Eine ergreifende „Madama Butterfly“ schenkt dem Theater Freiburg großes Musiktheater
Schon vor zwei Jahren war diese „Madama Butterfly“ geplant, mehrmals wurde sie coronabedingt vom Spielplan genommen. Und sogar die aktuelle Premiere wurde nochmals um wenige Tage verschoben, weil die Generalprobe wegen eines Coronafalls neu angesetzt werden musste. Aber das Warten hat sich gelohnt! Die ausschließlich mit Ensemblemitgliedern besetzte Produktion, inszeniert vom jungen Musiktheaterregie-Studenten Benedikt Arnold (Jahrgang 1993), begeistert und berührt in ihrer psychologischen Genauigkeit, in ihrer poetischen Kraft und auch der musikalischen Freiheit, die Generalmusikdirektor Fabrice Bollon mit dem groß aufspielenden Philharmonischen Orchester Freiburg entstehen lässt. Eine aufwühlende „Madama Butterfly“, frei von jedem Kitsch, aber auch nicht in ein enges dramaturgisches Konzept gepresst. Und getragen von Protagonisten, die die im Jahr 1900 spielende Geschichte zeitlos und emotional nahbar machen, allen voran die großartige Irina Jae Eun Park als erschütterte und erschütternde Cio-Cio-San.
Der griffig musizierte Fugenbeginn führt gleich mitten hinein in das Drama (besuchte Vorstellung: 29.01.22). Das kleine Häuschen, das Leutnant Pinkerton für seine Lieblings-Geisha gekauft hat, wird gerade noch eingerichtet. Der einzige Raum besteht fast nur aus dem rosa-goldenen Bett (Bühne: Alfred Peter). Joshua Kohl zeigt in seiner Auftrittsarie Pinkerton mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein und kräftiger Höhe. Die von Goro (agil: Junbum Lee) arrangierte Hochzeit geht er in lockerer Freizeitkleidung an, während Cio-Cio-San, genannt Butterfly, im weißen Kimono auftritt (Kostüme: Charlotte Morache). Auch der zunächst zu wenig präsente John Carpenter als Konsul Sharpless im Hawaiihemd, dessen Bariton im Laufe des Abends an Ausstrahlung und Tragfähigkeit gewinnt, zeigt kein Gespür für eine dem Anlass angemessene Kleidung. Trotz dieser dezent inszenierten amerikanischen Arroganz und des von fratzenhaften Klängen aus dem Orchestergraben begleiteten Auftritts des Onkels Bonzo (stark: Jin Seok Lee), der seiner Nichte eine traditionelle Maske aufs Gesicht presst, entstehen am Ende des ersten Aktes große Gefühle. Das Duett „Vogliatemi bene“ (Wollt ihr mich nur lieben) singen Joshua Kohl und Irina Jae Eun Park, getragen vom runden Orchesterklang, mit solcher Inbrunst und einem perfekt ausbalancierten Unisono, dass man dieser Liebe eine Chance gibt.
Die Fallhöhe gerät deshalb groß. Im zweiten Akt ist Pinkerton weg und Butterfly verarmt. Nur noch die Dienerin Suzuki (mit schlankem Mezzosopran: Inga Schäfer) steht ihr zur Seite. Die Hochzeitsblumen verdorrt, das Haus eine Bruchbude. Allein die Hoffnung auf Pinkertons Rückkehr hält Butterfly am Leben. Irina Jae Eun Park füllt die zunehmende Expressivität der Partie mit Farben. Und entwickelt die Figur nach und nach vom naiven, von Konvention und Disziplin geprägten Mädchen zur leidenden Frau, die ihre Gefühle artikuliert. Regisseur Benedikt Arnold begleitet sie sensibel auf diesem Weg und findet starke Bilder dafür. Als die Schiffskanone die Rückkehr Pinkertons nach drei Jahren ankündigt, beginnt sich der aufgefächerte Papierhimmel zu bewegen. Der intonatorisch leider etwas eingetrübte Summchor wird im leeren weißen Raum als Traumsequenz inszeniert, in der sich Butterflys Suizid schon andeutet. Die Begegnung mit Pinkertons amerikanischer Gattin Kate (stimmig: Janina Staub) ist von eisiger Wucht. Immer leerer wird die Bühne, immer größer Butterflys Einsamkeit, immer intensiver die von Bollon mit großem Pathos, rhythmischer Präzision und weit ausgreifenden Rubati interpretierte Musik. Butterflys Sohn (herzergreifend: Daniel Khechumyan) ist die letzte Erinnerung an ihre Liebe – nun soll auch er ihr genommen werden. Im Schattenspiel wird diese kleine Frau riesengroß. Pinkerton erscheint dagegen wie ein Zwerg (Licht: Dorothee Hoff). Am Ende stockt der Atem, wenn sich die im Stich Gelassene vor den Augen Pinkertons ersticht und auch ihr Sohn wird Zeuge von dieser Tat.
Weitere Vorstellungen: 3./11./13./18. März, 3./9. April 2022. Tickets unter 0761-2012853 oder www.theater.freiburg.de
Bildquellen
- Irina Jae Eun Park, Jin Seok Lee und der Opernchor des Theater Freiburgs in „Madame Butterfly“: Foto: Laura Nickel