KultourKunst

Der Pressefotograf Antonio Pisacreta hat in St. Peter eine Fotogalerie eröffnet

Fotogalerien sind im Kunstbetrieb eher eine Seltenheit und erst recht abseits von Metropolen. Umso mutiger ist der Schritt von Antonio Pisacreta, im beschaulichen Hochschwarzwalddorf St. Peter einen Laden zu mieten, um dort an seinem Wohnort anhand von Fotos den Blick auf die Welt zu schärfen. Zu seinem 60. Geburtstag hat er sich einen langehegten Wunsch erfüllt und die „Ropi Foto Galleria – Fotojournalismus“ eröffnet.
Etliche Jahrzehnte war Antonio Pisacreta selbst in zahlreichen Ländern und Krisenherden der Welt als Pressefotograf unterwegs. Heute betreibt er hauptberuflich als Geschäftsführer die Pressefoto- und Bildagentur Ropi in Freiburg und beliefert gestützt auf ein halbes Hundert freie Fotojournalisten in aller Welt alle wichtigen internationalen Zeitungen und Publikationen mit aktuellen Bildern.
Dabei hat alles ganz anders angefangen. Schon als Gymnasiast hat er in Italien Artikel für mehrere Zeitungen geschrieben. Sein Interesse galt der großen Welt und dabei insbesondere China. So hat ihn Marco Polo ebenso wie die chinesische Kulturrevolution fasziniert. 1985 bot sich ihm die Chance, als einer der wenigen Europäer für eine alternative italienische Zeitung als Korrespondent in die Volksrepublik China zu reisen und jede Woche einmal per Brief seine Berichte an die Redaktion zu schicken. Was er dort sah und erlebte, entsprach jedoch nicht seinem positiven Bild von der Kulturrevolution und seine Enttäuschung über die realen Verhältnisse wuchs zusehends. Eines Tages sah er, wie ein verwahrloster, nackter Mensch von einem Mob durch die Straßen getrieben wurde und sich in seiner Angst in einem großen Müllbehälter versteckte. Seine Verfolger gossen Benzin über und in den Behälter, um diesen anzuzünden. Pisacreta stellte sich schützend davor und so konnte die etwas später anrückende Polizei die Katastrophe verhindern. Ihm wurde darauf hin klar, dass das geschriebene Wort ihm für den Beweis der Fakten nicht mehr ausreichte und er begann zu forografieren. So auch 1988 in der Stadt Xining. Pisacreta stieg dort aus dem Zug und sah auf der Straße eine riesige Menschenmenge. Da er diese nicht überblicken konnte, stieg er, neugierig geworden, auf einen Baum. Alsbald realisierte er, dass dort ein öffentlicher Schauprozess gegen mehrere brutal gefesselte Menschen im Gange war, die auf der Ladefläche eines Lkw standen. Pisacreta zückte seine Kamera und hielt das Geschehen unbemerkt fest. Das Tribunal endete mit Todesurteilen für alle Angeklagten. Solche Bilder aus dem abgeschotteten China gab es damals in Europa so gut wie nicht. Seine auftraggebende Zeitung wollte die Bilder nicht veröffentlichen, weil dies ihrem positiven Bild von China nicht entsprach. So wandte sich Pisacreta an La Repubblica, eine der maßgebendsten Zeitungen Italiens, die seine Bilder auch prompt brachte. Zu Pisacretas Verblüffung wurde ihm ein Honorar, von dem er bisher nur träumen konnte, geboten. Anderntags meldeten sich auch Magazine wie Time und Newsweek und so begann sein Weg als internationaler Pressefotograf. Mit seiner aus St. Märgen stammenden deutschen Frau verzog er von Rom in den Hochschwarzwald und lieferte viele Bilder aus Deutschland von wichtigen Geschehnissen an italienische Zeitungen. 1991 beteiligte er sich an der Ropi Bildagentur in Freiburg, der er heute als alleiniger Geschäftsführer vorsteht.
Die „Ropi Foto Galleria“ in St. Peter dient ganz anderen Zwecken. Antonio Pisacreta vermisst den Dialog mit dem Betrachter seiner Bilder, denn die Veröffentlichung in Publikationen ist eine diskursive Einbahnstraße, denn eine direkte Reaktion im Gespräch erfolgt seltenst. Deshalb schöpft er für wechselnde Präsentationen jeweils zu einem Thema aus seinem viele tausend Bilder umfassenden Thesaurus, von denen 70 Prozent noch aus analoger Zeit stammen. Die Galleria soll darüberhinaus als Plattform für Ideen, Diskussionen und Veranstaltungen zu kulturellen und wichtigen Gegenwartsthemen dienen.

Die aktuelle Ausstellung zeigt bis zum 15. Juli 2020 eindrucksvolle Bilder zum Thema „Isolation“. Ab 18. Juli 2020 zeigt Antonio Pisacreta unter dem Titel „Rapsodia Italiana“ eine mit verblüffendem Scharfblick und einem Hauch Melancholie fotografierte Bildauswahl seine Sicht auf sein geliebtes Herkunftsland.
Die Ropi Foto Galleria befindet sich mitten in St. Peter beim Zähringer Eck (Zentrale Bushaltestelle). Öffnungszeiten: Mi 9–13 Uhr und 15–19 Uhr, Sa 9 –13 Uhr, So 10–13 Uhr Weitere Infos: www.fotogalleria.ropi-online.de

Bildquellen

  • Antonio Pisacreta vor der „Ropi Foto Galleria – Fotojournalismus“ in St. Peter: Erich Krieger