In der Black Box: Das Literaturhaus Freiburg hat sich in die Installation „Museum der Langsamkeit“ verwandelt
60 Meter Literatur sind 60 Minuten Literatur. Selten ist das Zeit-Raum-Verhältnis von Texten derart anschaulich. Denn das Team des Literaturhaus Freiburg hat aus der Corona-Not eine Tugend gemacht und den Raum, der sich bislang immer schon als sehr wandelbar erwiesen hat, in ein „Museum der Langsamkeit“ transformiert. Bögen von Papier fallen in den Raum und werden durch ihn geleitet. Manche der Texte von den insgesamt 16 Autorinnen und Autoren, die angefragt wurden, sind auf das Papier gedruckt, andere werden darauf projiziert und überhaupt sind sie zu hören. Wie das Lied von Peter Licht, mit dem man der ganzen Situation auch ein bisschen Humor abgewinnen kann.
Auch Autorinnen und Autoren haben die letzten Monate vorwiegend zuhause verbracht. Lesungen wurden abgesagt, Neuerscheinungen verschoben. Im Literaturhaus Freiburg sind nun zumindest manche mit ihrer Stimme präsent. Sie haben finanzielle Einbußen erlitten. Viele haben in diesen Wochen übersetzt, aber selbst das wird holprig, wenn man wie Juri Andruchowytsch auf einen König wartet. Auf „King Lear“ nämlich in der ultimativen kritischen Ausgabe, ohne die der ukrainische Autor sich scheut, überhaupt anzufangen. Wem dies zu schnell geht, kann zur zweiten Wurfpost des Literaturhaus Freiburg greifen, die erneut von Klaus Töpfer gestaltet und auf dem Risographen produziert wurde und die diesmal als Reader zur Ausstellung fungiert. Dort lässt sich auch Judith Schalanskys kluge Reflexion über unser Verhältnis zur Natur angesichts eines Naturalienkabinetts im Schaufenster eines Antiquitätengeschäfts nachlesen. Nicht nur konfrontieren die ausgestopften Tiere uns mit dem Paradox, dass wir das, was wir bewahren wollen, töten, sondern dass uns das bedrohlich wird, dessen Lebensraum wir vernichten. Mensch und Tier kommen sich zu nahe.
Felicitas Hoppe hat Worte in der Pandemiezeit gesammelt, solche wie Atemmaske, Berufsverbot oder Niesschutz und Spuckwand, die die konkrete Situation beschreiben, aber auch eine Gesellschaft im Zustand des Alarmismus dokumentieren, die ihre Werte zumindest auf Zeit ausgesetzt hat. Es wird klar, ihre Freundin Corona, ist ein eher unerwünschter Gast. Und Hoppe antwortet auch Alexander Kluge, der unsere Welt als großen Automaten sieht und den Virus als etwas, von dem die Gesellschaft auch etwas lernen kann. Nein, entgegnet Hoppe, wir sind osmotische Wesen, ausgestattet mit einer feinen Membran, die uns verletzlich macht, aber auch fähig zur Kooperation. Das „Museum der Langsamkeit“ stiftet für eine Stunde diese Gemeinschaft, man ist in diesem abgedunkelten, mit Teppich ausgelegten Raum wie in einem Kokon, der laut Literaturhaus-Team mit der besten Lüftung Freiburgs ausgestattet ist. Und doch ist die Installation eben auch Ausdruck einer Beschränkung, die sichtbar macht, was fehlt: ein wortreich ausgetragener Diskurs, der auch für Spontaneität und Zufälle Raum hat.
Museum der Langsamkeit, Literaturhaus Freiburg, Bertoldstr. 17, Freiburg. Di –Fr 17 und 18.30 Uhr, Sa 15, 16.30 und 18 Uhr. Bis 7. Juli.