Der Reiz des Dysfunktionalen
Aaron Angell zeigt im Kunstverein Freiburg neue Skulpturen und Hinterglasbilder
Wenn ein Künstler mit Keramik und Hinterglasmalerei einen Platz in der zeitgenössischen Kunstszene findet, muss er sich wohl mit ausgesprochen gegenwärtigen Fragen befassen. Schließlich gelten weder Ton noch Glas als sonderlich hippe Materialien – auch wenn in den letzten Jahren eine Tendenz zu erkennen war, das vermeintlich Altbackene umzudefinieren.
Aaron Angell, der derzeit im Kunstverein Freiburg seine Einzelschau „Heat-Haze Theatre – Hitzeflimmern-Theater“ zeigt, ist sogar noch einen Schritt weitergegangen. Und hat 2014 im angesagten Londoner Osten die Troy Town Art Pottery gegründet. Wer mehr über Glasuren, Brand und überhaupt Keramik erfahren will, muss sich um einen Platz in einem seiner Workshops bewerben.
Aaron Angell, der 1978 in Kent geboren wurde, ist in Großbritannien groß geworden, in einem Land, in dem einerseits das Kunsthandwerk hochgehalten wird, andererseits die Folklore mit all ihren bizarren Auswüchsen ihren Platz hat. Angells amorphe Skulpturen spiegeln dies ebenso wider wie das Vorhandensein bedeutender kulturhistorischer Sammlungen. Er sei, so hat Angell vor einigen Jahren in einem Interview erzählt, an einer gewissen „hermetischen Hobbykultur“ interessiert und an ihrer schwierigen Mischung aus kanonischer und fantasierter Geschichte“.
In Freiburg hat er in seiner Ausstellung nun sechs Tonskulpturen auf weiß verputzte, ziemlich plump wirkende Sockel in die Halle gesetzt. „Caterpillar Engines“ heißt die Serie neuer Arbeiten und wirklich könnte man in ihnen ein zusammengebackenes Etwas mehrerer Kolben erkennen. Handwerk hat seine Tücken, auch wer sich ihm mit einer anarchischen Haltung nähert, braucht die Fertigkeiten und Techniken.
Obgleich Aaron Angells Skulpturen völlig dysfunktional sind, kommt auch er nicht ohne das Gefäß aus. Seine Arbeiten beruhen oft auf miteinander verbundenen Dosen, Krügen oder Teeschalen, die oft ihren Ursprung in historischer japanischer Keramik haben. Auch die Glasur bezieht sich auf eine japanische Technik, die im 16. Jahrhundert entwickelt wurde und deren unregelmäßige Oberfläche man in den 1970er Jahren wieder schätzte.
Angells Skulpturen, deren Farbigkeit an Kupfer erinnert, wirken oft wie Agglomerationen, in sich zusammengesunken, oft sind die Röhren aufgerissen, irgendwie schrundig. Die Glasur hingegen ist voller Krakeleen, manchmal geht es ins Milchig-Weiße, dann wieder sieht es nach Patina aus. Die Glasur ist das Verbindungsglied zur Hinterglasmalerei, die wiederum oft auch durch Motive geprägt ist, die wie arrangiert aussehen: Hundeköpfe oder ein Kohl auf einem Tablett oder merkwürdige Brunnen mit wenigen Wasserstrahlen zwischen denen ein weiterer Hundekopf platziert ist. Das hat in seiner Flächigkeit etwas von Collagen, ist aber Schicht um Schicht aufgebaut. Und sieht mitunter aus wie skurrile Zitate aus der Kunstgeschichte, wie eine Aneignung des Motivs vom Haupt Johannes des Täufers.
Überhaupt sind Angells Objekte ein Amalgam der Kulturgeschichte. Er hat nicht nur die verschiedenen Epochen der japanischen Keramik studiert, Abdrücke von römischen Münzen finden sich ebenso im Ton wie Muscheln, mit denen man früher beim Brand die verschiedenen Gefäße voneinander trennte. Angell ist darüber hinaus an utopischen Architekturmodellen und dem Design der Memphis-Gruppe interessiert. Und wer hat eigentlich gesagt, dass all das in Ton nicht möglich sei?
Annette Hoffmann
Aaron Angell, Heat-Haze Theatre. Hitzelflimmern-Theater. Kunstverein Freiburg, Dreisamstr. 21.
Dienstag bis Sonntag 12 bis 18 Uhr, Mittwoch 12 bis 20 Uhr. Bis 6. Mai 2018.