Im Theater Basel sucht Caligula die Freiheit in der Grausamkeit
Inszenierung von Antonia Latella im Schauspielhaus
Dies vorweg: im Theater Basel, wo „Caligula“ jetzt in einer Inszenierung von Antonia Latella im Schauspielhaus gespielt wird, klammert man alle Anspielungen auf die Gegenwart aus. Caligula ist wie ein Kind, das zu schnell Verantwortung übernehmen musste und zynisch geworden ist. Dass man sich im Herbst 2016 von „Caligula“ im Theater Basel dennoch geradezu unangenehm angefasst fühlt, hat mit dem Ergebnis der Wahl in den USA zu tun. In dem Stück begegnet uns ein Herrschertyp, der beratungsresistent ist und allein seiner eigenen Meinung zu folgen scheint. Das Unberechenbare und die Furcht, die damit einhergeht, ist die Grundlage seiner Herrschaft.
Seit drei Tagen ist Caligula verschwunden. Seine Lieblingsschwester – und vielleicht auch seine Geliebte – Drusila ist gestorben und Caligula (Thiemo Strutzenberger) kriecht mit herunter gelassener Armyhose über die Bühne. Er knackt ein paar Walnüsse. Der Mann ist nicht von dieser Welt, den Mond will er haben und in seinen Händen halten. Simone Mannino hat in das Schauspielhaus eine schräge Flucht gebaut, die in warmem Orange vor sich hin leuchtet. Die Kostüme von Simona D’Amico fügen sich in diese Grundfarbe stimmig ein, später wird Caligula einen goldenen Anzug tragen, ansonsten sieht man ein ganzes monochromes Farbspektrum von dunklem Türkis, Lila, Grau, Orange und Blau. Der Gestaltungswille ist hoch. Als befände man sich in einer Lounge oder einem Foyer einer Vorstandsetage steht allein ein metallener Drehhocker auf der Bühne.
Es kommt, wie es kommen muss. Auf die Grausamkeiten, der Vater von Scipio (Vincent Glander) wurde ermordet, die Frau von Mucius (Martin Hug) zur Prostitution gezwungen, zerfällt der Hofstaat. Seine Konkubine Caesonia (Katja Jung) wird zur Chefauslegerin von Caligula, ebenso sein Getreuer, der ehemalige Sklave Helicon (Steffen Höld), doch all das Gerede um die Freiheit, die jenseits aller Beschränkungen und guter Sitten liegt: geschenkt. Keinen Moment wirkt dieser Caligula frei. Thiemo Strutzenberger, der in der vergangenen Saison oft eine flatterhafte, dämonische Härte verkörperte, deutet Gesten an und lässt sie in der Luft. Wenn er sich später als barocke Venus wie ein Idol anbeten lässt oder den schwarzen Schwan gibt, ist diese Figur reine Travestie und Manierismus.
Noch mögen die Adeligen beflissen und mit der geballten Faust in der Anzughose dem Dienst nachkommen, zu dem Caligula sie herabgewürdigt hat. Doch es ist eine Frage der Zeit, wann der Kaiser fallen wird. Man schaut auf Antonio Latellas Inszenierung wie auf ein zu buntes und zu spielerisches Möbelstück der Designgruppe Memphis und wundert sich über all die Nüsse, die gegen Ende die Bühne fluten, die Szenen im Zuschauerraum und auch über die nicht enden wollende Selbstbefriedigung. Dieser „Caligula“ ist zumindest eine verpasste Chance.
Weitere Vorstellungen: 4./18./21. Dezember im Schauspielhaus des Theater Basel.
Annette Hoffmann