Im Gespräch: Franz Armin Morat, Gründer des Morat-Instituts, Freiburger Kunstsammler und Mäzen
In die Tiefe der Geschichte hinab
Es ist gleich ein zweifaches Jubiläum: Am 11. November feierte Franz Armin Morat seinen 70. Geburtstag, zugleich dürfen wir auf 30 Jahre Morat-Institut zurückblicken. Geboren wurde der Unternehmersohn 1943 auf der Mathildenhöhe in Darmstadt, in Freiburg wuchs er auf. Er studierte Philosophie, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft an den Universitäten von Freiburg, Bern, Heidelberg, Bochum und Gießen, unter anderem bei Michael Theunissen, Max Huggler und Gottfried Boehm. 1983 wurde das Morat-Institut für Kunst und Kunstwissenschaft gegründet, das seit 1987 in der Lörracher Straße beheimatet ist. Friederike Zimmermann sprach mit Franz Armin Morat über die vergangenen 30 Jahre und die künftigen Ziele des Morat- Instituts.
Kultur Joker: Herr Morat, wann und warum haben Sie angefangen Kunst zu sammeln? Gab es da eine Art Schlüsselerlebnis?
Franz Armin Morat: Man muss zwangsläufig unterscheiden zwischen der Beschäftigung mit der Kunst und der wirtschaftlichen, ökonomischen Möglichkeit Kunst zu sammeln. Es liegt in der Natur der Sache, dass das erste viel früher stattfindet, bevor es dann zur eigentlichen Sammelei kommt. Ich fing an mich mit der Malerei zu beschäftigen, als ich vier oder fünf Jahre alt war und noch nicht lesen konnte. Ich blätterte Bücher durch, und unter diesen befand sich der Band „Die Welt der großen Maler“ von Ulrich Christoffel. Darin befanden sich – miserabel, weil mitten im Krieg publiziert – Schwarz-Weiß-Abbildungen, und diese waren das einzige, was mir zur Verfügung stand.
Als ich neun Jahre alt war, hat mir mein Großvater den ersten Maler persönlich vorgestellt: Karl Lorenz Kunz. Er war auch unter den drei ersten Malern, deren Arbeit ich gesammelt habe. Der historische Teil der Sammlung entstand, als ich Anfang zwanzig war, um die Erlebnisse und Vorgänge mit den Zeitgenossen, die mir ja alle persönlich bekannt waren, in die Tiefe der Geschichte hinab zu verlängern. Dafür spielte eine entscheidende Rolle, dass man zwar nicht ein Bild von Tizian kaufen kann, sehr wohl aber herausragende Dokumente der Druckgraphik; also die Kupferstiche und Radierungen seit Mantegna, Schongauer, Dürer, Rembrandt, Goya und so weiter.
Kultur Joker: Sie sprachen von den ökonomischen Möglichkeiten… Ihre Mutter war Stifterin der Heinrich-Heine-Stiftung 1970 und – neben Ihnen und Ihrem Vater – Mitstifterin des Morat-Instituts für Kunst und Kunstwissenschaft 1983 [beide fusionierten 1984]. Welche Rolle spielte Ihre Familie für die Sammlung?
Franz Armin Morat: Das ist natürlich gewachsen. Eine wirklich substantielle Unterstützung, etwa die Beteiligung an der Stiftungsgründung 1983, kam bei meinem Vater über das sehr weit reichende Maß öffentlicher Anerkennung meiner Tätigkeit zustande, als nämlich der damalige italienische Staatspräsident Sandro Pertini mir einen persönlichen Brief schrieb, in dem er sich für den Katalog der Münchner Morandi-Ausstellung 1981 bedankte. Und diese, sozusagen von oberster Stelle ausgehende, emphatische Anerkennung meiner Aktivität hat meinem Vater wohl gefallen, der bis dahin keine Gelegenheit hatte, sich für Kunst zu interessieren.
Insofern war meine Beschäftigung mit diesen Dingen in seinen Augen immer ein Hobby. Jetzt stellte er fest, es gab von geschätzten Autoritäten ein solches Ausmaß an Anerkennung und Befürwortung, das er sich selber so nie klar gemacht hat. Und das war zweifellos der Auslöser, denn ein Vierteljahr später wurde die Stiftung ins Leben gerufen für den administrativen Schritt, den man dann im Laufe des Jahres 1983 vollzogen hat.
Kultur Joker: Nun gibt es ja Kunstsammler, die ihr Geld in Kunstwerten anlegen wollen und andere, die aus Leidenschaft sammeln. Sie lassen sich bekanntlich der letzteren Gruppe zuordnen. Drängt Sie dennoch hin und wieder auch die Geldanlage zum Kauf?
Franz Armin Morat: Das spielt nicht die allergeringste Rolle, im Gegenteil. Ich habe zwar vom Finanzvolumen her durchaus profitiert, aber das geschah unfreiwillig. Ich erinnere nur an die Londoner Sotheby-Auktion von 1995 [Versteigerung des Morandi-Bestandes], die ich mir gerne erspart hätte. Aber das war natürlich nie der Zweck der Sammlung, und das hat es auch seither nicht mehr gegeben.
Kultur Joker: Die Stiftung hat das Glück, in diesem wunderschönen und weitläufigen Gebäude untergebracht zu sein. Wann sind Sie hier eingezogen?
