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Im Gespräch: Ingrid Wertheimer über die Chancen-Patenschaften bei der Freiburger Bürgerstiftung

Ingrid Wertheimer, Rechtsanwältin und Mutter von drei Kindern, ist seit 2016 bei der Freiburger Bürgerstiftung, wo sie federführend die Chancen-Patenschaften verantwortet. Friederike Zimmermann sprach mit ihr.

Kultur Joker: Frau Wertheimer, wann und wie hat es angefangen, dass Sie sich so für die Geflohenen engagierten.

Wertheimer: Ausgangspunkt war, dass ich 2016 eine Familie kennenlernte, die völlig hilflos war. Ich habe mich ihrer angenommen. Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen wuchs in mir der Wunsch, ein Patenschaftsprojekt zu initiieren. Zur selben Zeit wurde ich von der Freiburger Bürgerstiftung angefragt, unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BFSFJ) „Menschen stärken Menschen“ die Chancen-Patenschaften für sie zu leiten.

Kultur Joker: Und wie muss man sich so eine Patenschaft vorstellen?

Wertheimer: Es werden Freiwillige, die ehrenamtlich eine Patenschaft übernehmen wollen, und Geflüchtete sowie Menschen mit einem schwierigen Hintergrund zusammen-gebracht. Wichtig ist mir dabei, dass ich alle Beteiligten persönlich kennen. Das Projekt ist sehr offen, es gibt Tandems aller Altersstufen und sie sind inhaltlich sehr individuell ausgestaltet. Erwerb der deutschen Sprache, kultureller und gesellschaftlicher Austausch sowie die Freude an gemeinsam zu verbringender Zeit sollten im Vordergrund stehen.

Kultur Joker: Leistet das Projekt auch Hilfe bei der Arbeitssuche?

Wertheimer: Das stand am Anfang noch nicht so sehr im Fokus, vielmehr die Unterstützung bei Behördengängen. Zunehmend spielt die Hilfeleistung bei der Arbeitsplatzsuche, bei der Bewältigung von Konflikten am Arbeitsplatz sowie bei der Wohnungssuche eine große Rolle. Hierbei stehe ich den Tandems als Ansprechpartnerin zur Seite.

Kultur Joker: Was hat sich durch Corona verändert?

Wertheimer: Auf der einen Seite erkennen wir eine große Bereitschaft von Leuten sich einzubringen, vor allem von Studierenden, die coronabedingt die Universität hauptsächlich online besuchen und sich gerne ehrenamtlich zur Verfügung stellen wollen. Auf Geflohenen-Seite kam aber gleich zu Anfang von Corona der große Rückzug. Viele haben sich abgeschottet, waren von Angst geprägt und allenfalls noch über WhatsApp erreichbar. Zwischenzeitlich hat sich wieder eine gewisse Normalität eingestellt.

Kultur Joker: Wie laufen die Patenschaften in dieser Krisenzeit?

Wertheimer: Ich wollte den Fokus jetzt vor allem auf Nachhilfe für Kinder legen, was viele Studierende auch anbieten. Das funktioniert im Moment nicht so gut. Es gibt aber unter den Geflüchteten viele junge Frauen, die für die Sprachprüfung um Unterstützung bitten und auf diese hinarbeiten. Wichtig ist mir zu vermitteln, dass Sprache und Bildung wichtige Faktoren sind, um zu einer Berufstätigkeit oder aus den Minijobs raus in Vollzeitarbeitsverhältnisse zu kommen.

Kultur Joker: Manches dürfte zur Zeit auch nicht mehr möglich sein…

Wertheimer: Als wir neulich im Stadtgarten unser Sommer-Patenschaftsfest veranstaltet haben, konnte man sehr deutlich erkennen, wie sich die Leute gefreut haben, sich zu sehen. Normalerweise laden wir mehrmals im Jahr zu solchen Festen ein, einmal haben wir sogar eine Rallye zur Zähringer Burg veranstaltet. Die Geflüchteten lieben es sich einzubringen und zusammen zu kochen, das prägt viele Patenschaften. Mit im Boot ist auch Karl-Hans Jauss, der als Koordinator der Flüchtlingsinitiative am Schlierberg die Ehrenamtlichen betreut, wir arbeiten sehr eng zusammen.

Kultur Joker: Frau Wertheimer, wir bedanken uns für das Gespräch.

Weitere Infos: www.freiburger-buergerstiftung.de

Bildquellen

  • Ingrid Wertheimer: Britt Schilling