Kunst

„Grenzfälle. Basel 1933-1945“ – Ausstellung im Historischen Museum Basel

© Dokumentationsstelle der Gemeinde Riehen, Foto: Adrian Stückelberger

Täglich trafen seit 1933 politisch Verfolgte aus Deutschland in der Schweiz ein, während die Nazis gleichzeitig versuchten, das Land mit seiner Gewaltherrschaft zu infiltrieren, u.a. gründete die NSDAP eine Zentrale in Basel. Wie die NS-Herrschaft das Leben in der Grenzregion prägte, beleuchtet derzeit eine facettenreiche Ausstellung. Bevölkerung und Behörden, Firmen und Banken reagierten unterschiedlich, Deutschland war einer der wichtigsten Handelspartner der Schweiz. Die kantonale und nationale Flüchtlingspolitik nahm unter dem Druck der Verhältnisse restriktive Formen an; währendaber die Grenzen geschlossen und ein Stacheldraht gezogen wurde, vernetzten sich Fluchthelfer und gründeten Hilfswerke. Aufenthaltsbewilligungen für die Schweiz erfolgten nur zögerlich, doch scharf verurteilte z.B. Albert Oeri, Chefredakteur der Basler Nachrichten, das NS-Regime und die Judenverfolgung. Für die Bevölkerung Basels war die Situation eine massive Herausforderung; das Schweizer Selbstbild stand im Zeichen der „Geistigen Landesverteidigung“, es herrschte Angst vor einem Einmarsch wie im benachbarten Elsass geschehen, das NS-Funktionäre zum „Oberrheingau“ umbauten. Die Schau in Basel analysiert all diese Aspekte anhand von menschlichen und rechtlichen „Grenzfällen“ aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen.
Angerissen sei hier der Bereich Kunst, da er die Ausstellung „Kunst und Nationalsozialismus“ ergänzt, die im Dreiländermuseum Lörrach stattfindet. Während in Deutschland die moderne Kunst verfolgt wurde, entwickelt sich die öffentliche Kunstsammlung in Basel rapide: denn sogenannte „entartete“ Kunst irrte in großer Zahl durch die Lande und suchte nach Rettung und Käufern. In dieser Situation fuhr z.B. Museumsdirektor Georg Schmidt nach Berlin, um aus Museen beschlagnahmtes Kulturgut zu erwerben, ersteigerte zudem Werke in Luzern und kaufte Bilder von Sammlern und Künstlern, die nach Basel emigrierten oder dort auf der Flucht Station machten – und dringend Geld benötigten. Curt Glaser etwa, geschasster Direktor der Berliner Kunstbibliothek, konnte Teile seiner Sammlung in die Schweiz retten. Auch Georg Schmidts Vorgänger Otto Fischer förderte die Moderne, kaufte Kirchner, Corinth u.a. Zur wichtigen Persönlichkeit wurde in diesem Zusammenhang Christoph Bernoulli; sein Haus in der Holbeinstraße war seit den 1930er Jahren ein Ort der Begegnung und Zuflucht für Künstler und Sammler aus Deutschland, etwa für Fritz Nathan und Walter Feilchenfeldt. Eine Drehscheibe waren auch Paul und Maja Sacher sowie Annie und Oskar Müller-Widmann, z.B. für Hans Arp, Kurt Schwitters, Jan Tschichold. In Basler Museen gelangten zudem Kunstwerke, weil NS-Verfolgte beträchtliche Konvolute deponierten, etwa Eva Cassirer und Nell Walden. Die provisorisch eingelagerten Bestände wurden in der Nachkriegszeit restituiert, aber Vieles fand in Basel ein dauerhaftes Zuhause. Die Ausstellung sowie das weiterführende Begleitbuch (Christoph Merian Verlag) sind unbedingt zu empfehlen.

Historisches Museum Basel. Barfüsserkirche. Steinenberg 4. Di-So 10 – 17 Uhr. www.hmb.ch. Begleitprogramm: www.grenzfaelle.ch. Bis 30.05. 2021

Bildquellen

  • © Dokumentationsstelle der Gemeinde Riehen: Adrian Stückelberger