Im Gespräch: MIU LING, DJ, über harten Techno und Safer Spaces
MIU LING ist seit Beginn ihrer DJ-Karriere 2020 viel unterwegs. Ob sie in Freiburg, Basel oder Berlin auflegt – die Leidenschaft der Wahlfreiburgerin gilt dem Techno. Auch setzt sich die Musikerin für queer-feministische Räume in der noch immer sehr weißen, von Männern dominierten Partyszene ein. Fabian Lutz hat mit MIU LING über kinky Partys, Gefuchtel hinterm DJ-Pult und falsche Vorbilder gesprochen.
Kultur Joker: Anfang August hast du auf dem Queer & Kinky Festival „Insel der Freuden“ im Hans Bunte aufgelegt. Unter „kinky“ versteht man unkonventionelle sexuelle Praktiken. Queere Partys im Hans Bunte gelten auch nicht als ganz unschuldig. War es die wilde Party, die man erwartet?
MIU LING: (lacht) Ja, es war wild, sehr cool. Während meinem Set habe ich zuerst gar nicht so viel mitbekommen. Nach einer halben Stunde ging es aber voll ab.
Kultur Joker: Brauchst du Einstimmungszeit?
MIU LING: Ja, bis ich in den Flow komme. Dann spiele ich intuitiv und nicht mehr so kopflastig. Nach einer halben Stunde war die Tanzfläche voll und neben mir haben Leute auf den Boxen getanzt. Das war super schön. Ich mag es, wenn die anderen so abgehen, ich selbst kann das nicht immer.
Kultur Joker: Obwohl du ganz vorne stehst?
MIU LING: Die Leute erwarten oft, dass man die Crowd anleitet, mit riesigem Gefuchtel und Show. Ich versuche, einen Mittelweg zu finden, der noch zu mir passt. Ich freue mich, wenn Leute neben mir tanzen und das übernehmen. Dann kann ich mich einfach um die Musik kümmern.
Kultur Joker: Harter Techno – war das schon immer dein Ding?
MIU LING: Ich hatte schon immer ein Faible für düsteren Expressionismus, ob düsterer Rock / Metal oder finstere Fantasy / Science Fiction. Beim Feiern kann ich gerade bei einem harten, düsteren Sound meinen Kopf abschalten und loslassen.
Kultur Joker: Trittst du oft auf queeren, kinky Partys wie der „Insel der Freuden“ auf?
MIU LING: Nicht unbedingt, in Freiburg werde ich trotzdem vor allem für solche Partys gebucht. Vielleicht liegt es daran, dass ich queer bin und einen für Freiburg eher härteren Techno auflege. Bei anderen Events hat das noch nicht so viel Raum.
Kultur Joker: Was macht die „Insel der Freuden“ für dich aus?
MIU LING: Die Leute sind ausgelassener, gleichzeitig ist es ein sicherer Ort für die queere Community. Wir haben dort eine Freiheit, unsere sexuelle Orientierung auszuleben, die wir noch nicht überall haben. Ich bin in Basel aufgewachsen und habe da viel gefeiert. In Basel sind fast alle DJs cis-männlich und weiß. Bis vor zwei Jahren hatte ich nie den Gedankentransfer gemacht, als weibliche, nicht-weiße Person dasselbe zu machen – obwohl ich Techno feiere und schon immer Musik gemacht habe.
Kultur Joker: Eine Frage der Vorbilder.
MIU LING: Dass ich nie den Gedanken hatte, selbst DJ zu werden, ist im Nachhinein erschreckend. Das liegt daran, dass ich niemanden gesehen hatte, mit dem ich mich identifizieren konnte. Auch weibliche DJs sind meistens weiß, jung, normschön. Da ist es schwierig, anders zu sein. Ich frage mich dann immer: Ist es okay, wenn ich jetzt vor der Menge stehe. Reicht die Musik?
Kultur Joker: Und? Reicht die Musik?
MIU LING: Ich denke bisher ja. Wobei es je nach Location schon Unterschiede im Umgang gibt. Ich merke dann schon, wo meine Grenzen sind. Also eigentlich nein – oft reicht die Musik nicht, das Zwischenmenschliche bleibt immer wichtig.
Kultur Joker: Mit deinen zwei DJ-Mitstreiter*innen im Kollektiv ravenna veranstaltest du auch selbst. Was ist dir dabei wichtig?
MIU LING: Wir haben ravenna gegründet, um einerseits einen Beitrag zum Nachtleben in Freiburg zu leisten und andererseits, um insbesondere FLINTA*-DJs zu buchen und somit zu fördern (FLINTA* – Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen). Wir stehen noch am Anfang, aber ich freue mich schon über den weiteren Austausch mit Leika und KYA.debrah.
Kultur Joker: Liebe MIU, danke für das Gespräch!
Bildquellen
- MIU LING bei der „Insel der Freuden“ im Hans Bunte: Foto: MIU LING