Die neue Spielzeit am Theater Freiburg und die letzte des Generalmusikdirektors Fabrice Bollon
Die kommende Spielzeit ist die letzte Saison von Generalmusikdirektor Fabrice Bollon. Mit seiner von ihm komponierten Oper „The Folly“ über Erasmus von Rotterdam, die am Theater Freiburg im Mai 2022 unter seiner Leitung uraufgeführt wird, verabschiedet sich der Franzose von seinem Publikum. Bollon prägt auch den Beginn der Saison, wenn er am Eröffnungswochenende bei Leoš Janačéks Oper „Das Schlaue Füchslein“ (Regie: Bojana Lazic) am 2. Oktober am Pult des Philharmonischen Orchesters Freiburg steht. Die kommende Musiktheatersaison ist besonders reichhaltig, weil einige lange geplante, geschobene Produktionen nun stattfinden können. „Madama Butterfly“ wurde schon dreimal angekündigt – jetzt kann Puccinis Meisterwerk endlich in der Regie von Benedikt Arnold und der musikalischen Leitung von Fabrice Bollon im Januar 2022 über die Bühne gehen. Bollon dirigiert auch die französische Oper „Manon“ von Jules Massenet (Regie: Peter Carp) im Dezember 2021. Der erste Kapellmeister Ektoras Tartanis betreut zwei weitere Produktionen musikalisch: Verdis Opernschocker „Macbeth“ (Regie: Andriy Zholdak) im März 2022 und zum Abschluss der Saison Strawinskys Oper „The Rake´s Progress“ in der Regie von Eva-Maria Höckmayr. Acht Sinfoniekonzerte sind für die Saison programmiert, wobei man ab April 2022 mit großer Orchesterbesetzung plant. Der in Freiburg lebende Pianist Igor Kamenz und der bekannte Cellist Johannes Moser werden wie auch die belgische Harfenistin Anneleen Lenaerts mit dem Orchester musizieren. Beim Neujahrskonzert ist die Freiburger Jazzsängerin Cécile Verny zu hören.
Georg Rudiger
Antworten auf die gesellschaftliche Krise
Wie eine Welle schiebt das Theater Freiburg die Produktionen vor sich her, an denen während des Lockdowns geprobt wurde. „Damaskus 2045“ von Mohammad Al Attar (Regie: Omar Abusaada) musste verschoben werden, „Die Seuche“, eine Adaption von Albert Camus‘ Roman „Die Pest“ konnte doch noch in der vergangenen Spielzeit aufgeführt werden, ebenso „Hedda Gabler“, inszeniert von Lydia Bunk. Während Krzysztof Garbaczewski mit „Faust II“ am ersten Teil der Tragödie anknüpfen wird. Das Schauspiel trägt in der Spielzeit 2021/22 die Handschrift des Intendanten Peter Carp, der Theaterklassiker von Tschechow, aber auch deren zeitgenössische Pendants Simon Stephens und Yasmina Reza inszenieren wird. Auch am Schauspielhaus Zürich war man an der deutschen Erstaufführung des Monologs über das Älterwerden „Anne-Marie die Schönheit“ interessiert, doch da Yasmina Reza auf der Besetzung mit einem Mann bestand, verzichteten die Schweizer. In Freiburg übernimmt nun Rezas Wunschkandidat Robert Hunger-Bühler den Part.
Der Spielplan sucht Antworten auf die gesellschaftliche Krise. Solidarität könnte eine sein. Kriegsheimkehrer Beckmann hat sie jedenfalls nicht erfahren. Seit Jahren erlebt Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“ eine Renaissance, in Freiburg wird es als surreales Trauerspiel von Stef Lernous zu sehen sein. Dennis Kellys Drama „Der Weg zurück“ machte sich noch vor dem Ausbruch von Corona in ein einfacheres Leben auf, in Freiburg wird Hanna Müller Regie führen. Die freie Theatergruppe Flinn Works wird sich gleich mit zwei feministischen Themenkomplexen befassen, in „Learning Feminism from Rwanda“ mit dem hohen Anteil von Frauen im Parlament von Ruanda, bzw. mit dem geringen in Deutschland. Und in einer zweiten Arbeit, wie sich Staatsführerinnen in der Krise bewährt haben. Als Teil einer bundesweiten Initiative „Kein Schlussstrich“ zum NSU wird die Überschreibung Dirk Lauckes von Horváths „Ein Kind unserer Zeit“ nicht nur am Nationaltheater Weimar, sondern auch in Freiburg zu sehen sein. Das rechtsextremistische Netzwerk Hannibal gab dem Stück den Namen. Mit Simon Stones „Medea“ nach Euripides wird eine weitere Überschreibung am Theater Freiburg inszeniert, sie verlagert den antiken Stoff in die Gegenwart. Mit Erna Ómarsdóttirs Inszenierung „Orpheus und Eurydike“ steht ein weiterer antiker Stoff auf dem Spielplan. Und man darf neugierig sein, was Jessica Glause aus Mithu Sanyals Roman „Identiti“ machen wird.
Beim Tanz setzt sich das von Adriana Almeida Pees organisierte Gastspielprogramm fort. In der Spielzeit 21/22 gibt es einen Mini-Kanada-Schwerpunkt mit Produktionen des Out Innerspace Dance Theatre, der Gogol-Adaption „Revisor“ von Crystal Pite sowie „Saudade“ von Joshua Beamish. Darüber hinaus sind internationale Tanzstücke aus Belgien eingeladen, etwa von Alexander Vantournhout „Through the Grapevine“, aber auch „Joy, enjoy joy“ von Ann Van den Broek. Und Ersan Mondtag wird sein Debüt als Choreograf mit „Joy of Life“ geben, in dem er sich mit düsteren Kindheiten und komplizierten Familienverhältnissen befassen wird. Das Stück ist eine Koproduktion mit dem Berliner HAU.
Annette Hoffmann
Weitere Infos: www.theater-freiburg.de
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- Am 2. Oktober feiert Yasmina Rezas Stück „Anne-Marie die Schönheit“ mit Robert Hungerbühler als Anne-Marie im Theater Freiburg Premiere: Foto: Britt Schilling