Interview

Im Gespräch: Smudo von den Fantastischen Vier (Archiv, 1994)

Aus Stuttgart kommen sie, Die Fantastischen Vier mit ihrer witzigen, intelligenten deutschen HipHop-Musik. Mit „Die da!?!“ feierten sie ihren Mega-Erfolg, „Saft“, „Dicker Pulli“ und „Es wird Regen geben“ folgten. Die Ländle-Räpper haben gerade ihr drittes Album vorgelegt und sind auf Tournee. Die vier stellen „Die 4. Dimension“ am Sonntag, den 30. Januar 1994, 20h Live in der Waldkircher Stadthalle vor. Gerhard Ehret stahl S.M.U.D.O.s wertvolle Zeit.  

Kultur Joker: Bei eurem letzten Auftritt in Emmendingen waren die Vier noch zu viert, heute zu fünft. Damals kam viel Sound aus Sample- und Bandkonserven. Gibt es bei der aktuellen Tournee eine neue Live-Konzeption mit „richtigen Musikern“? 

Smudo: Das wurde Zeit. Unsere HipHop-Musik wird sozusagen „designed“ am Mischpult, Plattenspieler, Computer usw., die kann man nur schwer live bieten. Wir sind jetzt viele Jahre mit dem DAT-Recorder quasi als halb-playback unterwegs und haben uns überlegt, etwas Neues zu machen, eine „neue Dimension“ auf der Bühne einkehren zu lassen. Wir sind tatsächlich mit einem Live-Schlagzeuger unterwegs, der die Grooves unterstützen wird. Wir werden die Mucke auch nicht mehr vom Band laufen lassen, sondern spielen sie vom Sample ab, teilweise abgespeckt oder anders gemischt und mit anderen Arrangements, so dass es gut mit den Drums harmoniert. Wir werden eine Videowand mitnehmen und Bilder einspielen. Als erweiterte Lichtshow sozusagen. Dann wollen wir ein quadrophones Soundsystem bauen. Wir hoffen, dass wir dadurch das Sound-Manko der letzten Tour ausgleichen können.  HipHop live zu bringen, war immer ein Problem, schon bei allen amerikanischen Profi-Ligisten. Die Stereo-MCs habens mit dem Live-Sound gut hingekriegt.  

Kultur Joker: Könnt ihr euch denn nach dem Risenerfolg in eurer Heimatstadt Stuttgart überhaupt noch frei bewegen?  

Smudo: Gerade in Stuttgart sogar. Man kennt uns hier schon länger. Seit sechs Jahren machen wir untereinander Musik und haben viele Freunde in den kleinen Clubs. Die Leute wundern sich nicht, die haben beobachtet, wies mit uns aufwärts ging. Deejott Hausmarke und ich sind neulich zum Schlussschnitt des Viedeos für „Zu geil für dieses Welt“ nach Wien geflogen und anschließend in eine Disco gegangen. Dort konnte man echt nicht mehr nomal rumlaufen. „Isses nicht der“, Autogramme und so. Es wird immer viel heißer gekocht als gegessen. Es ist wirklich nicht so schlimm. Da wir versuchen, uns so zu geben, wie wir sind, auch vom Image her und im Umgang mit Fans, finden die das natürlich auch ganz cool, wennsie mit mir in der Schlange beim Metzger stehen. Und dementsprechend locker ist die Begegnung mit Leuten auf der Straße. Wenn wir zu viert in buntem Outfit gebündelt auftreten, dann ist das anders, dann geht das nicht mehr.  

Kultur Joker: Wie reagieren deutsche Rock-VIPs auf euch bei gemeinsamen Auftrittenn wie beim „Heute die, morgen Du“-Festival gegen Ausländerfeindlichkeit in Frankfurt? 

Smudo: Bei manchen war man schon aufgenommen in den ach so erlauchten Kreis, backstage bei `ner Currywurst mit den Humpe-Schwestern. Relativ normal also. Die interessierts auch selber, weil sie innovativ waren mit Ideal im deutschsprachigen Musikbereich. Leute wie Grönemeyer oder Westernhagen, die hab ich dort nicht rumlaufen sehen. Die eigentliche Zusammenkunft war bei dder Phonoakademie-Preisverleihung in Berlin, und da waren sie alle ganz cool und nett. Die sind ja selber alle von klein nach groß gekommen, man muss schon ein paar Etappen durchlaufen. Grünschnäbel waren wir. Wir haben ein Klischee daraus gemacht. Viele dachten, naja, die machen einen auf Klaus & Klaus wegen der witzigen Texte, oder das sei keine ernstgemeinte handgemachte Musik. Ich glaube was passiert ist, das hat und den Respekt eingebracht.  

Kultur Joker: Durch eure Hits? 

