Husarenstück Doppelhaushalt in Freiburg – die Frage ist: Kommt ein Nutzen für die Kultur heraus?
Alle zwei Jahre stehen die Freiburger Stadtverwaltung und der Gemeinderat vor der Mammutaufgabe der Aufstellung und Verabschiedung des nächsten Haushalts. Zunächst (1. Lesung) bringt die Verwaltung ihren Entwurf in den Gemeinderat ein, das geschah am 9. Dezember 2024. Danach werden die politischen Gruppierungen und Fraktionen aktiv: beraten und verhandeln untereinander und sprechen mit Antragstellern. Die zweite Lesung liefert das wesentliche Ergebnis dieser internen Absprachen, sie erfolgte am 17./18. März im Hauptausschuss. Bei der abschließenden 3. Lesung, wieder im Gemeinderat, am 8. April wird endgültig beschlossen, dabei kann es noch zu (kleineren) Änderungen und Ergänzungen kommen. Unter Vorbehalt also versuchen wir eine Bewertung – aus Sicht der Kunst und Kultur.
Die „Verpackungssteuer“
Die Grünen in Freiburg wollen unbedingt die Verpackungssteuer (nach Tübinger Vorbild) durchsetzen – why not? Die städtische Verwaltung sperrte sich zunächst: ‚zu großer bürokratischer Aufwand‘, so das Argument. Manche Stimmen argwöhnen da bereits den (vorgezogenen) OB-Wahlkampf 2026 – wo gegen Martin Horn gleich mal ein Dämpfer gesetzt sein sollte. Sei’s drum. Jedenfalls benötigt die größte Fraktion die Stimmen mehrerer kleinerer Gruppierungen im Gemeinderat, um die Abstimmungsmehrheit dafür zu sichern. Das wird, so scheint es derzeit, einige erfreuliche Zugeständnisse und Verbesserungen für die Kulturszene bringen. Und da war, wie schon früher, gerade auch die Kulturliste Freiburg (KULT) ein gewisses Zünglein an der Waage.
Positives
Nach aktuellem Stand wird es Verbesserungen und Zuschuss-Erhöhungen für eine Vielzahl von Projekten und Einrichtungen geben. Markus Schillberg, Gemeinderat der Kulturliste: „Besonders freut uns, dass wichtige Spielstätten und Kulturhäuser gestärkt wurden: das Kommunale Kino, die Fabrik im Vorderhaus, das Theater im Marienbad, das Theater der Immoralisten, Kulturaggregat und Delphi-Space. Auch das Jazzhaus erhält erstmals einen Programmzuschuss. Diese Stabilisierung gibt vielen Akteur*innen wieder Perspektive.“
Um exemplarisch weitere Punkte zu nennen: Das „Huji Maja“-Kulturzentrum an der Friedrichstraße 58 erhält eine institutionelle Förderung – wichtig für die junge, freie und innovative Szene. Auch das Ukrainische Kulturzentrum bekommt Unterstützung für einen Neustart. Die Förderung des Sound-City-Festivals belebt die Nachtkultur. Das Theater im Marienbad erhält die beantragte Erhöhung für dringend benötigtes technisches Personal. Die „Künstlerwerkstatt“ wird nach der Auflösung des L6 im vergangenen Juli durch einen festen Mietzuschuss für die neu gefundenen Heimat in der Konradstraße in der Wiehre gefördert. Und das Cargo-Theater bekommt im neuen Haust in der Haslacher Straße 15 endlich Planungssicherheit – mit Betriebs- und Investitionskostenzuschuss: „Das freut mich besonders“, so Alt-Stadtrat (und Vorgänger Schillbergs) Atai Keller. Auch eine erste Planungsrate für die „Musikzentrale“ in der Schönauerstraße 3 scheint erreicht: ein kreativer Standort für die Musik mit „Proberäumen und mehr“ kann da entstehen.
