Kunst

Der Weg zur Demokratie: Ausstellung „Der Ruf nach Freiheit – Revolution 1848/49 und heute“ im Dreiländermuseum in Lörrach

Die deutsche Demokratiegeschichte zu erklären ist kein leichtes Unterfangen; will man sie für die politische Zukunft lebendig halten, ist eine Erinnerung an die Revolutionsjahre 1848/49 notwendig und fruchtbar. Lörrach hat dazu einen besonderen Bezug. Das dortige Alte Rathaus ist nämlich „Ort der Deutschen Demokratiegeschichte“, weil der Mannheimer Jurist Gustav Struve hier vor 175 Jahren mit der Forderung „Wohlstand, Bildung, Freiheit für alle“ die „Deutsche Republik“ ausgerufen hat, es galt die Monarchie abzuschaffen. Zum Jubiläum zeigt das Dreiländermuseum die Sonderausstellung „Der Ruf nach Freiheit – Revolution 1848/49 und heute“; zahlreiche Originalexponate erhellen neben Saaltexten die historischen Ereignisse im Kontext einer europaweiten Freiheitsbewegung. Wir befinden uns im Zeitalter der Industrialisierung, das aufstrebende Bürgertum sucht die mittelalterliche Herrschaftsordnung in den Parlamenten durch demokratische Staatsbürgergesellschaften zu ersetzen. Doch beim Ringen um nationale Einheit und sozialen Ausgleich siegten oft letztmals die Fürsten; mutigen Aufständen folgen Niederlagen. Gleichwohl entwickelte sich hier der Weg zur Demokratie.
Die damalige Vision von der Freiheit war grenzüberschreitend und machte sich im Dreiländereck besonders bemerkbar: die Nähe zu Frankreich und zur Schweiz, wo Republiken erreicht wurden, brachte das fortschrittliche Gedankengut in die badische Region. Die Ausstellung in Lörrach ist deshalb anschaulich aus trinationaler Perspektive konzipiert. Eingangs blickt man auf die Paulskirche, Symbol für den deutschen Nationalstaat; im Bereich links davon wird die Lage in Frankreich skizziert, wo in der Februarrevolution 1948 die Zweite Republik erkämpft und Louis-Philippe geschasst wird; rechts gegenüber wird die Grundlage für die moderne Schweiz thematisiert, wo die Eidgenossenschaft nach dem Sonderbundskrieg die „Bundesverfassung“ annimmt.
Der zweite Teil handelt von den drei Badischen Revolutionen, April und September 1848 und Mai 1949; dazu sind zahlreiche Objekte sowie Filmsequenzen geboten. Die Grenzlage hat dazu geführt, dass Aufständische aus drei Ländern zusammentreffen und Gemeinsames vorbereiten konnten. Der erste entschiedene Anlauf, um die deutschen Fürsten vom Thron zu stoßen und die Republik zu gründen, wird am 13. April 1848 unter Führung Friedrich Heckers von Konstanz aus unternommen, Ziel war die Absetzung des Großherzogs in der Landeshauptstadt Karlsruhe; nach wenigen Tagen werden seine Freischaren-Züge jedoch bei Kandern besiegt, auch der sogenannte Struve-Zug muss kapitulieren. Immerhin machten deutsche Fürsten im März 1848 Zugeständnisse an die Bevölkerung, es entsteht ein Netz von Volks- und sogar Frauenvereinen, die aber bald wieder Unterdrückung erfahren. Das Wahlrecht war Männern vorbehalten; doch Amalie Struve (1824-1862) kämpfte bereits für die weibliche Gleichstellung. Mit der Devise „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“ lehnte der preußische König die neue Reichsverfassung ab und lässt die folgenden Aufstände militärisch niederschlagen; zuletzt kapituliert die Festung Rastatt am 23. Juli 1849. Es beginnt eine Ära der Reaktion mit Todesurteilen, Standgerichten, Festungshaft, Zensur und Reparationszahlungen – viele Demokraten müssen fliehen, Zehntausende fanden zunächst in Frankreich, England, der Schweiz oder in Übersee Asyl.
Ein Bereich der Ausstellung stellt wichtige Akteure vor, z.B. Emma und Georg Herwegh, Friedrich Hecker sowie den Republikaner Friedrich Neff, ermordet in Freiburg. Freiburg war nicht eben die Hauptstadt der Freiheitsbewegung, obwohl sich fortschrittliche Bürger in der Lesegesellschaft um Karl von Rotteck jun. sammelten und harsche Petitionen an die großherzogliche Regierung in Karlsruhe schickten; am 24. April wurde eine letzte revolutionäre Freischar am Schwabentor gestoppt. Im März 1849 beginnt hier der Hochverratsprozess gegen Gustav Struve, ein Standgericht fällte Todesurteile, Friedrich Neff, Maximilian Dortu und Gebhard Kromer werden erschossen. Die emanzipatorischen Bestrebungen regten sich dennoch weiter, was zum dritten Ausstellungsteil leitet, der Gegenwart, Zukunft sowie divergierende Traditionslinien in F-CH-D beleuchtet. Die Besucher:innen werden zudem nach ihrer Einstellung befragt. Die Themenbereiche sind prägnant mit verschiedenen Farben markiert. Rund 60 spannende Veranstaltungen begleiten die Schau über die gesamte Laufzeit.

„Der Ruf nach Freiheit“. Dreiländermuseum / Musée des Trois Pays. Basler Str. 143 D – 79539 Lörrach. www.dreilaendermuseum.eu. Mo. geschl. Di-So: 11-18 Uhr. Bis 19. Mai 2024

Bildquellen

  • Friedrich Kaiser: „Einzug der Freischärler in Lörrach am 20. April 1848“, Ölgemälde. In der Mitte der Revolutionär Joseph Weißhaar. Der aus Lörrach stammende Historienmaler stellte das Bild bereits im Herbst 1848 im Kunstverein Karlsruhe aus (Sammlung DLM BKKa 85) © DLM /: Foto: Axel Hupfer