Interview

Im Gespräch: Ingrid Wieland und Susanne Meier-Faust, GEDOK Freiburg (Archiv, 1992)

Je besser dotiert die Kunstpreise, je teurer der Film, je höher die Karriereleiter im Kunst- und Literatur- und dem sogenannten klassischen Musikbereich, desto seltener sind die Frauen dort anzutreffen. Oder anders ausgedrückt: Es gibt viele Musikerinnen, auf den Partituren und an den Dirigentenpulten sind sie dagegen kaum aufzufinden. Und selbst in der Kunstgeschichte tauchen sie nur am Rande auf. Um dieser Unterrichtsrepräsentierung etwas entgegenzustellen, gründete 1926 die Schriftstellerin Ina Dehmle die Künstlerinnengruppe GEDOK, die sich heute als Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstfreunde e.V. bezeichnet. Der Kultur Joker nahm das 30-jährige Jubiläum zum Anlass, mit der Vorsitzenden, Ingrid Wieland, und der Fachbeirätin für Bildende Kunst, Susanne Meier-Faust, ein Gespräch zu führen. Weitere Infos: www.gedok-freiburg.de

Kultur Joker: „Aufgabe der GEDOK ist die Förderung der zeitgenössischen künstlerischen Arbeit der Frau und die Wahrung der Interessen der Künstlerinnen“, heißt es in eurem Programm. Das klingt genauso umfassend wie vage. Auf welche Weise unterstützt GEDOK künstlerisch tätige Frauen?

Wieland: Wir haben zunächst mal die Freiburger Szene als Basis für die Bundes-GEDOK, die 1962 in der Talstraße gegründet wurde. Ohne diese Basisarbeit könnte auch die Bundes-GEDOK gar nicht existieren. Die Bundes-GEDOK organisierte bundesweite Ausstellungen, publiziert eine Autorin, gibt zum dritten Mal den Werkwechsel-Wettbewerb mit einzelnen Literatinnen heraus, die an der Basis erstmal aufgetan werden müssen. Aufgeteilt ist die GEDOK in die Bereiche Literatur, Musik und Bildende Kunst.

Kultur Joker: Gibt es haupt- bzw. nebenberufliche Mitglieder oder Beschäftigte?

Wieland: Die GEDOK ist völlig ehrenamtlich organisiert. Das macht vor allem bei der jüngeren Generation Probleme, die berufstätig ist, und noch mehr als die ältere Generation darauf angewiesen ist, ihr Geld zu verdienen. Wir können von der GEDOK her kaum für etwas bezahlen, worunter die Effektivität sehr leidet. Ander ist es bei Projekten wie der Fotoausstellung „Das dritte Auge“ im Frühsommer. Das war ein Auftrag, der bundesweit gefördert wurde, was es uns möglich machte, einer Kunsthistorikerin wie Frau Meier-Faust und einigen anderen Mitarbeiterinnen etwas zu bezahlen.

Kultur Joker: Müssen die Mitglieder Beiträge zahlen?

Wieland: Für die Künstlerinnen liegt der Beitragssatz bei 50 und bei den Kunstfreundinnen bei 60 DM. Die Fluktuation ist natürlich sehr hoch. Doch jetzt sind wir dabei, junge Künstlerinnen wieder anzusprechen, wofür es verschiedene Aktionen gibt.

Kultur Joker: Wie kommen die Kontakte zu den Künstlerinnen zustande?

Wieland: Viele der vor allem älteren Künstlerinnen sind im BBK. Und da spricht es sich nämlich rum, was die GEDOK macht. Außerdem gehen wir natürlich häufig auf Ausstellungen, wo wir Künstlerinnen direkt ansprechen können.

M.-Faust: Darüber hinaus muss man natürlich sehen, dass viele Mitglieder andere Künstlerinnen ansprechen, um sie für die GEDOK zu interessieren.

Kultur Joker: Sie organisieren auch einige Ausstellungen?

Wieland: Jede Gruppe wählt einen Fachbeirat, der sich um die Organisation kümmert. Diese Fachbeirätinnenbesprechen sich untereinander und mit den Künstlerinnen, welche Ausstellungen oder Veranstaltungen wichtig wären. Der Impuls kommt aus der Fachgruppe und wird dann an den Vorstand weitergeleitet. Wobei jede der 20 Gruppen ihre eigene Organisation hat. Darüber gibt es dann noch den bundesweiten Dachverband.

