Literatur

„Geistliches Schatzkästlein“: Johann Peter Hebels „Biblische Geschichten“ sind nach 200 Jahren noch immer populär

1824 sind Hebels „Biblische Geschichten“ erschienen, folglich jährt sich die Herausgabe in diesem Jahr zum 200. Mal. Die Popularität des eigentlichen Schulbuchs ist bis heute ungebrochen – erst vor vier Jahren kam eine weitere italienische Ausgabe in Florenz heraus.
Insgesamt wurden seit 1824 über vierzig Auflagen publiziert, die mehrere zehntausend Büchlein ergaben. Bis heute bemühen sich deutsche Verlage, ständig für Nachschub zu sorgen. Die Biblischen Geschichten erschienen insbesondere in Übersetzungen und in Auszügen, weiß der Hebelkenner Elmar Vogt aus Hausen im Wiesental zu berichten. In einem Aufsatz von 2020 widmete er sich dem „Versuch einer Zusammenstellung aller bisher erschienenen Ausgaben“. Laut Vogt habe Hebel vor zweihundert Jahren in seiner Funktion als Kirchenrat den Auftrag erhalten, ein evangelisches Schulbuch für 10- bis 14-jährige Schüler Badens zu verfassen. Dazu muss man wissen, dass das Lesen für Kinder nicht üblich war. Wer an Lesestoff interessiert war las eben, was sich gerade im Haushalt fand. Die Auftragsarbeit verlangte nach einer Kinderbibel, die Episoden des Neuen und Alten Testaments enthielt. Die einstige Markgrafschaft bildete laut Vogt ein „konfessionell gemischtes Territorium“. Als kluger Schachzug Hebels erwies sich, dass er die „grausame Seite“ weg ließ. Dies begründet sich womöglich darin, dass er als 13-jähriger Vollwaise wurde. Hebel legte zudem Wert auf eine kindgerechte Aufmachung. Zu seiner Schreib-, respektive Erzählweise befand Prof. Otto Behaghel (1854-1936), Hebel versenke sich liebevoll in das Denken der biblischen Gestalten. Wo die Bibel nur andeute und Lücken lasse, da ergänze Hebel, male dichterisch aus. Hebel selbst gab seinerzeit an, er habe sich bei „fast jeder Zeile“ in Erinnerung gerufen, wie sich „oberländische Kinder“ unterhalten. Und genau auf diesem Aspekt liegt wohl die seltene Beständigkeit des Werkes – auch international. Vogt sieht den Grund für die anhaltende Beliebtheit in der verständlichen Art, sich auszudrücken. Ein katholischer Geistlicher lobte schon 1825, dass die „angenehme und gemeinfaßliche Schreibweise zur Belehrung trefflich geeignet sei“. 137 Jahre später, das Werk war 1961 in London erschienen, sagten englische Herausgeber Hebel eine Betrachtungsweise nach, die mit modernen Ideen bemerkenswert übereinstimme. Mehrfach erhielt Hebel im Lauf der Zeit den Vorzug vor namhaften Literaten. Freilich gab es auch Gegner. 1855 wurde das Werk als Schulbuch zurückgezogen: Es sei nicht bibel-nah genug. Die Bilanz der Verbreitung: In Dänemark kam das Werk 1826 heraus. In der Schweiz im Kanton Graubünden erschienen zwei rätoromanische Ausgaben, etwa 1857 in Engadin und Oberland. In Italien erschien es 1828/29 sowie 1844. In den Niederlanden 1847. In Spanien 2000, und 2020 ein drittes Mal in Italien/Florenz. Beachtlich ist Vogt zufolge, dass sich keine Ausgabe in der deutschsprachigen Schweiz finde – hingegen es im Graubündner, also romanischen Raum, gleich mehrere gebe. Für Vogt „Anlass zu weiteren Studien“. Das Werk erschien letztlich fortlaufend über die beiden Jahrhunderte hinweg – vor allem in der Ära des 2. Weltkriegs. Kenner werten es als „geistliches Schatzkästlein“. Hebel selbst „suchte im Mensch die reine ungekünstelte Natur“. Sein schlichter Wunsch 1824 lautete: Möge das Büchlein gefallen.

Bildquellen

  • Eine 200-jährige Erfolgsgeschichte: Hebels Schaffen zieht nach wie vor Kreise: Foto: Ines Bode