Ausstellungshonorare
Ein Knüller ist tatsächlich, dass dies Anliegen offenbar endlich Gehör findet. Im Kern geht es darum: dass Künstler*innen sich nicht nur freuen dürfen, ausgestellt zu werden, sondern dafür – unabhängig von möglichen Verkäufen – auch Honorare erhalten. Die Forderung ist nicht neu, der Bundesverband Bildender Künstler*innen hat sie vor Jahren schon erhoben und dazu 2022 auch einen Leitfaden publiziert. Gleichfalls war das Thema wesentlicher Bestandteil der 2022 publizierten Studie „Kunststadt Freiburg“ (damals im Auftrag der Fraktion SPD/Kulturliste). Noch zu definieren ist, auf welche Veranstalter dies zutreffen mag: alle kommunalen sowieso, sicher auch alle städtisch geförderten Einrichtungen. Es geht um jeweils 400–600 € Honorar pro Künstler*in. Michael Ott, Vorsitzender des BBK-Südbaden zeigt sich hoffnungsfroh angesichts einer Forderung, die er seit vielen Jahren schon in Freiburg erhoben habe.
Negatives
Sowohl Schillberg als auch Keller bedauern allerdings auch mehrere Punkte: Es wird möglicherweise keine Zuschusserhöhung für das angestammte Soziokulturelle Zentrum E-Werk geben, obwohl diese dringend erforderlich sei; denn dessen Zukunft ist ernstlich bedroht. Auch der Topf der Projektförderung für Tanz & Theater beim Kulturamt müsse unbedingt erhöht werden (was seit vielen Jahren nicht mehr passierte): derzeit überschreiten die jährlichen Anträge dort den Finanzdeckel schon um das Vierfache; auch die Kulturverwaltung erkennt das Problem. Zudem gibt es (bislang) keine Übereinkunft, für den zweiten Bauabschnitt des Technischen Rathauses im Stühlinger ein Kunst-am-Bau-Projekt zu realisieren – für den ersten Teil gelang dies 2017 noch mit der Verwirklichung der Arbeit „Limon“ von Schirin Kretschmann, Professorin an der Akademie der Bildenden Künste in München. Ein weiteres Markenzeichen der Stadt könnte da entstehen, wenn man es denn wollte.
Was soll der „Kultur-Soli“?
Eine eher vertrackte Idee ist diese: Die Grünen schlagen aktuell einen „Kultur-Soli“ vor, der sich aus 1 Euro pro verkauftem Ticket für das Stadttheater speisen – und dann der „Freien Kulturszene“ zugutekommen soll. Da gibt es allerdings mehrfache Probleme: Wie wäre die anschließende Verteilung dieser Mehreinnahme (in mindestens reichlicher vierstelliger Höhe) zu steuern, wer entscheidet dann darüber? Darüber hinaus ist der Einwand gültig, dass erst kürzlich – auf Gemeinderatsbeschluss – die Ticketpreise fürs Theater erhöht wurden und Freiburg sowieso im Landes-Vergleich an der Preis-Obergrenze schon liegt. Und eigentlich habe da beratend zunächst der städtische Theaterausschuss eine Stellungnahme zu geben. Womöglich bleibt der Gedanke also eher zu kurz gegriffen und ein Schnellschuss, über den sich auch der Kulturbürgermeister von Kirchbach irritiert zeigt.
„Haltestelle“ muss nicht mehr lange warten
Zeitlich parallel, aber ganz unabhängig von der aktuellen Haushaltsdebatte, gibt es ein positives Zeichen zu vermelden: Die von dem Freiburger Richard Schindler 1995 nach gewonnenem Wettbewerb an der Gertrud-Luckner-Gewerbeschule realisierte architektonische Plastik, ein Zwitter zwischen Bahnhäuschen und Wartesaal, anspielend auf die vielfache Reisetätigkeit der Namensgeberin im Dritten Reich zur aktiven Fluchthilfe für Jüdinnen und Juden, wird jetzt zeitnah wiederhergestellt. Zwei Mal wurde das Kunstwerk massiv beschädigt, zuletzt 2019 – nach kurz zuvor erfolgter Restaurierung. Jetzt teilt der Künstler mit, dass nach seinen Informationen die nötigen Gelder bereitstehen, das städtische Gebäudemanagement (GMF) die Federführung innehabe und mit einer Wiederherstellung und leichten Modifikationen nach Plänen Schindlers selbst noch in diesem Jahr zu rechnen sei. Das wäre eine gute Koinzidenz zur just erfolgten Eröffnung des NS-Dokumentationszentrums, mit ähnlich holpriger und mühsamer Vorgeschichte ja.
Bildquellen
- Haltestelle, noch demoliert, bald wieder intakt: Foto: Flashar