Kunst

Die Welt vor Ort: Ein Rundgang über die Regionale 22 in Freiburg

Es ist fast ein bisschen verblüffend. Obwohl die Regionale für alles steht, was diese Pandemie einschränkt und erschwert – der Austausch mit der Schweiz und Frankreich und das Zusammenkommen vieler – ist sie so lebendig wie eh und je. Nachdem die letzte Ausgabe ausfiel, beziehungsweise später gezeigt wurde, konnte sie in diesem Jahr eröffnet werden. In manchen Orten ist die ausgefallene Regionale zu sehen, an anderen wurde aus den Dossiers neu ausgewählt. Davon unbelastet, zeigt sie sich als sehr politisch oder lädt zu differenzierten Betrachtungen ein. Kann ja nicht schaden, in turbulenten Zeiten wie diesen.

Blick in die Ausstellung im Kunsthaus L6 Freiburg
Foto: Marc Doradzillo

Im Kunsthaus L6 etwa ist der Film „Dunkelfeld“ von Marian Mayland, Ole-Kristian Heyer und Patrik Lohse zu sehen. Er nimmt den nie so recht aufgeklärten Tod von sieben Menschen im Duisburger Stadtteil Wanheimerort zum Anlass, die Polizeiarbeit, aber auch das gesellschaftliche Klima zu reflektieren. Am 26. August 1984 waren dort sieben türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger bei einem Brand ums Leben gekommen. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund wurde schnell ausgeschlossen. Der Film nennt die Namen und gibt den Toten Gesichter und ordnet das Geschehen ein in eine Folge von fremdenfeindlichen Übergriffen und Anschlägen. Auch Maeline Li folgt in ihrer Installation „Ice Maps“ Spuren von Ressentiments. So verbrachte die französische Künstlerin mehrere Wochen auf Grönland und näherte sich den Lebensbedingungen ihrer Einwohner, die von der starken wirtschaftlichen Abhängigkeit von Dänemark geprägt ist. Maeline Li projiziert Archivmaterial und Fotos auf Aufnahmen, die sie an der Wand befestigt hat, so dass ein Mapping von Projektionen entsteht.
Im E-Werk hat die Leiterin der Sparte Bildende Kunst Heidi Brunnschweiler die Karten neu gemischt, nachdem sie die letztjährige Regionale nach dem Lockdown gezeigt hat. „Material Worlds – Storied Matter“ erzählen nun von der vermeintlichen Neutralität der Schweiz, der das Land seinen Reichtum verdankt (Olivia Abächerli, Notational System on Neutral Background) sowie vom Kapitalismus auf der Anklagebank, was von Martina Huynh und Jonas Althaus als Debatte eines Rhetorikseminars inszeniert wird, bei der ein Kürbis, aber auch ein Sneaker und ein Wecker zur Rechenschaft gezogen werden. Während Hae Young Ji in ihrer Installation „Data Lake“ einerseits die Zeit dokumentiert, die sie im Internet verbringt, andererseits zeigt ihr Video, wie sie sich aus der technischen Welt eine ganz eigene Sinnlichkeit zurückerobert. Vor allem jedoch die sehenswerte Einzelpräsentation in der Galerie I „Between War and Sea“ von Anas Kahal zieht eine politische Linie ein. Kahal, der in Damaskus Malerei studierte und mittlerweile in Freiburg lebt, setzte seine Ausbildung an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe fort. Nun zeigt er vor allem Videoinstallationen, die wie „Augenblick“ den Betrachter zum Zeugen dessen macht, was die Augen seiner drei Interviewpartner, bei ihrer Flucht gesehen haben. Die Kamera ist dabei konsequent auf diese Gesichtspartie gerichtet und in „Flags“ aus diesem Jahr überblendet er Found Footage aus dem Syrienkrieg mit Farbfeldern, die an Flaggen erinnern, aber jede Form von Nationalismus desavouieren.
Im Kunstverein Freiburg wiederum hat Nelly Kuch eine Ausstellung kuratiert, die den Zwischenbereich untersucht. So löst Johanna Locher den Titel ihres Videos „Ich vernähe den Saum des Ozeans mit dem Land“ ein, indem sie mit einem Faden eine Linie im Sand zieht, die immer wieder durch die Wellen überdeckt wird. Beide Sphären miteinander zu verbinden, ist eine Sisyphusarbeit, die ihre Sinnlosigkeit selbst demonstriert. Das Element des Wassers erlaubt es auch Anuk Jovović, Wirklichkeiten zu überlagern. So gehen in ihrer Videoarbeit „Dream“ die Aufnahmen in einem Hallenbad in die eines Containerschiffes in einer Schleuse über. Vier Schwimmer springen angekleidet in das Wasser und beginnen ihre Bahnen zu ziehen, Schemen finden sich im Wasser der Schleuse, in dem dann wieder die Schwimmer, in Trenchcoats gekleidet, auftauchen. Es sind Übungen im Sehen, die hier gezeigt werden und was bräuchte es derzeit mehr, als das Vermögen, zu unterscheiden.

Regionale 22. Kunsthaus L6, bis 6. Januar 2022. E-Werk, Galerie für Gegenwartskunst, bis 16. Januar 2022. Kunstverein Freiburg, bis 9. Januar 2022.

Bildquellen

  • Blick in die Ausstellung im Kunsthaus L6 Freiburg: Foto: Marc Doradzillo
  • Installationsansicht im E-Werk Freiburg: Foto: Marc Doradzillo