Kultur Joker: Sind auch Männer auf irgendeine Weise in Eurer Organisation vertreten?

Wieland: Ja. Als z.B. ein Mitglied vor zwei Jahren starb, hat ihr Mann den Posten des Schriftführers übernommen.

M.-Faust: Grundsätzlich werden nur Künstlerinnen gefördert, aber Mitglied und Fördermitglied können natürlich gerne auch Männer sein. Es gibt da keine Beschränkung.

Kultur Joker: Seht ihr Eure Aufgabe in einer reinen Unterstützungsarbeit oder habt ihr auch eine inhaltliche Programmatik, etwa gesellschafts- oder kulturpolitische Positionen?

M.-Faust: Kulturpolitisch ja, weil es immer noch erschreckend ist, wie wenig Künstlerinnen gegenüber männlichen Mitbewerbern zum Zuge kommen. Neue Untersuchungen vom Bundesinnenministerium bestätigen dies. Es ist eben nicht so, dass sich die Förderung von Künstlerinnen als unnötig erweist. Gesellschaftspoltisch weniger.

Kultur Joker: Woran liegt Eurer Meinung nach die Unterrepräsentierung von Frauen im Kultur- und Kunstbereich, vor allem in den höheren Etagen? An der immer noch klassische Rollenverteilung, an machtpolitischen Positionen, den Medien oder ganz einfach an männlichen Chauvinismus?

M.-Faust: Das ist nicht monokausal zu beantworten, das kommt aus verschiedensten Gründen heraus. Es gibt kaum Vorbilder, z.B. an der Kunstakademie, wo es schon eine Rarität ist, dass Frauen wie Rebecca Horn eine Professur bekommen. In den Auswahlgremien sitzen auch meistens Männer, was nicht böse Absicht oder Chauvinismus im engeren Sinne ist. Die Männer kennen sich eben untereinander, fördern sich gegenseitig, und Frauen haben da keine Lobby.

Wieland: Die GEDOK kümmert sich besonders in der Vergangenheit um Frauen, die nach der Familienphase wieder ihre künstlerischen Tätigkeiten aufnehmen. Die Jüngeren haben durch Beruf und Familie wahrscheinlich einfach weniger Zeit. Das ist vielleicht auch ein Grund für die Unterrepräsentation.

Kultur Joker: In der Kunstgeschichte der letzten 500 Jahre gab es immer wieder Künstlerinnen, die zu ihrer Zeit internationales Ansehen genossen. Betreibt die GEDOK auch so etwas wie Spurensuche, um vorhandene kunstgeschichtliche Lücken zu schließen?

M.-Faust: Wenn man dazu die Kräfte hätte, wäre das eine hochinteressante Fragestellung. Da würde es dann in den professionellen Bereich hineingehen. Doch ohne eine staatliche Förderung, z.B. eine ABM-Stelle wäre das gar nicht denkbar. So etwas kann man nicht hobbymäßig betreiben.

Kultur Joker: Haben Sie der Stadt solche Vorschläge schon einmal unterbreitet?

M.-Faust: Nein, aber wenn man sieht, wie das geht mit einem Projekt zur Frauengeschichte in Freiburg, wie schwierig das alles ist, ungute Dinge im Raum stehen, ist es eigentlich gar keim Anstoß, so was zu machen.

Kultur Joker: Was meinen Sie mit unguten Dingen?

M.-Faust: Ich weiß nur, dass zwei Historikerinnen beauftragt worden sind, über Frauen und der Geschichte zu arbeiten und zu schreiben, was eine wahnsinnige Arbeit ist, weil viele der dokumentarischen Materialien erst mühsam zusammengesucht werden müssen. Die Frist, die die Stadt dafür gesetzt hat, ist gar nicht einzuhalten. Das ist keine Grundlage für eine seriöse Arbeit. Das müsste anders finanziert werden.

