InterviewNachhaltig

Im Gespräch: Sebastian Sladek, EWS-Vorstandsmitglied, über den Kampf um die Energiewende

Die Existenz der genossenschaftlichen Elektrizitätswerke Schönau (EWS) ist eine beispielhafte Erfolgsgeschichte im bürgerschaftlichen Kampf um den Ausbau regenerativer Energieproduktion abseits und als Gegenentwurfzu den privatwirtschaftlich organisierten Energieriesen. Aus einer einst unter dem Eindruck der Tschernobyl-Katastrophe 1986 gegründeten Bürgerinitiative in Schönau im Wiesental haben sich die damals wie heute so genannten Stromrebellen in mehreren Entwicklungsstadien zu den heutigen EWS mit vielen Tausenden Stromkunden in ganz Deutschland entwickelt. Jüngster Expansionsschritt: Der Einzug in Büroräume im Neubau der Volksbank unmittelbar am Freiburger Hauptbahnhof nebst einem öffentlichen Show-Room im Erdgeschoss. EWS-Vorstandsmitglied Sebastian Sladek erläuterte im Gespräch mit Erich Krieger die Entscheidung.

Team des EWS-Store Freiburg, v.l.n.r.: Christoph Teuchert, Simone Herpich, Beate Scharr, Tatiana Cyro Costa

Kultur Joker: Am Anfang Graswurzel-Bürgerinitiative, jetzt Büros und Show-Room in der besten Gegend Freiburgs. Sind die Stromrebellen mittlerweile zahm geworden?

Sebastian Sladek: Überhaupt nicht! Wir sehen das als Verstärkung der Rebellenkraft. Wir haben jetzt über drei Jahrzehnte im Schwarzwald aus dem Tal erfolgreich gearbeitet, aber der nächste Schritt in der Energiewende muss jetzt dringend mehr in die Städte getan werden. Klimaschutz und Energiewende brauchen eine viel stärkere Lobby und wir sehen uns als Teil und Vertreter dieser Lobby. Darum sind wir auch in der Stadt gelandet. In den Ballungszentren wohnen die meisten Menschen und hier ist im Unterschied zum Land noch viel zu wenig in puncto Umsetzung zum Beispiel beim Ausbau der Solarenergie, bei Wärme- und Mobilitätskonzepten passiert. Klimaschutz und Energiewende zählen zu den zentralsten Themen unserer Gegenwart und das Pushen dieser Themen verdient eine zentrale Lage. Hier sitzen wir in einer Art öffentlichem Show-Room. Dort wollen wir nicht irgendwelche mehr oder weniger unnötigen Dinge verkaufen, sondern kräftig Remmidemmi für die genannten Themen machen. Wir werden immer wieder interessante Referenten oder engagierte Initiativen zu Veranstaltungen einladen, um so diesen Ort zu einem Anziehungspunkt und Impulsgeber für immer breiteres Engagement von Bürgerinnen und Bürgern zu machen. Dabei hilft die Nähe zum Hauptbahnhof nicht unbeträchtlich.

Kultur Joker: Musste es aber gleich die zentralste und wahrscheinlich auch eine der teuersten Gegenden sein? Diese Frage stellen sicher gerade die ganz alten Kunden, die die Anfänge der EWS schon mitbekommen haben

Sebastian Sladek: Die teuerste nicht unbedingt. Wir hatten ursprünglich gar nicht die Absicht. Aber wie so oft kommt eines zum andern. Wir sind mit der Volksbank, die ja auch eine Genossenschaft ist, seit langen verbunden und arbeiten eng zusammen, zum Beispiel im Verein SolidarEnergie Freiburg. Die Volksbank hat uns recht frühzeitig gefragt, ob wir interessiert sind. Erst ging es nur um Büroflächen. Dann war plötzlich noch eine Ladenfläche im Erdgeschoss frei und auch da kam die Bank auf uns zu. Wir haben in vollem Bewusstsein über einen möglichen Imageverlust nachgedacht und trotz einiger Kritik am energetischen Baukonzept des Gebäudes, auf das wir trotz Versuchen leider keinen Einfluss mehr nehmen konnten, dafür entschieden. Die exzellenten Möglichkeiten, die Räume und auch die großen Flächen vor dem Gebäude an einem Hauptknotenpunkt der Stadt an einer vierspurigen Straße mit viel Verkehr im Sinne unserer Anliegen zu bespielen, haben den Ausschlag gegeben. Wir haben dafür viele Ideen und wollen uns mit unseren Botschaften auch deutlich zeigen. Wir hoffen, dass der Corona-Verlauf dies baldigst in vollem Umfang ermöglicht. Die Unübersehbarkeit ist hier sicher ungleich größer als in einer Gegend, die imagemäßig vielleicht besser zu den Stromrebellen gepasst hätte.

