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Im Gespräch mit Manuela Kowatsch und Laurence Nagel, die neue Doppelspitze des Freiburger E-Werks

Das Freiburger E-Werk hat eine neue Doppelspitze – am 1. Juni haben Manuela Kowatsch und Laurence Nagel die Geschäftsführung des soziokulturellen Zentrums übernommen. Nun beginnt die neue Saison und damit auch die erste unter der Leitung der beiden Frauen, die in der Freiburger Kulturszene keine neuen Gesichter sind. Zu diesem Anlass befragte Elisabeth Jockers die Geschäftsführerinnen zu den Aufgaben und Herausforderungen der Kultur in Krisenzeiten, der Zukunft des E-Werks und Perspektiven einer weiblichen Doppelspitze.

Kultur Joker: Manuela Kowatsch, Sie sind seit einigen Jahren Teil des Teams. Das E-Werk gehört zweifelsfrei zu den bedeutendsten Institutionen der (Freien) Kulturszene in Freiburg. Was macht den Ort für Sie so besonders?

Manuela Kowatsch: Für mich ist das E-Werk ein Ort, der besonders durch seine Vielfalt und Offenheit beeindruckt. Es ist nicht nur ein Zentrum für zeitgenössische Kunst und Kultur, sondern auch ein Raum für Begegnungen, Austausch und Kreativität. Die Interdisziplinarität und die Möglichkeit, sowohl etablierte Künstler:innen als auch aufstrebende Talente zu erleben, machen das E-Werk einzigartig. Besonders schätze ich die enge Vernetzung mit der lokalen und regionalen Kunst- und Kulturszene, die dem E-Werk eine besondere Verwurzelung in Freiburg verleiht, während sie gleichzeitig ein Fenster zur internationalen Kunstwelt öffnet.

Kultur Joker: Laurence Nagel, als Kulturmanagerin kennt man Sie in Freiburg auch durch das tanznetz freiburg. Nun also das E-Werk, das in den vergangenen Jahren mit einem vielseitigen Tanzprogramm aufgefallen ist. Werden hier weitere Synergien entstehen? Und was hat Sie an dieser neuen Aufgabe gereizt?

Laurence Nagel: Natürlich kann ich meine Kontakte und Erfahrungen aus der Arbeit mit der Tanzszene in meiner neuen Rolle als Co-Leiterin des E-Werks einbringen, und meine Verbindungen nach Freiburg weiter ausbauen. Trotzdem ist es für mich ein neues Kapitel und eine sehr inspirierende Aufgabe, die vielmehr eine spartenübergreifende Perspektive braucht. Es wird darum gehen, unterschiedliche Bedürfnisse und Bedingungen miteinander in Einklang zu bringen und neben der Auseinandersetzung mit künstlerischen Positionen, räumliche, personelle und wirtschaftliche Herausforderungen zu meistern. Was mich reizt, ist das enorme Potential, das im E-Werk steckt: Wenn es uns gelingt, die vermeintlichen Grenzen zwischen Bildender Kunst und Darstellender Kunst fluider zu gestalten und das Publikum stärker in den Fokus zu nehmen, können wir hier Einiges in Bewegung bringen.

Kultur Joker: Kultur in Krisenzeiten birgt große Herausforderungen, gewiss aber auch Chancen. Welche Schwerpunkte stehen für das E-Werk in den kommenden Jahren an?

Manuela Kowatsch: In den kommenden Jahren steht das E-Werk vor herausfordernden Zeiten, insbesondere wirtschaftlich. Die anhaltenden Krisen haben deutliche Spuren hinterlassen, und es wird entscheidend sein, nachhaltige Wege zu finden, um die finanzielle Stabilität der Institution zu sichern. Trotz dieser Herausforderungen setzen wir alles daran, das E-Werk weiterzuführen und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Unser Ziel ist es, dass das E-Werk auch in Zukunft ein lebendiger Ort des kreativen Austauschs bleibt. Wir sehen auch eine große Chance darin, die Zusammenarbeit mit lokalen und internationalen Partnern zu intensivieren, um die kulturelle Resilienz zu stärken und das E-Werk für kommende Herausforderungen zu wappnen.

Laurence Nagel: Die gesamte Kulturszene und auch das E-Werk als Kulturbetrieb befinden sich, teils gewollt, teils forciert, in einem umfassenden Veränderungsprozess. Es geht nicht mehr nur darum, auf aktuelle gesellschaftliche Prozesse zu reagieren, sondern wirklich ans „Eingemachte“. Seit der Corona Krise müssen wir uns Alle die Frage stellen, welche Kunst wir für wen anbieten und wie diese dauerhaft wirken und existieren kann. Eine Kultureinrichtung wie das E-Werk begreife ich als öffentlichen Ort der Auseinandersetzung und Begegnung für Viele. Wir möchten genau das noch ernster nehmen und unseren „Auftrag“ aufbauend auf der Geschichte des Hauses und in enger Kommunikation mit allen Beteiligten neu definieren. Wenn es uns gelingt, wieder mehr (unterschiedliches) Publikum ins Haus zu ziehen, ohne in den Mainstream abzugleiten, und zugleich den wirtschaftlichen Betrieb dauerhaft zu sichern, haben wir unsere Mission erfüllt. Wir wünschen uns, dass das E-Werk auch überregional noch mehr Strahlkraft entwickeln wird und wir auch programmatisch neue Akzente setzen können – als transdisziplinäres Kulturhaus im Dreiländereck.

