Im Gespräch mit der Freiburger Punkrockband Das Aus Der Jugend: „Vieles hier ist irritierend bis grotesk“
Mit ihrer ersten Studio-EP „Wir zünden Papas Auto an“ greift das Freiburger Punkrock-Trio Das Aus Der Jugend nach den Mercedes-Sternen. Auf vier Tracks laden Hendrik (Drums & Gesang), Lion (Bass & Gesang) und Max (Gitarre & Gesang) zum Schubsen und Schmusen ein. Elisabeth Jockers befragte die Drei zu Punk, Zukunftsutopien und einem bourgeoisen Freiburg.
Kultur Joker: Punk darf dreckig und durfte schon immer politisch sein. In den vergangenen Jahren ist die Szene aber weicher, vielleicht sogar mercedestauglicher geworden. Wie politisch muss Musik heute (wieder) werden?
DADJ: So mercedestauglich nehmen wir es nicht wahr. Klar hat man diese Altherren-Bands, die aus Altbauten heraus versuchen, den Punk-Kadaver irgendwie am Leben zu halten. Da hat man(n) die Kernthemen „Saufen, Bullen, Kapital“ und es fühlt sich verstaubt und unsexy an. Aber gleichzeitig gibt es genug neue Bands die stürmen und drängen – „Punk“ pulsiert und lebt! Wenn, dann fehlt es da vielleicht manchmal an Universalität – oft geht’s um die eigene Identität, Kritik an der Szene, ironische Doppelböden. Dann spielt sich alles in der Bubble ab und wird exklusiv. Wir wünschen uns mehr „WIR“ statt „ich“: Stumpfe Parolen, klare Feindbilder, Agitation. Vielleicht muss Punk nicht noch politischer werden, sondern einfach ein bisschen gemeinsamer.
Kultur Joker: Anknüpfend an die vorherige Frage, was begeistert euch an Punkrock? Habt ihr Idole?
DADJ: Wer im Punk zum Idol wird, hat was falsch gemacht. Aber Leute, die seit Jahrzehnten dabei sind und trotzdem noch halbwegs vernünftiges Zeug von sich geben, ohne zum Klischee zu werden – wie Annette Benjamin (Hans-A-Plast), Schorsch Kamerun (Die Goldenen Zitronen), Nikel Pallat (Scherben) – das beeindruckt schon. Ansonsten alles, was musikalisch in Bremen passiert – da gibt’s zig Bands, die haben top Humor, finden klare Worte, schaffen sich `ne Szene und schreiben Hits!
Kultur Joker: „Wir zünden Papas Auto an“ ist eine wütende und mitreißende EP, die wenig poplastige Balladen aber dafür viel harten Sound zum Grölen liefert. Was macht euch eigentlich gerade besonders wütend?
DADJ: Dass Menschen in unserem Alter (25) und jünger keine wirkliche Stimme haben. Wir sind zahlenmäßig in der Minderheit. Politische Entscheidungen werden mehrheitlich von greisen, gutverdienenden High-Performern getroffen. Da ist kein Verständnis für Forderungen wie Arbeitszeitverkürzung, kein richtiger Blick für Inflation und Mieterhöhungen, keine Weitsicht für die Folgen der Klimakatastrophe. Clowns wie Lindner verlangen, dass unsere Generation mehr ackert und deren Karren aus dem Dreck zieht. Wir wollen und müssen unsere ganzen Leben damit verbringen, zu retten, was zu retten ist. Es wäre schön, wenn man uns lassen würde.
Kultur Joker: Wie kam‘s zu eurer Formation?
DADJ: Wir haben uns vor knapp 2 Jahren im Haus der Jugend zum Jammen getroffen. Tilo Fierravanti vom Haus der Jugend meinte dann, wir könnten im Sommer beim ZMF auftreten – also haben wir drei Songs geschrieben und ein Tokio Hotel-Cover einstudiert. Der Bandname lag nahe und so kam es zum ersten Konzert. Das hat dann so Spaß gemacht, dass wir weitermachen wollten.
Kultur Joker: In welchem Prozess entsteht ein Song bei euch?
DADJ: Manchmal bringen wir Songs mehr oder weniger fertig mit. Dann wird noch gemeinsam arrangiert („Eat The Rich“). Oder jemand hat einen Text und wir schreiben dann in den Proben gemeinsam die Musik dazu („Im Wasserwerferregen“). Mittlerweile probieren wir uns da mehr aus, suchen uns spezifische Themen, sprechen darüber. Auch musikalisch werden wir immer vertrauter miteinander, haben eine klare Vorstellung davon, wo die Band hin geht.
Kultur Joker: Ist Freiburg nicht eigentlich ein bisschen zu bourgeois für Punk? Oder liefert euch die Stadt die besten Vorlagen?
DADJ: Viel zu bourgeois! Wir haben einen Song der heißt „Künstler aus Süddeutschland“, da setzen wir uns sehr mit dem Widerspruch „Punk aus Freiburg“ auseinander. Wir fühlen uns mit dem Begriff „Punk“ auch gar nicht wohl. Die Vorlagen liefern wir uns also zum Teil auch einfach selbst, als Söhne aus gutem Hause, die sich jetzt mal bisschen die Hörner am „Schweinesystem“ abstoßen. Und auch Freiburg hat viele solcher Widersprüche: man gibt sich bunt aber bleibt unter sich, wählt grün aber fährt SUV, freut sich über junge Leute im Stadtbild aber bitte nur bis 22 Uhr. Und die Touristen und Eso-Hippies tanzen barfuß auf der Alten Synagoge in den Sonnenuntergang. Vieles hier ist irritierend bis grotesk, und das spiegelt sich natürlich auch bei uns wider.
Kultur Joker: Mal angenommen Das Aus Der Jugend übernimmt morgen das Ruder – was würdet ihr sofort ändern?
DADJ: Das Ruder schnell wieder abgeben! Das mit privilegierten weißen Männern an der Macht hat lange genug nicht funktioniert, und da gehören wir ja auch dazu. Wir passen zu gut in dieses System, um es vernünftig zu zerschlagen. Lieber Politik von Arbeiter*innen, FLINTA*, Migrant*innen! Was Forderungen angeht: Reiche enteignen, Konzerne in Arbeitnehmer*innenhände geben und die Merze, Lindners und Chrupallas rausschmeißen, das wäre sicherlich ein guter Anfang…
Kultur Joker: Welche Projekte stehen dieses Jahr bei euch an?
DADJ: Im Sommer treten wir nur vereinzelt auf, weil Hendrik da sein Meisterstück schreinert (hoffentlich wird’s `ne Guillotine). Ab Herbst geht’s dann wieder rund, wir spielen die ersten Konzerte nördlich der ALDI-Grenze, außerdem gehen wir nochmal ins Studio und nehmen auf – mal gucken, ob wir genug Geld für ein Album zusammenbekommen!
Kultur Joker: Lieben Dank, wir sind gespannt!
Bildquellen
- Das Aus Der Jugend: © Christina Deschner