Ein Gespräch mit Susanne Strigel, Kinder- und Jugendtherapeutin (Wildwasser e.V.), über Risiken und Gefahren sexuellen Kindesmissbrauchs im Netz
Um auf die Thematik der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche aufmerksam zu machen, zeigt das Netzwerk „Aktiv gegen Missbrauch“ am 29. September, 19.30 Uhr, den Film „V siti- Gefangen im Netz“. Die Veranstaltung findet in Zusammenarbeit mit Susanne Strigel (Wildwasser e.V.) sowie Polizeihauptkommissar und Präventionsexperte Frank Stratz statt. Ziel der Veranstaltung im Kommunalen Kino ist die Aufklärung zu den Risiken und Gefahren sexuellen Kindesmissbrauchs in den sozialen Netzwerken.
Im Vorfeld der Veranstaltung war es uns möglich, ein Gespräch mit Susanne Strigel, Kinder- und Jugendtherapeutin des Wildwasser e.V., zum Themenkomplex der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zu führen.
Kultur Joker: Frau Strigel, zuerst einmal vielen Dank für Ihre Zeit. Wenn man sich die BKA-Statistiken der letzten Jahre ansieht, stellt man fest, dass die Anzahl der Straftaten mit Bezug zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen stetig angestiegen ist. Inwiefern können Sie das aus der Perspektive des Wildwasser e.V. bestätigen?
Frau Strigel: Wir nehmen seit etwa 10 Jahren eine Zunahme besonders der Fälle von sexueller Ausbeutung durch digitale Medien in unserer Fachberatungsstelle wahr. Insbesondere in den letzten zwei bis drei Jahren in der Pandemie stellten wir fest, dass das Alter der Kinder immer weiter sinkt. In unserer Beratungsstelle haben wir mittlerweile Fälle von neun, zehn bis elf jährige Mädchen, die berichten, dass sie überredet wurden Nacktbilder zu verschicken, oder auch Videos von sich mit sexuellem Inhalt.
Kultur Joker: Ist es Ihrer Meinung nach möglich, dass unter anderem der stärkere Fokus auf derartige Straftaten in den letzten Jahren zu einem Anstieg in den Statistiken geführt hat?
Frau Strigel: Die erhöhte Sensibilisierung infolge der gestiegenen medialen und politischen Aufmerksamkeit hat sicherlich einen Anteil an den gestiegenen Zahlen in den BKA-Statistiken, bzw. in unseren gestiegenen Fallzahlen.
Kultur Joker: Nach den Missbrauchsskandalen der letzten Jahre, hat die Politik auf Bundes- und Landesebene ein entschiedenes Vorgehen gegen derartige Straftaten angekündigt, sind den Worten Ihrer Meinung in ausreichendem Maße Taten gefolgt?
Frau Strigel: Natürlich klaffen auch hier politischer Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Auf Bundesebene leistet die Bundeskoordinierungsstelle gegen sexualisierte Gewalt in der Kindheit und Jugend einen wesentlichen Beitrag. In Baden-Württemberg werden Organisationen wie Wildwasser e.V. durch Landesmittel für die Prävention wesentlich unterstützt.
Kultur Joker: Oftmals nähern sich die Täter ihren Opfern auf Social-Media an. Wie lassen sich Kinder und Jugendliche dort am besten schützen?
Frau Strigel: Ich habe zunehmend den Eindruck, dass Politik, Schulen und wir als Fachberatungsstellen, an unsere Grenzen stoßen effektive Konzepte zu erarbeiten. Eine zentrale Verantwortung kommt den Eltern zu, ihre Kinder über die Risiken des Internets aufzuklären, was jedoch voraussetzt, dass Selbige in der Nutzung digitaler Medien kompetent sind. In diesem Rahmen bieten wir beispielsweise Workshops an Schulen an und drängen darauf, dass Themen wie sexuelle Ausbeutung im Internet in medientechnischen Fächern aufgegriffen werden.
Kultur Joker: Sie haben gerade die Eltern erwähnt, wie kann es Eltern gelingen ihre Kinder aufzuklären, ohne in eine Schwarz-Weiß Logik zu verfallen?
Frau Strigel: Das ist ein zentraler Punkt, den sie hier ansprechen. Oftmals erzählen Kinder ihren Eltern nichts von verstörenden Erfahrungen, die sie im Internet gemacht haben, aus Angst, dass ihre Eltern ihnen die Smartphones wegnehmen, oder eine Zeit lang engmaschig kontrollieren. Ein weiterer Faktor sind gruppendynamische Situationen, auf die Eltern wenig Einfluss haben, z.B. das Versenden von Nacktbildern aus einem Gruppenzwang heraus. Diese Aufgabe ist eine Gratwanderung für Eltern. Wir empfehlen inzwischen, die Social Media der jüngeren Kinder in Absprache zu kontrollieren, da die Täterstrategien viel zu perfide sind, als dass Kinder die Manipulation durchschauen können.
Kultur Joker: Liebe Frau Strigel, wir danken Ihnen sehr für das informative Gespräch.
Bildquellen
- „Aktiv gegen Missbrauch“ am 29. September, 19.30 Uhr, den Film „V siti- Gefangen im Netz“ im Kommunalen Kino Freiburg: Foto: Katerina Holmes via pexels