Franz Armin Morat: Das geschah in mehreren Stufen. Anlass war die Tatsache, dass die Kunstspedition der Brüder Schütz, die ihren Betrieb in Teilen des Südflügels dieses Gebäudes untergebracht hatte und mit denen wir schon seit mehreren Jahren zusammengearbeitet hatten, 1986 entweder das Gebäude erwerben oder hier ausziehen sollte. Und so kam es am 31. Januar 1987 zu der Entscheidung des Stiftungsvorstandes in die mittlere der drei riesigen Hallen einzuziehen und mit den Umbauarbeiten zu beginnen. Innerhalb der nächsten zwei Jahre erwarb meine Mutter dann das gesamte Gebäude, um es im Herbst 1989 meinem älteren Sohn zu schenken. Seitdem ist er der Besitzer dieses Gebäudes und die Stiftung ist bei ihm in Miete.
Kultur Joker: Das Morat-Institut ist eine der wenigen Institutionen, die das Sammeln von Kunst mit der Wissenschaft verbinden. Ging es Ihnen darum, Ihre Leidenschaft für die Kunst auch anderen zu ermöglichen?
Franz Armin Morat: Wenn man sich in dieser Form um die Malerei kümmert, wie ich das tue, dann liegt nichts näher, als einschlägig zu publizieren; und wir publizieren natürlich auf einem – sagen wir es einmal in aller Bescheidenheit – intellektuell anspruchsvollen Niveau. Dazu gehört nun mal auch die Beschäftigung mit der Kunstwissenschaft, weniger mit der Kunstgeschichte, weil Dürer und Rembrandt – Goya erst recht – für uns keine historischen Phänomene sind, sondern weil es um die unmittelbare Gegenwärtigkeit ihrer Werke geht. Das ist eine der ganz entscheidenden Einsichten, die dazu führte, dass die Stiftung im Namen auch den Zusatz „für Kunst und Kunstwissenschaft“ trägt. Das heißt, es geht um eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der bildenden Kunst – jenseits ihres historischen Ortes.
Kultur Joker: In Ihrer Festschrift ist zu lesen, die Verknüpfung von Sammlung und Diskurs fördere auch den verzögerten Einbezug der modernen Kunst in die Gesellschaft. Erlebten Sie das, den mangelnden Zugang des „gemeinen“ Volkes zur zeitgenössischen Kunst?
Franz Armin Morat: Ja. Das wird auch jetzt aus dem Anlass der Jubiläumsausstellung wieder deutlich. Die Leute kommen natürlich in erster Linie wegen so prominenter Namen wie Dürer, Rembrandt, Goya, Cézanne und Morandi hierher. Der Zulauf wäre mit Sicherheit nicht derselbe, wenn ich ausschließlich Zeitgenossen zeigen würde. Das ist so, das kann ich auch nicht ändern. Und ich habe da auch keinen missionarischen Ehrgeiz. Mir geht es darum, den Künstlern zu helfen und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, von ihrer Arbeit leben zu können anstatt irgendwelchen Nebenerwerbsjobs nachzugehen. Die allgemeine Anerkennung nicht etablierter Kunst in der Gesellschaft zu befördern mag ein Nebeneffekt sein, ist aber nicht meine Motivation.
Kultur Joker: Nach welchen Kriterien bauten Sie Ihre Sammlung auf? Gibt es Schwerpunkte?
Franz Armin Morat: Um auf das zurückzukommen, was ich eingangs sagte: Das Kriterium, die Verlängerung in die Tiefe der Geschichte sozusagen, ist natürlich der künstlerische Rang der Beteiligten. Das ist in Bezug auf die Druckgraphik sehr einfach, denn es sind nur ganz bestimmte überragende Maler, die hier in Betracht kommen – Künstler wie Rembrandt, die auf diesem Gebiet absolut auf Augenhöhe operiert haben mit der Malerei und mit der Zeichnung; dasselbe gilt natürlich für Dürer. In beiden Fällen gibt es ja ernst zu nehmende Leute, die der Meinung sind, diese beiden hätten als Kupferstecher und Radierer noch Bedeutenderes geleistet denn als Maler. Es ist sicher abwegig das eine gegen das andere auszuspielen, aber immerhin kann man auf die Idee kommen. Tatsache ist, dass beide Disziplinen ihre eigene Existenzberechtigung besitzen. Und die eine ist nicht geeignet, die andere zu ersetzen, sondern sie laufen eben gleichberechtigt nebeneinander her.
Kultur Joker: Was macht für Sie Qualität von Kunst aus?
Franz Armin Morat: Ganz einfach: Was mich überzeugt. Ich versuche das natürlich zu objektivieren und irgendwann leuchtet mir das unmittelbar ein, also kümmere ich mich darum. Aber ich verfolge keine Modetrends und auch keinen prominenten Status. Wir haben weder Richter, noch Baselitz, noch Kiefer.
Kultur Joker: Wie wird es in Zukunft mit der Stiftung weitergehen?
Franz Armin Morat: Unter den Klassikern werden wir uns nicht mehr viel leisten können. Das was wir hier haben, wäre heute gar nicht mehr realisierbar, weil die Preise inzwischen viel zu hoch sind. Was jetzt der Stiftung an ökonomischen Möglichkeiten noch bleibt sind ausschließlich Gegenwartskünstler, die von dem leben, was sie von uns bekommen.
Kultur Joker: Und welche Ausstellungen planen Sie in der Zukunft?
Franz Armin Morat: Nach der Jubiläumsausstellung, die noch bis Dezember diesen Jahres dauert, wird es sowohl mit Gegenwartskünstlern weiter gehen, als auch mit Ausstellungen des historischen Bestandes.
Kultur Joker: Herr Morat, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
Zum Jubiläum erschien im modo Verlag die Festschrift „Franz im Gehäus“ (Hg. Eva M. Morat). Zur Jubiläumsausstellung siehe auch Seite 10.