„Die besten Beerdigungen der Welt“ im Kinder- und Jugendtheater im Marienbad
Spielen mit dem Tod?
Für Erwachsene zählt es wohl zum Schwersten, mit Kindern über Sterben und Tod zu sprechen. Vermeiden sie es doch meist selbst, sich dem Unausweichlichen zu stellen. Das vielfach preisgekrönte Kinderbuch „Die besten Beerdigungen der Welt“ von Ulf Nilsson weicht diesem dunklen Thema nicht aus, die Bühnenadaption von Regisseur Sascha Flocken und Dramaturgin Anna Fritsch ist derzeit im Theater im Marienbad zu sehen.
Die blitzgescheite Ester (Lisa Bräuniger), ihr namenloser Spielkamerad (Christoph Müller), der als Ich-Erzähler zusätzliche Doppelfunktion gewinnt und Esters kleiner Bruder Putte (Burkhard Finckh), der anfangs erst mal nur mitläuft, wissen mit dem Tag nichts richtiges anzufangen. Langeweile grassiert, da findet Ester eine tote Hummel.
Der zartbesaitete Ich-Erzähler ekelt sich zunächst, wird aber von Esters Vorschlag, die Hummel ordentlich zu begraben, angesteckt. Sogleich zimmert er ein Kreuz und macht sich ans Dichten eines Grabspruchs. Ester schafft Schaufel und Erde herbei, die Hummel findet unter dem Gesang von des Erzählers Grabspruch „Ein kleines Leben in der Hand, plötzlich weg – tief, tief im Sand“ in einer Blechschachtel Ruhe.
Und Putte? „Der soll heulen“ entscheidet Ester. Tut er aber nicht, er stellt Fragen: „Wie lange ist man tot, tut das weh, ist man einsam?“. Keine Antworten von den Größeren, aber eines ist für ihn klar: „Die Mama wäre traurig“. Ester ist viel zu sehr von ihrer Spielidee vereinnahmt, als dass sie sich auf nebulös philiosophische Spekulationen einlassen möchte. Stattdessen kommt sie in Fahrt: „Wir gründen eine Beerdigungs-AG mit den besten Beerdigungen der Welt“.
Wie aus dem Bilderbuch entwickelt sie in Windeseile Business Plan, Corporate-Design inklusive Logo, veranlasst die interne Arbeitsteilung und alles wird in einem theatralischen Wirbel auf ihrer Lichtung vor dem Wald spektakulär umgesetzt. Kundschaft akquiriert Ester über das Telefon und so landet Nachbarins verstorbener Hamster Nuffe, verfremdet in Form eines Kofferanhängers, bei den Kindern.
Putte versteht immer noch nicht so recht: „Wenn es ihm wieder besser geht, graben wir ihn wieder aus!“. Oder drei saure Heringe aus Omas Kühlschrank, symbolisiert durch drei Krawatten, die mit Herr Ring und Bismarck und Bismarckin (weil verheiratet), auch noch nachträglich getauft wurden. Im Fall des kopflosen Hahns Heintz, der im Jutesack verborgen bleibt, ist erstmals eine Trauergesellschaft von Hennen dabei, in deren Rollen die Darsteller schlüpfen und den vom Erzähler gedichteten Vers singen: „Der Tod kommt plötzlich um Viertel nach Vier, warum, warum, sag es mir?“
Ester läuft im Stil effizienter kapitalistischer Verwertungslogik zu Hochform auf, will größere und mehr Tiere und die findet man, so weiß sie, überfahren an der Landstraße. Tatsächlich, ein Hase, getauft auf Ferdinand Axelsson, bekommt bei der AG ein Luxusgrab mit Beigaben und Putte will wissen, ob er auch einmal seine Lieblingsdecke oder sein Plüschtier mitnehmen darf. Ungeachtet dessen konstatiert der Erzähler: „Die Lichtung wurde ein richtig schöner Friedhof“.
Da: Eine Amsel flog gegen ein Glasfenster, stürzt und die drei sehen sie sterben. Spiel ist nun Ernst. Alle seien von „großer Heiligkeit ergriffen“ gewesen, sagt der Erzähler und „kleiner Vater, die Amsel erhielt das beste Begräbnis der ganzen Welt, aber Trauer habe sich wie ein schwarzes Tuch über die Lichtung gelegt. Und die Kinder? Schlusssatz: „Am nächsten Tag machten wir einfach etwas ganz anderes“.
Schlussfrage: Soll oder darf man Kinder bewusst auf dem Theater mit dieser Thematik berühren? Wenn es so geschieht – immer! Die nach dem Beispiel der Tierfabel erzählte Inszenierung kommt so leicht und beinahe selbstverständlich daher, ist angereichert mit intelligenten Gags, Späßen und voll opulenter, bunter Theatralik und Musik (Burkhard Finckh), dass dem unbequemen Thema alle Schwere genommen wird, ohne etwas zu verschweigen. Die drei hervorragenden Schauspieler und das Regieteam ernteten reichen, verdienten Beifall.
Was: Kinderstück “Die besten Beerdingungen der Welt” (ab 5 Jahren)
Wann: 10./31. März, 16 Uhr, 7./17./22. April, 16 Uhr, 9./10. April, 10 Uhr, 18. April, 19 Uhr
Wo: Theater im Marienbad, Marienstraße 4, 79098 Freiburg
Web: www.marienbad.org
Bildquellen
- kultur_joker_marienbad_besten_beerdigungen_der_welt: Theater im Marienbad