Die Stille des Dings: Die Katholische Akademie zeigt Fotogafien von Lidong Zhao
Wie der Titel von Lidong Zhaos Ausstellung in der Freiburger Katholischen Akademie „Über Sehen“ zu verstehen ist, entscheidet das Schriftbild oder der Sprechrhythmus. Die Fotos sind ganz sicher Studien über das Sehen, doch ihre Motive lassen sich aber auch leicht übersehen. Ganz sicher ist man im Supermarkt schon einmal an eingeschweißtem Gemüse vorbeigelaufen, hat es gekauft oder hat in einen Auwald mit seinem silbernen Gespinst geblickt. Doch was hat man da eigentlich jeweils gesehen?
Lidong Zhaos kleinformatige Arbeiten der 2023 entstandenen Serie „Lebensmittel, Glanz“ wirken nicht unbedingt wie Lebensmittel. Natürlich sind sie weder regional angebaut noch saisonal in den Verkauf gelangt, sie entsprechen dem weit verbreiteten Anspruch, jederzeit auf jedes Produkt zugreifen zu können. Mehrere Rote Bete wurden zu einem merkwürdigen Körper zusammengedrückt, die grünen Chili sehen aus als seien sie eine Pflanze und der Brokkoli mit seinem Strunk ähnelt einem fatalen Atompilz. Darf man sich über Lebensmittel lustig machen, irgendwie hat ihre Form hier etwas unfreiwillig Komisches. Gut möglich, dass dieses praktisch proportionierte Gemüse im Supermarkt ansprechend präsentiert und vorteilhaft ausgeleuchtet wurde, auf Lidong Zhaos Fotos fehlt es hingegen an Licht. Auch wenn es so etwas wie Glanz auf den Zucchinis im Netz gibt, ist so gar nichts Anpreisendes um das Gemüse, es ist ein bisschen so als seien sie keine Produkte mehr. Doch alle stehen irgendwie, vielleicht auf einem grünlichen Untergrund, der Hintergrund ist mal weiß, mal grau, mal scheint irgendetwas zu reflektieren. Die Funktion des Zellophans ist hier weniger, das Gemüse frisch zu halten als ihm eine Form zu geben. Dadurch haben sie etwas von einem Objekt, das einen Schatten wirft. Die Betriebsamkeit einer Küche ist jedenfalls weit weg, es ist eine große Stille um sie.

Bei seinen großformatigen Landschaften, die zu unterschiedlichen Jahreszeiten aufgenommen scheinen, folgt Lidong Zhao, der seit einigen Jahren bei Freiburg lebt, nicht den konventionellen Darstellungsformen. Zhao, der 1986 in Jiangsu geboren wurde, ließ sich in China erst einmal zum Maler ausbilden, bevor er an die Folkwang Universität Essen wechselte, um Fotografie zu studieren. Bei seinen Landschaften richtet er das Objektiv direkt in die Vegetation, es gibt keine Horizontlinie, an der man sich orientieren könnte. Man verliert sich ein bisschen in diesem wie gezeichneten Wirrwarr von Zweigen, an denen silberfarbene Flechten hängen, dazwischen ragt eine Haselnuss mit ihren Kätzchen ins Bild hinein. Lidong Zhaos Landschaften sind wie eine All-Over-Malerei, bei der das Auge immer wieder Neues entdeckt.
Im letzten Jahr sind Arbeiten unterschiedlicher Formate entstanden, die er zur Serie „Etwas“ zusammengefasst hat. Wie alle anderen Aufnahmen, sind auch diese menschenleer. Doch es gibt Spuren von menschlichem Handeln, etwa Taggs auf Mauern im urbanen Raum oder das Bauschen des Vorhangs, der nicht ordentlich zugezogen ist. „Etwas“ das klingt nach einem Ding, aber auch ein bisschen unbestimmt. Wie scharf Lidong Zhaos Blick für Farbe und Komposition auch bei diesen vorgefundenen Situationen ist, zeigt ein Foto, das in einem Regionalzug entstanden ist. Auf einem grünen Tisch hat jemand eine blau-gelbe Bäckertüte zu einer Kugel geknüllt und liegen gelassen. Die Flächen und die Körper heben sich voneinander ab, verhalten sich zueinander und schaffen so einen ganz eigenen Rhythmus.
Über Sehen. Fotografien von Lidong Zhao. Katholische Akademie, Wintererstr. 1, Freiburg. Montag bis Freitag 8.30 bis 18.45 Uhr. Bis 25.04.25
Bildquellen
- Lidong Zhao: „Lebensmittel Glanz“, 2023: © Lidong Zhao
- Lidong Zhao: „Ohne Titel“, 2022: © Lidong Zhao