Im Theater Basel ist mit „Wilhelm Troll“ politisches Theater zu sehen, das zudem unterhält
Ganz schön ordentlich hier. Jeder neue Akt wird mit einer kurzen Inhaltsangabe von leicht ironischem Ton auf dem Vorhang der Kleinen Bühne im Theater Basel angekündigt. Dabei führt „Wilhelm Troll“ dorthin, wo es gegenwärtig besonders unübersichtlich ist: wo Milliardäre ohne demokratische Legitimation weltweit Informationen steuern und wo selbst erklärte Milliardäre Wahlen nicht anerkennen und Symbole der Demokratie und diese selbst durch einen aufgehetzten Mob zerstören lassen wollen als sei Krieg. Die Keimzelle dieses Unheils befindet sich in Jörg Pohls Inszenierung von Lasse Kochs Text in einem Raum, der so unpersönlich wie ein Hotelzimmer wirkt. Ein Bett mit einem altmodischen Überwurf, das Außen ist durch Vorhänge weggesperrt, ein Bildschirm an der Wand, ein paar Möbel. Wilhelm Troll (Jan Bluthardt) hat ein Faible für unpassende Auftritte. Mit einem gewinnenden „Hi Leute, ich bin Hitler“ betritt er diese Guckkastenbühne (Lena Schön und Helen Stein) und er wird bleiben, dabei einige Metamorphosen durchmachen. Begleitet von einem Chor (Flamur Bakaj, Jonathan Fink und Elena Marieke Gester vom Schauspielstudio Hochschule der Künste Bern) und an der Seite des Internets (Fabian Dämmich).
Alle Volten und Argumentationslinien zu rekapitulieren, würde nicht nur mehrfache Lektüre von Kochs „Faktenaustreibung“ verlangen – die in Basel zur Uraufführung kam ‒, es würde auch den Platz hier mehr als strapazieren. Die sieben Akte jedenfalls werfen nicht nur ein Streiflicht auf unsere Gegenwart, sondern liefern auch eine Analyse, warum wir stehen, wo wir stehen. Jörg Pohl lässt dies auf hohem Echauffierungsniveau spielen, chorisch gebrochen, relevant und komisch zugleich. Man kann keiner Figur länger als einen Atemzug trauen. Der weiße alte Mann, der von Jan Bluthardt verkörpert wird, krümmt sich zwar mitunter greinend auf dem Bett, hat sich jedoch erfolgreich mit dem Hipster vereint. Er trägt Bart und Karohemd-Jacke mit Teddybesatz und meint jeden Kommentar, so wie er ihn geschrieben hat. Die Drangsalierungen der Cancel-Polizei sitzt er einfach aus.
Beteiligt sind weiterhin die Tech-Blase und wir, die von all der Internet-Hetze, der Faktenverdrehung und den im Anschluss geschaffenen Tatsachen furchtbar überrascht sind. Wir sind der Chor im Römerlook, der noch versucht, den Troll, aus dem Zimmer zu verbannen, während er wie ein gewalttätiger Punch das offene Fenster für sein böses Kasperletheater nutzt. Und wir sind die Gläubigen, wenn das Internetphänomen Trump wie ein Messias empfangen wird. Dann sind wir längst in der Welt angekommen, vor der uns das spießige Zimmer schützen sollte. Dessen Wände hängen dann im Schnürboden und wir schauen auf die kahle Brandmauer.
Fabian Dämmich gibt den Ex-Präsidenten mit phänomenalem Selbstbräuner-Makeup, schlecht kaschiertem Haaransatz und einer Portion vom jungen Elvis, jedenfalls sehr weiß. Wer in den letzten Jahren sich der Trump-Berichterstattung nicht ganz entzogen hat, wird ein Best-off von Zitaten erkennen. Jörg Pohl nimmt sich das Spektakel von den Trollen und gibt es dem Theater zurück; es ist ein ausgesprochen körperliches Spiel, bis hin zur Akrobatik, rhythmisierte Texte und Musical-Einlagen (Komposition: Evelinn Trouble), während die bewegten Bilder vom Sturm auf das Capitol geradezu schaurig sind. Jan Bluthardt und Fabian Dämmich sind so eng wie Faust und Mephisto. Politik auf der Bühne mit Mitteln des Theaters, und dann auch noch extrem unterhaltsam. Sollte man nicht verpassen.
Weitere Vorstellungen: 3./6./12./16./18. /20./28. Dezember, Kleine Bühne, Theater Basel.
Bildquellen
- Jan Bluthardt (rechts) als Wilhelm Troll: Foto: Ingo Hoehn