Eine Tagung der Katholischen Akademie diskutiert Werk und bleibende Impulse des kritischen Philosophen Hans Jonas
Hans Jonas wird man wohl einen Modernen nennen dürfen: Schon vor über 40 Jahren stellte er angesichts globaler Umwelt- und Klimakrisen die Systemfrage und plädierte für eine neue Ethik, die unser aller Überleben auf einem gefährdeten Planeten ins Zentrum stellt. Im Jahr 2023 wäre der Philosoph 120 Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass veranstaltet die Katholische Akademie Freiburg am 12./13. Mai eine Tagung unter dem Titel: „Für die ‚Weiterwohnlichkeit der Welt‘ – Hans Jonas und das Prinzip Verantwortung heute“.
Der Titel rührt von Hans Jonas‘ 1979 veröffentlichtem Hauptwerk „Das Prinzip Verantwortung“. Darin umriss er die neuen ethischen Problem lagen, die sich aus den technischen Revolutionen der Moderne ergeben. Dabei erfährt der Verantwortungsbegriff eine radikale räumliche und zeitliche Erweiterung. Mehr denn je steht heute, die von Jonas thematisierte „Weiterwohnlichkeit“ der Welt auf dem Spiel. Bereiche wie Wissenschaft und Technik, Politik und Rechtsprechung sind herausgefordert zu handeln.
Entsprechend interdisziplinär und multithematisch ist die Tagung aufgestellt. Im ersten Teil am 12. Mai, ab 18.15 Uhr in der Aula der Universität Freiburg steht die kritische Auseinandersetzung mit dem Zweifel an der Zulänglichkeit repräsentativer Regierungen im Mittelpunkt. Die Vortragenden Ralf Fücks und Prof. Dr. Tine Stein diskutieren abschließend die Wechselwirkungen von Klimakrise und Demokratie.
Tine Stein, Professorin für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Göttingen, war von Hans Jonas‘ Werk damals „wie elektrisiert“: „Hier hatte jemand philosophisch durchgearbeitet, warum wir angesichts der drohenden Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen zukünftigen Generationen gegenüber moralisch verpflichtet sind. Mit dem Buch von Hans Jonas fand die Sorge einer gesellschaftlichen Minderheit eine philosophische Stimme.“ Ihr Vortrag „Zukunftsfähigkeit der Demokratie revisited“ behandelt die Problemlösungsfähigkeit der Demokratie in ökologischen Fragen, wobei Stein gemäß des Ursprungs der Demokratie bei der Mitwirkung der Bürgerschaft an politischen Prozessen ansetzt: „Es bedarf einer breit geteilten Haltung der Sorge, die die Hier- und Jetzt-Interessen übersteigt.“
Der zweite Teil der Tagung am 13. Mai, ab 9 Uhr in der Katholischen Akademie setzt beim Thema der Selbstbeaufsichtigung der übermäßigen Macht unserer selbstgeschaffenen Systeme an. Neben Vorträgen, unter anderem von Prof. Dr. Michael Bongardt („Hans Jonas als Anwalt künftigen menschlichen Lebens“) laden drei parallel stattfindende Ateliers zur Diskussion zu Themen wie Atommüll, Gentechnik und Staatlichkeit ein. Auch werden die Forschungsarbeiten von Michael Müller präsentiert, Professor für Pharmazeutische und Medizinische Chemie. Er erforscht den Eintrag persistenter Chemikalien in unserer Nahrung und zeigt dies bildnerisch als auch informativ am Beispiel von Wein.
Der Abschluss der Tagung am 13. Mai, ab 17 Uhr in der Akademie fragt danach, „welche Kraft die Zukunft in der Gegenwart vertreten soll“. Vielfältige Perspektiven bietet ein abschließendes Schlusspanel mit vielen Gästen (u.a. mit Dramaturg Frank-M. Raddatz und Prof. Dr. Cathrin Zengerlin). Fragt man Tine Stein, ob die Demokratie bei der Bewältigung der Klimakrise hilft, so ist ihre Antwort eindeutig: Ohne Demokratie geht es nicht. „Die Demokratie bildet gewissermaßen die normative Lebensgrundlage für uns als Menschen, die wir uns mit unverfügbarer Würde ausgestattet sehen.“
Mit ihren Vorträgen und Gesprächen, Angeboten zu gemeinsamer Lektüre, einer Hörstation und der Ausstellung bietet die Tagung Anlass, über diese Grundlagen und damit auch über das „Prinzip Verantwortung“ zu diskutieren. Sie findet in Präsenz und im Live-Strem statt.
Weitere Informationen und Anmeldung: www.katholische-akademie-freiburg.de
Bildquellen
- Nachhaltige Philosophie: Hans Jonas: Foto: Isolde Ohlbaum
- Prof. Dr. Tine Stein: © Uni Göttingen