Kultur Joker: Nochmal zum Show- Room. Was soll hier genau passieren?

Sebastian Sladek: Vielleicht vorweg: „EWS kommt nach Freiburg“ stimmt ja genau genommen gar nicht. Es gab schon immer starke Kontakte zu allen möglichen Umwelt-Initiativen und -projekten die wir unterstützt oder mit denen wir zusammengearbeitet haben. Deshalb könnte man auch sagen EWS kommt ein Stück weit nach Hause. Es geht hier darum, dass wir den vielen in Freiburg vorhandenen Verbündeten, seien es kleine Gewerbetreibende, Initiativen oder Vereine, eine Bühne bieten wollen. Das vielfältige Netzwerk soll sich hier selbst darstellen können, zum Beispiel, dass sich hier Kunden von uns mit ihren umweltfreundlichen Produkten präsentieren können und darlegen, warum sie für Klimaschutz und Energiewende stehen. Geplante Expertenvorträge nannte ich schon. Initiativen wie Fridays for Future wollen wir hier unterstützen (schmunzelt).Dafür gibt’s Ideen, die wir aber noch nicht verraten. In diesem Show-Room werden nicht wir uns primär zeigen, sondern hier zeigen sich das ganze Netzwerk und viele Klimaschutz- und Energiewende-Bewegte. Im September gibt es eine Ausstellung vom Verein „Solare Zukunft“, der mit Kindern zusammen Exponate zum Thema hergestellt hat, eine Ausstellung, die gezielt Schulklassen anspricht.

Kultur Joker: Anderes Thema: Es ist offensichtlich, dass die Zeit beim Klimaschutz drängt, dass kosmetische oder punktuelle Maßnahmen nicht mehr ausreichen, sondern in vielen Bereichen komplett umgedacht werden muss. Wo sehen Sie hier die unmittelbar notwendigen Schritte und Veränderungen?

Sebastian Sladek: Kurz: Wir brauchen von allem schneller mehr! Wir liegen bei allen Parametern, die wir uns vorgenommen hatten, weit hinten dran. Wir brauchen eine sektorübergreifende Energiewende. Beispiel: Mobilität, Öffentlicher Nahverkehr. Hier hat sich aus meiner Sicht beim Leistungsgefälle zwischen Stadt und Land noch nichts Grundlegendes verändert. Es gibt immer noch Dörfer im Schwarzwald, die zweimal am Tag vom Schulbus angefahren werden und sonst nichts. Bei Nah- und Fernwärmekonzepten auf Basis grüner Wärme liegen wir in Deutschland meilenweit zurück. Wir brauchen dringend die Einführung von Speichertechnologien. Pro Jahr werden bei uns in Zeiten, wo viel Strom zur Verfügung steht für über 1,5 Milliarden Euro EEG-Anlagen abgeregelt, also Windräder etc., weil man Kohlekraftwerke nicht abregeln kann. Dafür sind Ausgleichszahlen fällig, das heißt, wir bezahlen Strom, der gar nicht produziert wird. Deshalb müssen wir bei den Speicherkapazitäten in die Vollen gehen, denn dieses Jahrzehnt ist in dieser Frage das entscheidende.
Für mich gibt es für die Umsetzung der Energiewende keine gravierenden technologischen Probleme mehr, wohl aber bewusste Verzögerung von interessierter Seite. Deshalb ist sie in meinen Augen keine technologische, sondern längst eine soziale Herausforderung. Und genau deswegen sind wir hier. Wir leben glücklicherweise in einer Demokratie und Umwälzungen sind mit Stimmmacht möglich. Für mich ist dieser Store, ist die Präsenz der EWS hier ein Impulsgeber, um diese Stimmmacht aufbauen zu helfen. Für uns waren Stromkunden immer in erster Linie Mitstreiter. Es ging darum: Wer viele Kunden hat wird wahrgenommen von der Politik. Wir wollen Menschen mit Ideen infizieren, sofern sie es nicht schon sind, in ihren Ideen bestärken, wenn sie es schon sind und dann auch darin, politisch zu handeln. Denn ohne politisch zu handeln hat es am Ende keinen Sinn.

Kultur Joker: Herr Sladek, wir danken für dieses Gespräch und wünschen in unser aller Interesse spürbaren Erfolg.

Weitere Informationen: www.ews-schoenau.de

Bildquellen

  • Team des EWS-Store Freiburg, v.l.n.r.: Christoph Teuchert, Simone Herpich, Beate Scharr, Tatiana Cyro Costa: Foto: EWS
  • Sebastian Sladek: Foto: Erich Krieger