Smudo: Ja, und auch wie wir damit umgehen. Wir kommen damit ganz gut klar, wir sind nicht abgehoben, kann ich von mir aus unbescheiden behaupten. Wie haben wohl laufen gelernt in diesem Kreis. 

Kultur Joker: Seit Jahren Grunge in den Staaten, deutscher HipHop bei uns. Was ist die nächste große Sache in Sachen Musik? 

Smudo: Gute Frage, keine Ahnung. Prinzipiell ist der Trend ja so, dass mit dem Einzug  von Computer und Mikroelektronik Studiotechnik mit der ganzen einfachen Software gut zu bedienen ist. Quasi jeder kann immer mehr kreative Ideen in Akustik wiedergeben mit Hilfe von komfortablen Programmen, die von Woche zu Woche besser werden. Diese Entwicklung hat Techno in dem Maße erst ermöglicht. Fusions werden durch technisches Tralala viel mehr möglich, Verbindungen von Rock, Soul, Jazz, HipHop, alles wird wesentlich experimeteller. Eine richtige Idee? Ich weiß nicht. Die alten Punk-Roots werden an die Wand geschrieben im Zuge des Grunge-Erfolgs, aber da ändert sich auch viel. Rage Against The Machine sind stark, beats und Rhythmus. Interessant ist, was Dance, HipHop mit Heavy zusammengebracht hat. Es wird noch viel mehr interessante Fusions in dieser Richtung geben.  

Kultur Joker: Wie kommts, dass Leute aus der sogenannten „Alten Schule“ – HipHop und die Szene-Freaks im Umfeld des MZEE-HipHop-Magazins auch als nicht originäre HipHopper bezeichnen und anmachen, sondern allenfalls als wenn auch gutgemachte deutschsprachige Popkapelle akzeptieren? 

Smudo: Als HitPop-Gruppe (lacht). Die reden sehr laut. Wie haben als erste angefangen mit deutschen HipHop-Texten. Ein Witz: ein ehemaliger Kumpel von Torch hieß damals Ebony-Prince, der nennt sich jetzt Elfenbeiprinz, was hat das wohl für Gründe? Die wollen sich vom Mainsteam fernhalten. Beim ersten Album war das nicht so übel. Wir hatten auf Jams gespielt seinerzeit, und es gab diese und jene Stimmen. Deutscher HipHop sei in eine komerzielle Ecke gekommen durch unseren großen Erfolg, dass wahrscheinlich die Friseurin um die Ecke sich unter deutschem HipHop Die Fantastischen Vier vorstellt. So eine Argumentation wird immer wieder gesucht. Den Jungs kommt die Galle hoch, wenn sie uns hören. HipHop ist unheimlich vielfältig und die Richtungen koexistieren in Amerika recht gut. Hier gibt es die typische Art zu hinterfragen und zu sagen, so und so isses nicht richtig. Ich habe etwas Angst, dass sich diese Leute ihre eigene Musik kaputt machen. Es gibt in der Szene sehr viele, die mut uns auskommen, die uns als HipHopper akzeptieren und auf diese dogmatischen Alten-Schule-Freaks kloppen. Ich mach die Heuchelei von Akim oder Kotthoff nicht mit, bei uns machen sie sich schlau, wollen privat gut auskommen und zerreißen uns dann in der Presse. Ich kann zwar gut Geshäft von Persönlichem trennen, aber meine Musik ist mir so persönlich, dass ich da nicht mitmache. Das Traurige ist, die Diskussion zermürbtviel Kreativität auf beiden Seiten. Man macht sich etwas kaputt, was viel ausbaufähiger wäre.  

Kultur Joker: Was hälst du von Kollegen wie Advances Chemistry? 

Smudo: Torch managed die übrigens. Will ich nichts mit zu tun haben, weil sie in der Öffentlichkeit über uns hetzen, aber persönlich gut auskommen wollen. Das geht nicht. „Fremd im eigenen Land“ ist ein gutes Lied und sie haben Profil. Schade ist nur: Sie haben aus einem ehemals antifaschistischen Image ein „anti-fantastisches“ gemacht, was ich trtaurig finde, weil sehr viel Potenzial dabei flöten geht.  

Kultur Joker: Habt ihr mit eurem Erfolg gerechnet? 

Smudo: Niemals. Dass es so massiv kommt, dass „Die da!?!“ Platz 2 in Deutschland wird, niemals. Hätt ich nie zu hoffen gewagt. Naja, es ist passiert, man muss damit leben. Wir hatten das Gefühl: Wir stehen mit dem Rücken zum Meer am Strand und hinter uns kommt eine Riesenwelle und wir sehen sie nicht. Ging in die Charts und ab wie Harry. Der Erfolg hat uns überrollt. Man macht emotionale Purzelbäume. 

Kultur Joker: Vielen Dank für das Gespräch. 

Bildquellen

  • Archiv-Interview Smudo Feb 1994: Kultur Joker