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Im Gespräch: Paula Kommoss, Kuratorin der 2. Biennale für Freiburg

Paula Kommoss
Foto: Jens Gerber

Die BFF ist ein neues Kunst-Format in der Stadt, wirksam für Freiburg und die Region. Installiert auch als Kompensation nach der Streichung der Karlsruher Akademie-Klassen vor Ort, ausgestattet mit einem guten jährlichen, reichlich fünfstelligen Basis-Budget durch den Freiburger Gemeinderat. Neue, junge Kunst-Zeichen sollen hereingetragen werden in die Stadt. Die kuratorische Leitung wechselt, mit Bedacht im Zwei-Jahres-Rhythmus. Paula Kommoss (Jahrgang 1989) ist die aktuelle Kuratorin für 2023. Mit ihr sprach Martin Flashar.

Kultur Joker: Liebe Frau Kommoss, seit Jahresbeginn sind Sie in Freiburg, als Kuratorin der „Biennale für Freiburg (BFF) 2023“. Wie geht es Ihnen in der Stadt?

Paula Kommoss: Ich habe es sehr genossen, zurückzukehren und fühle mich willkommen! Die Atmosphäre in Freiburg empfinde ich als sehr offen und aufgeschlossen. Ich bin dankbar, wie viele Menschen ihr Wissen und ihre Perspektive auf die Stadt mit mir teilen: Ich führe im Moment Gespräche mit unterschiedlichen Akteur*innen der Stadt – und so tun sich immer wieder neue Anknüpfungspunkte auf für Freiburg und die Kunst- und Kulturszene vor Ort.

Kultur Joker: Sie kennen Freiburg von früheren Lebensstationen …

Paula Kommoss: Während meines Studiums der Kunstgeschichte konnte ich Freiburg über einen längeren Zeitraum kennenlernen. Nun als Kuratorin zurückzukehren, ermöglicht mir, die Stadt nochmal ganz anders wahrzunehmen und auf die Potenziale von zeitgenössischer Kunst hin zu untersuchen. Diesen intensiven Dialog mit der Stadt empfinde ich als sehr bereichernd.

Kultur Joker: Wie kam es zu Ihrer Ernennung als Kuratorin?

Paula Kommoss: Nach dem Besuch der Biennale 2021 habe ich mich enthusiastisch auf die öffentliche Ausschreibung beworben und konnte die Jury mit meinem Konzept für die zweite Ausgabe der Biennale, meiner Erfahrung im Kunstbetrieb und meinem Netzwerk zu einer jungen Künstler*innen-Generation überzeugen: Meine Stationen waren zuletzt das Fridericianum in Kassel (2016), der Deutsche Pavillon in Venedig (2017) und danach die Städelschule in Frankfurt (2018–2021).

Kultur Joker: Sie haben also die erste BFF im vergangenen Jahr mitbekommen?

Paula Kommoss: Ich nahm am Eröffnungswochenende teil und besuchte alle Ausstellungsorte. Besonders haben mich die unterschiedlichen Orte und Formate der Biennale fasziniert, sowie die offene und neugierige Stadtgesellschaft.

Kultur Joker: Neun Monate sind Sie nun in Freiburg und bereiten das Event fürs nächste Jahr vor? Wie kann man sich das im Einzelnen vorstellen? Was tun Sie derzeit?

Paula Kommoss: Es ist inzwischen viel passiert, im Moment stehen Ortsbesichtigungen an, Vorbereitungen neuer Kunstproduktionen, Gespräche mit Künstler*innen und die Vertiefung lokaler Kooperationen.

Kultur Joker: Wird die Künstlerschaft Freiburgs und der Region in das Programm der BFF 2023 eingebunden?

Paula Kommoss: Gerade der Dialog zwischen jungen Künstler*innen aus der Region und internationalen Positionen kann spannend sein. Dies ist auch Teil meiner institutionellen Arbeit. Der Kunstverein Freiburg sowie das Museum für Neue Kunst sind bereits bestätigte Kooperationspartner.

