Literatur

Drei tolle Sommerbücher: Lesetipps für Kids

Artensterben, Außenseitertum, psychische Erkrankungen – schwere Themen, hier so federleicht wie originell und ermutigend umgesetzt. Drei tolle Sommer-Bücher…

Tote Hose im Café Käfer! Dabei hatte Chefin Karli letzten Sommer noch alle sechs Beine voll zu tun, so gut war ihr schnuckeliger Krabbler-Birkensaftladen auf der Wiese am Waldrand bekäfert. Dann aber kamen die großen, gelben Maschinen mit den Schaufeln. Erst verschwanden die Blumen und Gräser, dann die Büsche und Bäume, dann die Gäste. Stattdessen steht da jetzt ein großes, stummes Menschenhaus… – Kommt einem traurig bekannt vor. Doch dieses mit fantastischen, knallbunten Wimmelbildern illustrierte Vorlesebuch setzt dem Insektensterben einen verspielten Mikrokosmos samt handfester Problemlösung entgegen: Eine Käfer-Sause muss her, mit Musik, Drinks und leckerem Essen! Auf geht’s – die letzten Stammgäste wirbeln los: Die Kartoffelkäfer sammeln Lavendelsamen, die Hirschkäfer graben die Erde um, der Rest macht Großputz. Denn Schlaumeier -Tausendfüssler Tassa (liest immer zwei Bücher gleichzeitig) weiß: Ohne Bienen keine Blumenwiese, ohne Blumenwiese keine Gäste! Dass am Ende trotz Menschen-Alarm eine fröhliche Party steigt, ist der Diversität und den Superkräften der so umwerfend ulkig porträtierten Tiere zu verdanken, die das Café Käfer in eine Insektendisco mit Urwald-Sounds und Starkregen-Beats verwandeln… (Marie Gamillscheg, Anna Süßbauer: Café Käfer. Leykam Verlag, Graz-Wien-Berlin, 2024. 64 Seiten, 20 Euro, ab 4).

Der neue Nachbar ist echt seltsam: Tagsüber nur im Haus, nachts gräbt er Löcher in seinen Garten und stampft sie laut schimpfend wieder zu. Besuch – kann ihm gestohlen bleiben! Und so jagt er das fröhliche Empfangskomitee – bestehend aus dem Tingeli, den Graureiher-Kindern und der Hasenbande – auch gleich wieder vom Grundstück. „Rumms“ knallt er ihnen die Türe vor der Nase zu. Was für einen grandiosen Kotzbrocken hat sich die vielfach ausgezeichnete Freiburger Schriftstellerin Annette Pehnt da mit ihrem Bärbeiss ausgedacht! Laut und grob, grimmig und egozentrisch – ein Stinkstiefel, der keine Freunde will und alten Fisch, zerrissene Teppiche und schleimigen Husten mag. Doch das Tingeli bleibt hartnäckig in seiner fast unzerstörbaren Freude und Freundlichkeit. – Lustige Episoden mit Wiedererkennungswert über Außenseitertum und Freundschaft, Spaß und Streit, Enttäuschung und Versöhnung. Jetzt erzählt die preisgekrönte Comiczeichnerin Josephine Mark den „Bärbeiss“ mit viel Emphathie, Slapstick und anarchischem Witz noch einmal neu. Ein grandioses Comic-Erlebnis! (Annette Pehnt, Josephine Marks, Jutta Bauer: Der Bärbeiss. Kibitz Verlag, 2024. 96 Seiten, 15 Euro. Ab 5).

Betreutes Jugendwohnen, Berlin, Hermannplatz: „Queen Tigers okkulter Gesang aus dem Nebenraum klingt wie der Soundtrack zu einem Psychothriller. Durch die andere Zimmerwand höre ich, wie Musti „Allahu akbar“ murmelt. Wirklich die perfekte Umgebung für eine Angstpatientin wie mich!“, so beginnt die 16-jährige Rabea, Bambi-Auge genannt, ihre aberwitzige Geschichte. Weil alle Einrichtungen mit „normalen“ psychisch Kranken überfüllt sind, verbarrikadiert sie sich seit Tagen im Zimmer ihrer neuen Satanisten-Salafisten- Zwangs-WG und hyperventiliert sich in wildeste Fantasien und Horrorszenarien. Von wegen betreut! Doch als die drei ihre grimmige Vermieterin mausetot in deren Küche finden, sind sie plötzlich ein Team: Kontaktaufnahme mit Polizei oder Therapeutin ist keine Option, zumal der syrische Vollbart-Flüchtling Musti sofort am Rad dreht und die selbsternannte Voodoo-Priesterin Queen Tiger (Pelzmantel, Todesblick und schwarzgefärbte Augenhintergründe) durch ihren Rückholzauber den Tatort eingesaut hat. Also, wohin mit der Leiche? Es wird nicht die einzige bleiben… Eine durchgeknallte, maximal überdrehte Roadmovie- Komödie um drei traumatisierte Jugendliche – super schräg und dank Sprachwitz und Situationskomik zum Brüllen lustig, zumal die Handlung sich pausenlos bei halsbrecherischen Zickzackwendungen überschlägt. Dass es hier so sensibel wie selbstbestimmt um psychische Erkrankungen geht, um Ängste, Identitätssuche und Vertrauen, vor allem aber darum, wie „die Kette der Beschissenheit“ zerreißen – das gibt berührenden Tiefgang. (Filiz Penzkofer: Alles im Grünen oder Wie ich die Kette der Beschissenheit durchbrach. Rotfuchs Verlag, Hamburg, 2024. 224 Seiten, 20 Euro. Ab 14).

Bildquellen

  • Lesetipps für Kids: Foto: olia danilevich via pexels