Im Kunstmuseum Basel ist „When we see us“ als eine Übernahme aus dem Zeitz Museum of Contemporary Art Africa in Kapstadt zu sehen
Es ist nicht der schlechteste Start bei Chéri Sambas „Hommage aux anciens créateurs“ zu beginnen. Das Bild aus dem Jahr 2000 ist ein Selbstporträt, das den kongolesischen Maler in rotem Anzug an einem Tisch sitzend zeigt, umringt von afrikanischen Skulpturen. Man könnte diese als Vorläufer von Sambas Kunst deuten, ständen die Figuren nicht auf einem Sockel oder auf einem Stab. Es sind Museumsobjekte aus dem Depot des völkerkundlichen Museums der Universität Zürich, die Samba bei einem Besuch gezeigt wurden. Sie befanden sich nicht nur fern ihrer jeweiligen Entstehungsorte, sondern waren auch nutzlos, indem sie in keine Riten eingebunden und so ihrer übernatürlichen Kräfte beraubt waren. Wie ein Kommentar ist die Geschichte dieser Skulpturen in zwei Spalten links und rechts auf dem Bild zu lesen. Samba hat gleich mehrere Arbeiten mit diesem Motiv geschaffen. Im Kunstmuseum Basel/Gegenwart ist das Werk im ersten Raum der Ausstellung „When we see us“ im Kapitel Triumph und Emanzipation zu sehen. Und für den folgenden Rundgang kann man sich merken, dass der Westen afrikanische Kunst lediglich dann schätzt, wenn sie historisch ist und das Verhältnis von Kunst und Spiritualität sich in Europa auseinanderentwickelt hat.
Doch die von Koyo Kouoh und ihrem Team ursprünglich für das Zeitz MOCCA in Kapstadt kuratierte Ausstellung über hundert Jahre panafrikanische figurative Malerei fällt in Basel ja auf fruchtbaren Boden. Nicht nur hat das Kunstmuseum in den letzten Jahren Ausstellungen zu Theaster Gates, Sam Gilliam, Kara Walker und Carie Mae Weems gezeigt, einige der in der Ausstellung vertretenen Künstlerinnen und Künstler wie Michael Armitage und Lynette Yiadom-Boakye waren nebenan in der Kunsthalle Basel mit Einzelschauen zu sehen. Daher ist es wahrscheinlich, dass Elena Filipovic auch nach ihrem Wechsel an das Kunstmuseum dort weiterhin afroamerikanische oder afrikanische Kunst zeigen wird. Dennoch sind das lediglich wenige von gut 120 Kunstschaffenden.
Es ist also einiges zu entdecken unter den über 150 Werken, zugleich aber ist dieses Jahrhundert panafrikanischer figurativer Malerei eben auch eine fruchtbare Überforderung, die in sechs Kapiteln von Triumph und Emanzipation hin zu Sinnlichkeit, Spiritualität, Alltag, Freude und Ausgelassenheit sowie Ruhe führt. Die Themen sind bewusst alltäglich, die Schau feiert den „Black Joy“, nicht zuletzt als Strategie der Heilung. Zeitgenössische Kunst steht im Westen eher nicht unter dem Verdacht, sich für das Wohlergehen der Betrachtenden zu sorgen. Und es wirkt durchaus ein bisschen beliebig, wenn Akte schwarzer Menschen eine ausgewiesen schwarze Lebenslust feiern sollen. Doch, wie der Kurator und Autor Ekow Eshun in einem Video sagt, geht es für schwarze Menschen um neue Mythen, neue Möglichkeiten und darum nach eigenen Begriffen gesehen zu werden. Dies deckt sich mit dem Titel der Ausstellung, die den Namen der Netflix-Serie „When they see us“ entscheidend verändert hat. Und derjenige, der auf Esiri Erheriene-Essis Bild „Birthday Party“ aus dem Jahr 2021 mit einem großen Geburtstagskuchen gefeiert wird, ist dann eben Steve Biko. Der Aktivist starb 1977 an den Misshandlungen, die ihm während der Haft zugefügt worden waren.
In vielen Bildern geht es um Rollenwechsel. Und vermutlich ist es immer noch nicht selbstverständlich, dass es ein schwarzer Mann ist, der sich aus dem Swimmingpool stemmt und von einem weißen Butler vor der Villa erwartet wird wie bei Katlego Tlabela. Roméo Mivekannin schlüpft gleich selbst in die Rolle der schwarzen Frau in Félix Vallottons Gemälde „La Blanche et la Noire“. Er hat das Doppelporträt auf alter Tischwäsche gemalt, das eingestickte Monogramm auf dem weißen Körper wirkt hier wie ein Brandzeichen.
When we see us. Hundert Jahre panafrikanische figurative Malerei. Kunstmuseum Basel/Gegenwart, St. Alban-Graben 8, Basel. Di-So 11-18 Uhr. Bis 27. Oktober.
Bildquellen
- Aaron Douglas: „Boy with a Toy Plane“, 1938 © 2024, ProLitteris, Zurich. SCAD Museum of Art Permanent Collection, Gift of Dr. Walter O. Evans and Mrs. Linda J. Evans: © Heirs of Aaron Douglas/VAGA at ARS, NY and DACS, London 2022
- Mickalene Thomas: „Never Change Lovers in the Middle of the Night“, 2006 © 2024, ProLitteris, Zurich.: Courtesy of Jorge M. Pérez Collection, Miami
- Sungi Mlengeya: „Constant III“, 2019 © Sungi Mlengeya.: Courtesy of the Ditau Collection