Theater

Ensemble „Harry, hol schon mal den Wagen“ katapultiert in seinem Sommerstück „Bérénice de Molière“ sein Publikum ins Paris der 1679er Jahre

Neues Stück in altem Gewand – das gab´s mit „Bérénice de Molière“ beim diesjährigen Sommertheater vor Harrys Depot in der Spechtpassage zu erleben. Als Auftragswerk von Igor Bauersima und Réjane Desvignes 2004 im Wiener Burgtheater uraufgeführt und mehrfach ausgezeichnet, katapultiert diese Komödie ihr Publikum ins Paris des Jahres 1670 und in einen rasanten Dichter-Wettstreit zwischen den beiden bedeutendsten Autoren der französischen Klassik Jean Racine und Pierre Corneille. Beide haben historisch belegt zeitgleich den gleichen Stoff für ihre Stücke gewählt, wie konnte das sein? Dass der Auslöser dafür ausgerechnet Molière gewesen sein soll – das und vieles mehr ist hier freilich Fiktion. Ein Spiel im Spiel, mit schnellen Szenenwechseln, eleganten, oft philosophischen Wortgefechten, flankiert von Liebe und Intrigen – bester Stoff für Regisseurin Barbara Zimmermann, die ihr junges Ensemble mit viel Lust und Energie rund um die kleine Openair-Bühne aufspielen lässt.
„Wenn die Liebe dieses eine wäre, das die Welt zusammenhält“, sinniert Jakob Stöckeler als schlitzohrig-agiler Molière, der mit Marquise Thérèse Duchamps gerade nicht nur seine beste Schauspielerin an seinen Konkurrenten Racine (geschmeidig: Sebastian Götz) verloren hat, sondern auch seine Geliebte. In Pink und Gelb wie ein exotischer Vogel (Kostüme: Katja Weeke) flattert, scherzt und wirbelt Juliane Flurer durch die Männer-Perückenszenerie, kaum zu glauben, dass diese kesse, lebenslustige Frau plötzlich lieber Tragödien als Komödien spielen will. Und dann ist da noch Altmeister Corneille, der das Theater schon lange satt hat und beleidigte Sprüche klopft wie „Ich werde nicht auf meinem Niveau geliebt“ – Melchior E. Meyer gibt ihn mit knarrig-kauziger Komik. Schwerstarbeit, diesen alten Grantel noch einmal zum Schreiben, noch dazu von einer Komödie, zu bewegen und damit zu einem Theatertunier, von dem weder er noch sein Rivale Racine etwas weiß.
Weil sich nämlich Prinzessin Henriette d´Angleterre (selbstbewusst-kokett: Mia Sanner) am Versailler Hof zu Tode langweilt, setzt ihr Moliére einen Floh ins Ohr: Die tragische Liebe zwischen Kaiser Titus und der syrischen Bérénice – wäre das nicht ein Stoff mit so vielen Parallelen zu aktuellem Herzschmerz, dass er unbedingt auf die Bühne gehört – als großer Battle zwischen Komödie und Tragödie!? Eine Diskussion, die auch zwischen den Akteuren leidenschaftlich geführt wird: Denn ist es Thérèse „müde, an der Oberfläche der Dinge herum zu tanzen“, so will Moliére „das Leben feiern, nicht den Tod!“. Aber ist nicht die Schönste aller Lieben eigentlich die tragische? – Das Geschehen switcht so auf engstem Raum zwischen Park und Dichterstuben, Proben und Backstage-Szenen zwischen Beziehungsebene und Stückproduktion hin und her, in federleichtem Schwung gehalten von Geheimniskrämereien, Gefühlswirrwarr, Wortspielen, Running gags, Situationskomik und kleinen Brüchen. Unterhaltsam – und mit Verve gespielt.

Weitere Vorstellungen im Schlosspark Ebnet: 25./26./29. September und 3./4./5./6. Oktober, je 19.30 Uhr. Karten: 01577-97 09 269 oder info@ensemble-harry.de

Bildquellen

  • Sebastian Götz, Mia Sanner, Jakob Stöckeler, Juliane Flurer und Melchor Meyer (v.l.n.r.): © Theater Harrys Depot