Wieland: Das geht nur über eine wissenschaftliche Arbeit mit Unterstützung der Universität. Es gibt eine wissenschaftliche Arbeit über Komponistinnen im dritten Reich von meiner Mutter, die selbst Komponistin war und zwei Jahre lang daran gearbeitet hat. In Berlin gab es „Das verborgene Museum“

M.-Faust: Es gibt ja auch das Frauenmuseum in Bonn, um solche Dinge auch historisch aufzuarbeiten. Es gab die sehr eindrucksvolle Ausstellung in Wiesbaden mit Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Auf diesem Terrain müsste weitergearbeitet werden. Es müsste auch mal der Stellenwert von Künstlerfrauen untersucht werden, die selbst künstlerisch tätig waren, wie z.B. die Frau von Naholy-Nagy, die Fotografin war, was aber nie erwähnt wurde.

Kultur Joker: Hat sich seit 1926 in der Zielsetzung grundsätzlich etwas verändert? Schließlich hat sich die Situation der Frau mittlerweile gewandelt. Gerade in einem relativ offenen Bereich wie der Kunst.

Wieland: Die Zielsetzung ist eigentlich die gleiche geblieben. Es war damals Wohltätigkeit dabei, die Kunstfreunde waren meist die Mäzene, was man heute kaum noch findet, die Notwendigkeit der Zielsetzung ist aber nach wie vor geblieben.

M.-Faust: Man müsste auch den Stellenwert nochmals untermauern können, und dazu bedarf es eben professioneller Arbeit. Wir möchten in Freiburg auch von der Gruppenausstellungen wegkommen, weil das für Künstlerinnen nicht mehr attraktiv ist. Die Hauptförderung liegt heute in der Einzelausstellung, möglichst mit einem Katalog. Wir bemühen uns auch, für die älteren Künstlerinnen einen Retroperspektivenkatalog zu machen.

Wieland: Um die Auswahlprogramme zu vermeiden, haben wir diesmal einen Wettbewerb ausgeschrieben, an dem sich jede Künstlerin aus der Regio beteiligen kann, auch solche, die nicht Mitglied der GEDOK sind.

Kultur Joker: Geschlechtsspezifische Gruppen, die gefördert werden, können auch als Privilegierte betrachtet werden. Gibt es Vorurteile oder Kritik dazu innerhalb der Künstlerszene?

M.-Faust: Ja, das ist eine grundsätzliche Frage. Es gibt natürlich viele Künstlerinnen, die sich weigern, überhaupt unter dem Aspekt, dass sie Frauen sind, eine Ausstellung zu haben. Aber das steht bei uns nicht im Vordergrund, sondern dass Frauen als Künstlerinnen gefördert werden, wenn sie gute Kunst machen, das ist die Voraussetzung. Es wäre schön, wenn das alles überflüssig wäre. Ein Schutzraum kann auch zu einer Falle werden. Wir haben auch deswegen gesagt, es wäre keinesfalls ausgeschlossen. Wenn wir jetzt eine Themenausstellung planen und es ist im Umkreis ein Künstler, der sehr interessant darin arbeitet, würden wir ihn ohne weiteres einladen. Wir versuchen ja, die Künstlerinnen in die Öffentlichkeit zu bringen und ihr privates Ghetto aufzubrechen. Aber das ist genau diese Gratwanderung, die es da gibt.

Kultur Joker: GEDOK-Literaturpreis dotiert mit 10.000 DM, Literaturförderpreis dotiert mit 6.000 DM, Prämienstiftung für junge Musikerinnen, Komponistinnenwettbewerb, Konzerte und Ausstellungen – woher kommen die Gelder für diese Projekte und Aktivitäten?

Wieland: Das läuft auf Bundesebene ganz gut. Aber da das Land und das Regierungspräsidium nur etwas zuschießt, wenn die Stadt auch etwas gibt, sieht es bei den leeren Kassen der Stadt Freiburg etwas mager aus.

Kultur Joker: Wie sieht die GEDOK Freiburg nach 30 Jahren ihrer Arbeit?

Wieland: Die Anzahl der Veranstaltungen ist gleich geblieben, nur die Mittel dafür sind gestiegen. Wir bekommen nur zur Zeit 2.000 DM Fixum und zweimal im Jahr für vier Wochen das schwarze Kloster. Das reicht nicht und deshalb werden wir versuchen, verstärkt an private Sponsoren heranzutreten.

Kultur Joker: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

M.-Faust: Wir bräuchten über kurz oder lang eine Geschäftsstelle, mit Fax und einer bürokratischen Grundversorgung, sonst kann man eigentlich nicht professionell arbeiten.

Kultur Joker: Der Kultur Joker bedankt sich für das Gespräch.