Kunst

Form und Finesse: „Tonangebend – Starke Frauen und ihre Kunst 1918 – 1954“ Ausstellung im Keramikmuseum Staufen

Vally Wieselthier: „Eitelkeit“, 1924 © Badisches Landesmuseum, Foto: Peter Gaul

Am Beispiel von zehn Künstlerinnen bietet die Ausstellung „Tonangebend“ einen repräsentativen Einblick in die stilistischen, kulturgeschichtlichen und politischen Phänomene der Zwischenkriegszeit im Bereich Keramik. Die Exponate sind ein ästhetisches Vergnügen; parallel dazu regen die Wandtexte zum Nachdenken über weibliche Lebensläufe an. Seit dem Jugendstil unterhielten Frauen eigene Werkstätten, prägten in der Weimarer Republik Keramikbetriebe und gründeten Manufakturen. Ihre Produkte sind einem oft begegnet, aber namentlich kennt man die Urheberinnen kaum. Es klang weltoffen, als Walter Gropius 1919 das Staatliche Bauhaus mit den Worten eröffnete: „Keine Unterschiede zwischen dem schönen und starken Geschlecht. Absolute Gleichberechtigung“. Anfangs standen alle Bereiche offen, Metallwerkstatt, grafische Druckerei, Bildhauerei und Malerei. Aber bereits ein Jahr später wurde die Zahl der Studentinnen reduziert, um Männern Platz zu machen; Frauen lenkte man nun gerne zur Töpferei und Weberei, wo weniger Anspruch auf Avantgarde und klingende Namen bestand. Oskar Schlemmer wird die Aussage zugeschrieben: „Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt, und sei es nur zum Zeitvertreib.“
Tatsächlich leisteten Künstlerinnen in allen Ressorts professionelle Innovation, auch in der Keramikherstellung; wichtige Zentren waren neben dem Bauhaus die Wiener Werkstätten und die Staatliche Porzellan-Manufaktur Berlin, für die etwa Trude Petri arbeitete. Perfekt erfüllte ihr Service „Urbino“ die Erwartung an eine materialgerechte Form und klare Reduktion; 1936 wurde es auf der Triennale in Mailand ausgezeichnet und 1937 erhielt sie den Grand Prix der Pariser Weltausstellung für ihr elegantes Ensemble, das auf den Grundformen Kreis und Kugel basiert. Sehr gelungen auch das Konzept von Marguerite Friedlander, sie wirkte in der Töpferei am Bauhaus und an der Staatlichen Kunstschule Burg Giebichstein in Halle; 1933 musste sie jedoch emigrieren. In den USA wurde ihr Werk als moderne Gebrauchskeramik bekannt und ihre „Hallesche Form“ wird bis heute produziert. Frisch, kühn und tonangebend dachte zudem Margarete Heymann-Loebenstein, 1924 gründete sie die Hael-Werkstätten für künstlerische Keramik in Marwitz; in der NS-Zeit musste sie fliehen. Ihr Betrieb wurde arisiert, woran die Keramikerin Hedwig Bollhagen beteiligt war, die später teils für die Majolika in Karlsruhe arbeitete; an dieser betätigte sich auch Else Bach, spezialisiert auf Tierskulpturen, darunter Pferde, die regimekonform gebändigt wirken, sowie das bekannte niedliche „Bambi“.
Mit figürlichen Darstellungen in Ton und Porzellan, etwa mit Frauengestalten, befassten sich weitere Künstlerinnen, so Ilse Hohenreuther; zudem Vally Wieselthier, deren Damen in gezierten Posen viel Ironie ausstrahlen. Auf fruchtbare Weise arbeiteten die Glaskünstlerin Gerda Conitz und die Keramikerin Martha Katzer (1897-1947) zusammen; letztere kreierte im Übrigen hunderte Formen und Dekore für die Majolika Karlsruhe, stilistisch zwischen Art déco und Konstruktivismus, und erzielte damit außerordentliche Erfolge. All dies kann ebenso erstaunen wie etwa das spannungsvolle Leben der Keramikerin und Designerin Eva Stricker-Zeisel (1906-2011), das durch die halbe Welt und die politischen Wirren des 20. Jahrhunderts führt. Die Schau in Staufen, hiermit nur angetippt, ist eine Entdeckung und rundum zu empfehlen; sie wird durch einen detaillierten Katalog erweitert.

„Tonangebend – Starke Frauen und ihre Kunst 1918 – 1954“. Keramikmuseum Staufen. Wettelbrunner Str. 3. Mi-Sa 14-17, So 12-17 Uhr. Bis 30. November 2024

Bildquellen

  • Vally Wieselthier: „Eitelkeit“, 1924 © Badisches Landesmuseum,: Foto: Peter Gaul
  • Trude Petri: Kaffeeservice Urbino, 1930 © Badisches Landesmuseum,: Foto: Peter Gaul