professorin für Mikroaktorik am Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) der Universität Freiburg.
Es ist jedoch so, dass die Entwicklung moderner Mikrosysteme neue Wege für die Erforschung der Wälder öffnet. „Wir beobachten international den Trend, im Wald intelligente Netzwerke aus verteilten Sensoren aufzubauen, mit denen sich verteilte und detaillierte Messungen durchführen und so ganz neue Erkenntnisse gewinnen lassen“, erklärt Werner. „Indem wir die Systeme kleiner machen, können wir versuchen, möglichst nicht-invasiv zu messen und das Ökosystem so wenig wie möglich zu stören“, erläutert Wallrabe weiter.
Mit verteilten Sensornetzwerken an vielen einzelnen Blättern und Wurzeln messen
Gemeinsam sind Werner und Wallrabe Sprecherinnen des 2022 eingerichteten Sonderforschungsbereichs Ecosense an der Universität Freiburg, der das Ziel hat, möglichst robuste, energieautonome und kostengünstige Sensornetzwerke zur Vermessung von Wäldern zu entwickeln. Statt auf vorgefertigte Sensoren zurückzugreifen, arbeiten Umweltwissenschaftler:innen mit Mikrosystemtechniker:innen zusammen an der Entwicklung von Sensorik, Datenübertragungstechniken und Fertigungsverfahren. So entstehen etwa kleine vernetzte Sensoren, die sich an einzelnen Blättern oder Wurzeln anbringen lassen. „Damit können wir wirklich detailliert und in großer Vielzahl einzelne Blätter, einzelne Wurzel-Boden-Interaktionen oder andere kleinräumige Prozesse in ihrer ganzen Heterogenität messen“, erklärt Werner.
Die Daten helfen den Forschenden, besser zu verstehen, wie sich Klimawandel, Schädlingsbefall und andere Stressfaktoren auf Wälder auswirken. „Die Dürren der letzten Jahre haben gezeigt, wie unterschiedlich die Effekte des Klimawandels auf den Wald sind. Das kennt jeder, der durch die Natur geht: Da gibt es eine Baumgruppe, die ist abgestorben, und direkt daneben stehen gesunde Bäume der gleichen Art. Solche heterogenen Prozesse können wir in Zukunft mithilfe hochaufgelöster Messungen viel besser verstehen“, sagt Werner. Die ersten von Ecosense entwickelten Sensornetzwerke werden nun in einem Versuchswald in Ettenheim, nahe bei Freiburg, mit der Gemeinde getestet. Gemessen werden sollen zunächst die Photosyntheseaktivität, der Wasser- und Kohlenstoffaustausch an Wurzeln und Blättern sowie die Ausscheidung flüchtiger organischer Verbindungen, die wichtige Marker für Stressreaktionen von Bäumen sind. Aus den Daten ließen sich wiederum Rückschlüsse für die zukünftige Klimawandelanpassung von Wäldern ziehen, etwa im Hinblick auf die besten Kombinationen von Baumarten und Böden, so Werner.
Schmutz, Feuchtigkeit und Insekten – der Wald als Herausforderung für die Mikrosystemtechnik
Der Einsatz moderner Mikrotechnik im Wald stelle die Forschung jedoch vor eine schwierige Aufgabe, hebt Wallrabe hervor: „Für uns als Mikrosystemtechniker ist der Wald eine enorme Herausforderung. Dort gibt es große Temperaturspannen und Sonneneinstrahlung, durch die die Materialien der Sensoren altern. Wir haben mit Feuchtigkeit, Schmutz, Staub und Pollen zu kämpfen. Es gibt Insekten, die in jede Ritze krabbeln. Und sogar die Entwicklungszyklen der Technik müssen sich an natürliche Rhythmen anpassen – ein Blattsensor nützt mir nichts, wenn er erst im September zum Ende der Wachstumssaison fertig ist.“ Um diesen Problemen zu begegnen, wird bei Ecosense auch an möglichst haltbaren und selbstreinigenden Oberflächen geforscht, die ohne antibakterielle und fungizide Wirkstoffe auskommen und so das Ökosystem möglichst wenig beeinträchtigen.
Das große Ziel sei es, ein Set von Sensoren zu entwickeln, die günstig hergestellt und von anderen Forschenden sowie teilweise auch von Forstpraktiker*innen auf einfache Weise genutzt werden können, heben Wallrabe und Werner hervor. Die Skalierbarkeit und breite Anwendbarkeit der Sensorik sei entscheidend, so Werner, denn „es wird nicht eine einfache Lösung geben, mit der wir alle Wälder gleichermaßen an den Klimawandel anpassen. In jedem Wald gibt es individuelle Wechselwirkungen zwischen der Bodenbeschaffenheit, dem Baumbestand, der Artenzusammensetzung, den Umweltfaktoren und dem Klima. Unsere Vision ist deshalb, dass man mit unserem mobilen Werkzeugkasten von Sensoren an vielen unterschiedlichen Orten Messungen durchführen kann und damit die spezifischen Wechselwirkungen an den jeweiligen Standorten analysiert.“ So könne technische Innovation einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Wälder besser zu verstehen und für die Zukunft zu rüsten.
Bildquellen
- Versuchsaufbau von ECOSENSE im Wald bei Ettenheim (Foto: Yannick Layer), Ulrike Wallrabe (l.o., Foto: Klaus Polkowski), Christiane Werner: (l.u., Foto: privat)
- Symbolbild Wald: Foto: Matthew Montrone