Im Gespräch: Maren Moormann und Michael Labres, Kulturschaffende, Schwere(s) Los! e.V., über einen KulturKiosk auf dem Stühlinger Kirchplatz
Ruhig gelegen in einer kleinen Seitenstraße im Freiburger Stadtteil Stühlinger befindet sich der Schwere(s) Los! e.V., der sich selbst als „Plattform der Inklusion“ versteht. Ihre Projekte, darunter „LebensKünstler“ und „InterKultur“, zeichnen sich durch niederschwellige, interkulturelle und inklusive Konzepte aus. Seit geraumer Zeit arbeitet der Verein an der Umsetzung eines neuen Projekts: Der KulturKiosk auf dem Stühlinger Kirchplatz soll ein Ort der Begegnung werden, unabhängig finanzieller, ethischer oder sozialer Hintergründe. Elisabeth Jockers sprach mit Maren Moormann und Michael Labres über Vereinsarbeit, kulturelle Teilhabe und Handlungsnot auf dem Stühlinger Kirchplatz.
Kultur Joker: Der Schwere(s) Los! e.V. besteht seit 2011 als gemeinnütziger Verein. Welchen Grundgedanken verfolgt der Verein?
Moormann: Unser Stichwort ist „kulturelle Teilhabe“ – für Menschen, die sonst wenig Möglichkeit dazu haben. Das bieten wir in Form von Theater, Tanz, Malerei oder auch unserem Café. Wir sind aber keine Sozialarbeitenden, sondern Kulturschaffende, die einen Raum bieten, in dem jeder einfach er selbst sein kann – keine Normen oder Anforderungen erfüllen zu müssen, ist ungemein entspannend.
Labres: Wir schaffen einen Ort, an dem sich Menschen kreativ erfahren können – unabhängig von finanziellen Ressourcen und ohne vordergründiges Konsumieren der Kultur.
Kultur Joker: Welche Rolle spielen künstlerische Angebote für ein gesundes Gesellschaftsklima?
Moormann: Das halte ich für sehr zentral, denn es erlaubt Menschen, sich anders zu erleben – unabhängig von dem funktionalen Bereich „Ich muss arbeiten, Geld verdienen und funktionieren“. Wer bin ich denn darüber hinaus? Wie möchte ich in die Gesellschaft hineinwirken? Das bleibt auf der Strecke. Insbesondere bei Menschen, die ihren Alltag gerade so gemeistert bekommen. Das können gesunde Menschen mit guten und hohen Einkommen, die sich hier und da einen Kurs dazubuchen, oft nicht nachvollziehen.
Labres: Sich kreativ auszuleben, ist ein Bedürfnis des Menschen. Dass uns das genommen, kommerzialisiert und professionalisiert wird, führt dazu, dass Gruppen ausgeschlossen werden und mehr Leistungsdruck entsteht. Ich glaube, dass unsere Welt heute so aussieht, weil uns genau diese Möglichkeit früh genommen wird. Kunst ist etwas ungemein Soziales – erst wenn ich mich selbst wahrnehme und respektiere, kann ich auch anderen Menschen mit Respekt begegnen. Das hat Corona gezeigt: Orte, in denen es um den Menschen und nicht den Profit geht, z.B. in Pflegeeinrichtungen oder kulturellen Stätten, bleiben auf der Strecke.
Kultur Joker: Seit 2018 arbeitet ihr mit Geflüchteten auf dem Stühlinger Kirchplatz. Wie nehmt ihr die Situation vor Ort wahr?
Labres: Wir haben auf Bitte der Sozialarbeitenden unsere Arbeit auf dem Stühlinger Kirchplatz begonnen. An diesem Platz zeigt sich ein grundsätzliches Problem unserer Gesellschaft: Da, wo ein Ort vernachlässigt wird und die Menschen sich selbst überlassen werden, entstehen Gruppen, Vorurteile und Probleme. 2020 habe ich vor Ort Fragebögen an Familien, Studierende und Geflüchtete verteilt, um die Stimmung einzufangen. Viele freuen sich über die Vielfalt, vermissen aber einen Ort der Begegnung, der zum Austausch einlädt.
Moormann: Der Platz verfällt immer mehr, auch durch die Architektur. In der Mitte ist diese riesige leere Fläche, die nicht besonders einladend ist und dazu führt, dass sich kleine Gruppen am Rand ansiedeln.
Kultur Joker: Einen Ort der Begegnung wollt ihr nun mit dem KulturKiosk schaffen. Was ist die Idee dahinter?
Moormann: Die Idee ist ein Ort der kulturellen Begegnung. Es soll eine Kulturbühne geben, auf der sich Kulturschaffende aus der Stadt präsentieren können. Wo die Kultur zu den Menschen kommt und nicht hinter verschlossenen Türen bleibt. Wie großartig das sein kann, hat das Konzert des Ensemble Aventure auf unserem Festival im August gezeigt. Außerdem möchten wir erschwingliche alkoholfreie Getränke und Snacks anbieten, ein Beratungszimmer für Geflüchtete und einen Spieleverleih mit Badminton, Slackline & Co.
Labres: Ich sehe den KulturKiosk auch als eine Chance, die kulturelle Szene in Freiburg zu vernetzen und gemeinsame Projekte entstehen zu lassen.
Kultur Joker: Welche Hürden müssen noch genommen werden, um das Projekt zu realisieren?
Moormann: Derzeit herrscht Stillstand. Für alles, was länger als sechs Monate steht, muss es eine Bebauungsplanänderung geben. Die Frage ist, wer das bei der Stadt überhaupt entscheiden kann. Denn die Ämter verweisen uns immer wieder an andere Ämter – einen klaren Ansprechpartner gibt es nicht und auch nach einem Termin im Bürgermeisteramt ging es nicht konkret weiter. Deshalb haben wir jetzt eine Petition gestartet, um der Stadt zu zeigen, dass der Wunsch nach einem solchen Ort auf dem Stühlinger Kirchplatz da ist.
Kultur Joker: Liebe Maren Moormann, lieber Michael Labres, wir bedanken uns für das Gespräch und hoffen auf eine positive Entwicklung.
Sie möchten das Projekt unterstützen? Schwere(s) Los! e.V. hat eine Petition für den KulturKiosk gestartet: https://chng.it/xv5hBGdDLb
Bildquellen
- Kiosk-Hände: Foto: Schwere(s) Los! e.V.
- Michael Labres (links) und Maren Moormann (mitte): Foto: Schwere(s) Los! e.V.
- Der Verein baut durch kulturelle Projekte interkulturelle Brücken: Foto: Schwere(s) Los! e.V.