Die erste Biennale Freiburg mit zwei ungewöhnlichen Publikumsformaten im Juni
Seit Mai sorgt die erste Biennale Freiburg für ungewöhnliche Kunstinitiativen im ganzen Stadtraum. Freiburg wird bis Oktober zum Experimentierfeld und Diskussionsgegenstand verschiedener Künstler*innen und ihrer Projekte. Und auch die Bewohner*innen sind eingeladen mitzuwirken. Im Juni bieten sich dafür zwei Gelegenheiten: Sarah Lehnerers, Inka Meißners und Jackie Grassmanns Projekt„A Day’s Work“ und Andreas von Ows “Zwischen dem Pflaster liegt der Strand! A slow walk for a green (Freiburg)“.
„A Day‘s Work“
„Formen eines zunächst nicht-zweckorientieren, intimen Schreibens“ zu hinterfragen, ist Motivation des Projekts „A Day‘s Work“ und entspricht damit dem Studioprogramm, das den ersten Teil der Biennale kennzeichnet. Die Künstler*innen dahinter haben bereits eine umfangreiche Recherche im Deutschen Tagebucharchiv Emmendingen hinter sich und bringen die dort gefundene Inspiration nun in Workshops ein, die das Schreiben auf der Schwelle zwischen alltäglicher Notation und künstlerischer Produktion untersuchen sollen. Durchaus persönlich wird es dabei, denn Schreibsituationen bietet unser Alltag genug. Und manchmal wird aus der Routine, Dinge zu notieren ein künstlerischer Akt. Begleitet werden die Workshops durch eine Installation von Sarah Lehnerer bestehend aus gemalten Raumteilern und Nutzgegenständen, Keramik-Möbeln und Schreib-Equipment. Die räumliche Installation „A Day‘s Work“ wird im September die Ergebnisse der Workshops neben der raumgreifenden Kunst Lehnerers als Teil des Ausstellungsparcours der Biennale präsentiert.
„Zimmer ohne Wände“ ist der Titel des ersten Workshops am 18. Juni, 11–15 Uhr im Musikpavillon im Stadtgarten. Leitende sind Inka Meißner und Sarah Lehnerer. Hier stehen die Teilnehmenden vor dem berühmten leeren weißen Blatt und stellen sich Fragen nach dem Beginn des Schaffens aus dem Nichts. Mit Blick auf Material aus dem Tagebucharchiv Emmendingen werden die Anfänge von Texten Anderer verglichen, diskutiert und selbst welche versucht. Ein steter Dialog, der auf die Offenheit und Kreativität der Schreibanfänge zielt. Abends wird ein Gastvortrag von Keren Cytter in englischer Sprache die Simulation einer Probe ihrer aktuell entstehenden Performance durch zwei Laienschauspielerinnen im Literaturhaus Freiburg inszenieren. Keren Cytter lässt das Publikum die Entstehung live mitverfolgen und vergleicht sie am Ende mit der aufgezeichneten Version der Original-Performance. Diese Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.
„Echos als Antwort“ ist der zweite Workshop, unter der Leitung von Jackie Grassmann und Sarah Lehnerer am 02. Juli, 11-15 Uhr im Musikpavillon im Stadtgarten. Dabei stellen die Teilnehmenden Fragen an ihre Gegenüber oder andere Bezugspunkte ihres Schreibens. Mithilfe ausgewählter Textfragmente wird der Versuch unternommen, herauszufinden, welche Kräfte, Echos, Gegenstände oder andere Elemente jenseits des Autor*innen-Ichs die treibende Kraft des Schreibens sind und welche Formen dadurch entstehen. Kleine Schreibübungen experimentieren damit, diesen Kräften explizit Raum im Schreiben zu geben. Am Abend desselben Tages wird es eine öffentliche Lesung aus dem neuen Buch der Künstler*in Johanna Hedva „Minerva: The Miscarriage of the Brain“ geben. Hedvas Texte ergründen unter anderem, wie Krankheit, Spiritualität, Prozesse künstlerischen Arbeitens, Biografisches und Begegnungen mit Freund*innen und Fremden auf das Schreiben einwirken. Die Veranstaltung ist bi-lingual auf deutsch und englisch und stellt die Texte auch in gedruckter Version zum Mitlesen zur Verfügung.
Beide Workshops und Veranstaltungen sind inklusiv und teilweise barrierefrei. Jede*r ist willkommen. Geschlechtsneutrale Toiletten sind leider nicht vorhanden. Die Veranstalter*innen können bei speziellen Bedürfnissen gerne vorab kontaktiert werden, damit etwaige Vorkehrungen getroffen werden können.
„Zwischen dem Pflaster liegt der Strand! A slow walk for a green (Freiburg)“
Zu einem speziellen Spaziergang lädt der Künstler Andreas von Ow am 26. Juni, 11 Uhr ein (Treffpunkt: Musikpavillon im Stadtgarten). Gewitzt steht darüber der Titel „Zwischen dem Pflaster liegt der Strand! A slow walk for a green (Freiburg)“ – und der ist Programm! Der Spaziergang führt je ein Paar in unterschiedliche Gebiete der Stadt, auf der Suche nach Grün in Form von Glas. Dieses stellt für Andreas von Ow, genauso wie andere Materialien wie etwa Katzenaugen, Rücklichter und Bohrstaub oder Organisches wie Lingusterbeeren und Hollunderblütensaft, das Ausgangsmaterial für die Farben seiner Malerei dar. In Freiburg werden die wertvollen Rohlinge für die Grünpigmente aus dem Umfeld, dem Stadtbild, entnommen. Das Sammelgut wird von Andreas von Ow zu Pigment in verschiedenen Korngrößen weiterverarbeitet, mit Bindemittel angereichert und auf einem Bildträger mehrschichtig zu einer Farbmalerei aus dem Grün in all seinen Facetten verdichtet. Hier bekommt die Farbe nun ihren Körper, das Grün bekommt sein „Fleisch“. Dieses Werk wird in der Ausstellung zur Biennale öffentlich zu sehen sein. Aber bereits zuvor, im Studioprogramm der Biennale beginnt das künstlerische Experiment.
Der Blick der Spazier-gänger*innen ändert sich und Fragen tauchen auf: „Wie wandelt sich der eigene Blick auf das Stadt- und Landschaftsbild, wenn man auf ‚Grün‘ fokussiert ist? Was erzählen die Spuren von grünem Glas über den Ort? Was passiert mit unserem Farbsehen und mit unserer Wahrnehmung der Umgebung? Und was bedeutet es uns schließlich, sich für die Kunst in einer Gesellschaft einzusetzen?“ Gesprächsstoff und -bedarf ist also gegeben, daher gibt es um 17 Uhr auch eine Kollekte der gesammelten Fundstücke, Farbeindrücke, Gespräche und gemeinsamen Reflexionen bei einem Umtrunk im Stadtgarten. Aber auch zwei Tage vorab wird der Künstler seine künstlerische Arbeit vorstellen. Über Uhrzeit und Ort informiert die Website der Biennale.
Weitere Informationen auf der Website der Biennale für Freiburg und in den kommenden Ausgaben des Kultur Joker. www.biennalefuerfreiburg.de
Anmeldung für die Veranstaltungen unter: anmeldung@biennalefuerfreiburg.de
Bildquellen
- Smaragdgrün_Can Vega-/ Gordiola Grün; 2018/2019, Gordiola-Glas zu Pigment zerkleinert, Kaseinbindemittel, auf Wand, Mallorca: Foto: Andreas von Ow