Kultur Joker: Bringt eine weibliche Doppelspitze auch andere Perspektiven?

Manuela Kowatsch: Eine weibliche Doppelspitze kann durchaus neue Perspektiven und Dynamiken in die Führung eines Kulturzentrums wie das E-Werk bringen. Diversität in der Leitungsebene fördert unterschiedliche Herangehensweisen und erweitert den Blick auf Entscheidungsprozesse. In unserem Fall bedeutet dies, dass wir sowohl die soziale als auch die künstlerische Verantwortung gleichberechtigt und vielschichtig angehen. Ein zentraler Aspekt unserer Zusammenarbeit ist das Miteinbeziehen und Stärken des gesamten Teams. Wir setzen auf einen kooperativen Führungsstil, der die Vielfalt der Meinungen und Ideen im Team aktiv fördert und nutzt. Diese enge Zusammenarbeit und der offene Austausch innerhalb des Teams ermöglichen es uns, flexibler auf Herausforderungen zu reagieren und kreative Lösungen zu entwickeln. Dadurch wird nicht nur unsere interne Arbeitsweise gestärkt, sondern auch das künstlerische Programm und die Beziehungen zu Künstler:innen und Publikum bereichert.

Laurence Nagel: Vielleicht geht es nicht nur um neue Perspektiven, sondern eher um die Frage der Haltung. Wie begreifen wir Leitung? Wie verstehen wir und als Organisation? Wie möchten wir als Team zusammen arbeiten, und wie gestalten wir Kooperationen? Bei alldem ist uns wichtig, so transparent und wertschätzend wie möglich zu kommunizieren. Was nicht bedeutet, dass wir es Allen recht machen wollen und können und ebenso wenig, dass Entscheidungen nur im Kollektiv zu fällen sind. Wir möchten uns aber gerne dafür einsetzen, dass wir fair und auf Augenhöhe miteinander arbeiten und vor allem, dass unsere Einzelinteressen tendenziell in einer gemeinsamen Vision aufgehen. Leitung braucht mehr als die Moderation und Abwägung von Einzelinteressen – wir möchten den Weg für etwas Neues ebnen, und das bedeutet sicherlich auch von dem einen oder anderen gewohnten Setting Abschied zu nehmen.
Die Arbeit im Tandem (den Begriff würde ich gerne anstelle der Doppelspitze nehmen) empfinde ich als sehr fruchtbar und inspirierend – wir ergänzen uns nicht nur in unseren Kompetenzen, sondern auch in unserer Präsenz, unseren Charakteren, unseren Arbeitsweisen. Es ist kein Zufall, dass inzwischen viele Kulturbetriebe von zwei oder drei Menschen geleitet werden.

Kultur Joker: Ein Blick in die Zukunft: Was ist Ihr persönliches Highlight in der kommenden Saison?

Manuela Kowatsch: Es fällt schwer, aus dem vielfältigen Programm der kommenden Saison ein einzelnes Highlight herauszunehmen, da die gesamte Bandbreite an Tanz, Theater, Musik und bildender Kunst beeindruckend ist. Besonders freue ich mich darauf, wie diese verschiedenen Kunstformen in unserem Jahresprogramm zusammenkommen und dem Publikum ein breites Spektrum an kreativen Ausdrucksformen bieten. Für mich ist es besonders spannend, die verschiedenen künstlerischen Perspektiven zu sehen, die das Programm bereichern und den kreativen Austausch fördern.

Laurence Nagel: Fragen Sie mich das gerne in einem Jahr noch einmal. Vielleicht wird es der persönliche Austausch zu einem für mich herausragenden Werk in der kommenden Ausstellung sein. Vielleicht das Konzert eines Singer-Songwriters, den ich neu entdecken werde. Vielleicht eine gelungene Generalprobe eines Theaterstücks, das kurz vorher noch auf wackeligen Füßen stand. Vielleicht die Aufführung einer Schulklasse, die durch den Tanz über sich hinaus gewachsen ist. Solche Momente sind nicht wirklich planbar oder vorhersehbar – sie passieren irgendwie – und genau das macht für mich persönlich die Magie von Kunst und Kultur aus. Neugierig und offen sein ist immer eine gute Voraussetzung. Wir hoffen darauf, diese Neugierde und Offenheit rund um das E-Werk neu zu entfachen.

Kultur Joker: Herzlichen Dank für das Gespräch, wir wünschen gutes Gelingen und freuen uns auf die Zukunft!

 

 

 

Bildquellen

  • Manuela Kowatsch und Laurence Nagel: Foto: Michael Bamberger