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Die Zukunft kaputt sparen: Mitte November demonstrierten in Stuttgart über 1000 Studierende und Uni-Beschäftigte gegen die neuen Pläne des Hochschulfinanzierungsgesetzes

Am 15. November rumorte es in der baden-württembergischen Landeshauptstadt: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Bildung klaut“ tönten über 1000 Studierende und Uni-Beschäftigte in der Stuttgarter Innenstadt und demonstrierten damit gegen das neue Hochschulfinanzierungsgesetz der grün-schwarzen Landesregierung. Denn aktuell verhandelt das Land Baden-Württemberg seinen Haushalt und damit auch die Eckpunkte der künftigen Hochschulfinanzierung. Es geht um die Grundfinanzierung für die Jahre 2026 bis 2030. Demnach möchte das Land Baden-Württemberg den Universitäten jährlich 3,5 Prozent mehr Geld geben. Laut Landesrektorenkonferenz und Studierender ist dies aber viel zu wenig – und liegt deutlich unter den Inflationsraten der vergangenen beiden Jahre. Zusätzlich sollen aus dem Budget auch die Tariferhöhungen für Professor:innen und Uni-Beschäftigte in Höhe von 3,1 Prozent bezahlt werden. Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) widerspricht dem.
Doch auch die Rektor:innen der baden-württembergischen Landesuniversitäten schlagen Alarm. Denn die Entwicklungen könnten die Universitäten zu harten Einschnitten zwingen – mit negativen Auswirkungen für die Ausbildung von Fachkräften, die Innovationsfähigkeit, den Wohlstand und die Zukunftsfähigkeit des Landes. Ganze Studiengänge könnten demnach auf der Kippe stehen. Weiter befürchten sie erheblich sinkende Mittel in den kommenden Jahren. Anlass für die Besorgnis ist die sogenannte Hochschulfinanzierungsvereinbarung (HoFV III) für die Jahre 2026 bis 2030. Eigentlich sollen diese Landesmittel die Grundfinanzierung der Hochschulen sichern und ihnen Planungssicherheit geben. Die finanziellen Auswirkungen offenbarten sich jedoch erst beim Blick in die Detailregelungen, betont der Vorsitzende der Landesrektoratekonferenz Universitäten Baden-Württemberg (LRK BW) Professor Michael Weber: „Alle Informationen über die geplante Finanzierung für die kommenden Jahre zeigen, dass die Landeshochschulen real mit erheblich sinkenden Mitteln rechnen müssen. Dies wird nicht ohne schmerzhafte Einschnitte zu bewältigen sein.”
Bereits im Jahr 2026 wolle das Land bei den Hochschulen rund 91 Millionen Euro als sogenannte „Globale Minderausgabe” einsparen. „Das Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst setzt diese Einsparung als Nullrunde für die Universitäten um. Intern können wir dies nur durch Kürzungen im siebenstelligen Bereich umsetzen“, so Professor Weber. Auch in den Folgejahren seien weitere Kürzungen nicht ausdrücklich ausgeschlossen. „Vordergründig spricht die Vereinbarung zwar von einer Budgetsteigerung von 3,5 Prozent. Tatsächlich wird diese aber durch gestiegene Personalkosten, Inflation und höhere Energiekosten aufgezehrt, so dass die Universitäten mit der geplanten Vereinbarung deutlich schlechter dastehen als mit der laufenden”, ergänzt die Stellvertretende Vorsitzende der LRK BW, Professorin Karla Pollmann. Dies könnten die Universitätsleitungen nur durch den Rotstift ausgleichen.
Dabei sei es gerade jetzt Zeit, in Bildung und Forschung zu investieren: „Universitäten sind einer der zentralen Motoren für die Zukunftsfähigkeit des Landes Baden-Württemberg“, betont der LRK-Vorsitzende und Präsident der Universität Ulm: „Von der Forschung in Schlüsseltechnologien über die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle bis hin zur Gründung neuer Unternehmen – in all diesen Bereichen legen Universitäten die Grundlagen, um die wirtschaftliche Dynamik des Landes zu erhalten und den Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften für die notwendigen Transformations-Prozesse zu decken.“ Professorin Pollmann, Rektorin der Universität Tübingen, betont: „Auch ökonomisch macht sich jeder Euro, den das Land in seine Universitäten investiert, fünffach bezahlt.“ Dies zeige eine aktuelle Studie der Universität München: Demnach erzielten die Universitäten Baden-Württembergs bei einem Landesnettomitteleinsatz von rund 1,6 Milliarden Euro eine Wertschöpfung von rund 7,8 Milliarden Euro.
Dazu trägt auch die Universität Freiburg bei: “Der gesellschaftliche Nutzen unserer Forschung und Lehre ist eine wichtige Triebfeder für uns, wie beispielsweise die drei interdisziplinären Schwerpunktbereiche unseres Forschungsprofils zeigen“, betont Prof. Dr. Kerstin Krieglstein, Rektorin der Universität Freiburg. „Mit „Wege zur Nachhaltigkeit“ erforschen wir Ökologische und Sozialökologische Systeme der Zukunft. Mit „Signale des Lebens“ tragen wir etwa zur Heilung von Krankheiten bei und mit „Kulturen und Gesellschaften in Raum und Zeit“ zeigen wir Wege für gesellschaftliche Transformationen und Adaptionen auf“, so Krieglstein. „Finanzielle Einschnitte wären hier verheerend.“
„Wir freuen uns, dass die Wissenschaftsministerin kämpft und sich für die Hochschulen einsetzt“, stellt Professor Weber fest. „Umso wichtiger ist es für die gesamte Landesregierung, die zentrale Rolle ihrer Universitäten zu nutzen, um die baden-württembergische Wissenschaft weiterhin konkurrenzfähig aufzustellen. Geschieht das nicht, steht das Erfolgsmodell Baden-Württemberg auf dem Spiel.“ Konkret wünschen sich die Universitätsleitungen Planungssicherheit über die Gesamtdauer von HOFV III, die Dynamisierung der Grundmittel um sechs Prozent sowie den Ausgleich von Belastungen durch höhere Energie- und Personalkosten gerade in zukunftsträchtigen Schlüsselbereichen für Forschung und Lehre.

Bildquellen

  • Studierende und Lehrende demonstrierten im November gegen das geplante Hochschulfinanzierungsgesetz: © HAW BW