Kultur Joker: Erfolgen diese Künstler-Ansprachen direkt, oder gibt es Ausschreibungen für bestimmte Programm-Module?

Paula Kommoss: Für die Biennale finden aktuell nach Recherchen direkte Gespräche und ‚Studio Visits‘ mit einzelnen Künstler*innen statt. Für die jährlich stattfindende ‚Regionale‘ gibt es jedes Jahr im Juni eine große Ausschreibung für regionale Künster*innen, ich möchte da nicht in Konkurrenz zu bestehenden Formaten treten, sondern in Kooperationen denken. Diese Zusammenarbeit im Dreiländereck bietet eine großartige Möglichkeit der Vernetzung der lokalen Szene – ich bin schon sehr gespannt auf die kommende Ausstellung im November im Kunstverein Freiburg (Eröffnung: 25.11. um 20 Uhr), die von Theresa Rößler kuratiert wird.

Kultur Joker: Kultur insgesamt lebt von den Orten, an denen sie stattfindet …

Paula Kommoss: Lokale Verankerung ist ein Grundprinzip meiner Arbeit und der Biennale selbst. Die Biennale für Freiburg agiert explizit im Dialog mit der Stadt und dies soll auch essenzieller Bestandteil der zweiten Ausgabe sein.

Kultur Joker: Durch die Pandemie kam in den Innenstädten generell Einiges in Bewegung: Leerstände sehr oft zum Nachteil des Stadtbilds, gelegentlich auch zum Vorteil der Kunst – Stichwort: Pop-Up-Locations …

Paula Kommoss: Dies ist ein vielschichtiges Phänomen, für die Biennale will ich auch solche Ambivalenzen im öffentlichen Raum thematisieren: wem gehört der öffentliche Raum, wer nutzt ihn wie?

Kultur Joker: Könnten Sie ein oder zwei inhaltliche Leitlinien schon verraten? Geht es um ‚Nachhaltigkeit‘ und die ‚Green-City‘, um die Phänomene der ‚Zeitenwende‘, um ‚Krieg und Frieden‘, oder was werden sonst Ihre Themen sein?

Paula Kommoss: Zuviel verraten möchte ich noch nicht, denn viele Arbeiten entstehen ja erst. Aber: der öffentliche Raum ist Ausgangspunkt für mein Denken. Hier verdichtet sich unsere Gegenwart. Auch die künstlerischen Positionen reagieren implizit auf die Fragen, die sie ansprechen: so werden andere Perspektiven ermöglicht, die alltägliche Wahrnehmungen und Handlungen kritisch reflektieren. Fragestellungen, die hier mitschwingen sind: Wie verändert sich die Stadt im Spannungsfeld lokaler Bedingungen und globalen Entwicklungen? Wie formen sich inmitten von Ungleichheiten, Solidarität und Empathie in der Stadtgesellschaft?

Kultur Joker: Wie sehen Sie die Bildende Kunst in Freiburg in der Zukunft? Kann die BFF Impulse geben?

Paula Kommoss: Neue Impulse zu setzen ist in der DNA der Biennale für Freiburg verankert – nach der Schließung der Außenstelle der Kunstakademie Karlsruhe sollte ein regelmäßiger Austausch mit zeitgenössischer Kunst in Freiburg weiterhin bestehen bleiben. Die Biennale soll ein Forum für Begegnungen sein, Perspektiven von außen und innen gleichermaßen sichtbar machen. Diese Art des Dialogs und des Perspektivwechsels sind Grundlage der inhaltlichen Auseinandersetzung – auch für die Biennale im Sommer 2023.

Kultur Joker: Liebe Frau Kommoss, vielen Dank für das Gespräch!

Weitere Infos: www.biennalefuerfreiburg.de

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  • Paula Kommoss: Foto: Jens Gerber
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