Theater

„Der Menschen Feind“ von PeterLicht im Theater Basel

„Selfie statt Seele“

Der Absolutismus konnte einen ganz schön zum Narren machen. Ganzkörperperücken, Seidenhöschen für Männer und dann erst die Schuhe. Wer diese Codes und auch die ständige Präsentation bei Hofe erfüllte, hatte keine Zeit mehr, das System infrage zu stellen. Man muss nur einen Blick auf Alceste (Florian von Manteuffel) und Philinte (Max Rothbart) werfen und schon denkt man an Norbert Elias´ Deutung der Epoche Ludwigs des XIV.

"Der Menschen Feind" von PeterLicht im Theater Basel
Florian von Manteuffel und Liliane Amuat. Copyright Simon Hallström

Doch die Zeiten haben sich geändert, auch von Schauspielern wird jetzt Authentizität verlangt. Einfach nur Text aufsagen und dann ab nach Hause, geht nicht mehr. Wo bleibt da die Seele. Im Schauspielhaus Basel ruht die monströse Haarpracht mittlerweile auf dem Perückenstock, noch liegen die barock ornamentierten Tapeten aufgerollt auf dem Boden, links ist ein ovalförmiger Bau zu sehen, aus dem später Videos auf die Tapeten projiziert werden. Derweil Florian von Manteuffel und Max Rothbart sich in die ungezählte Wiederholungsschlaufe begeben, paradiert ein Anti-Kapitalismuschor im Hintergrund an den beiden vorbei. Er ähnelt ein bisschen albernen Reklamefiguren – er könnte absurderweise Werbung für Erdnüsse machen – der Selfie-Stick gibt den Takt an und der Coffee to go wippt mit (Bühne und Kostüme: Patricia Talacko, Dirk Thiele). „Kreativ sein, heißt nur, dass man weniger Geld bekommt“, wirft Philinte seinem Freund Alceste entgegen, der sein Genervt-Sein an der Welt an diesem auslässt.

PeterLichts Bearbeitung von Molières „Der Menschenfeind“, die im Schauspielhaus Basel in einer Inszenierung von Claudia Bauer zu sehen ist, ist eine radikale Aktualisierung auf der Tonlage der Komödie. Bei PeterLichts „Der Menschen Feind“ geht es in Richtung Klamauk mit politischem Unterton, jede Figur ist eine Typenparodie. Der Grat zwischen beiden Polen ist ziemlich schmal. Hat man Schauspieler wie Max Rothbart und den René Pollesch erfahrenen Florian Manteuffel, kann das wirklich sehr komisch, selbstreferentiell und herrlich absurd sein.

PeterLicht belässt es in seiner Auftragsarbeit für das Theater Basel lediglich bei den Grundzügen des Molièreschen Dramas. Alcestes ziemlich unerträglicher Zug, sich für etwas Besseres zu halten, seine Liebe für die kokette Célimène (Liliane Amuat) und die Deformationen, die die Gesellschaft den Menschen antut. Ansonsten haben Autor und Darsteller ihre Freude daran, alles auf die Spitze zu treiben, das schließt ein Célimène-Tattoo auf Orontes Eichel ebenso mit ein wie die Charakterisierung der verführerischen Witwe als Fußballweltverbandshauptfunktionär – was nun wirklich eine schöne Schote ist. Weniger Charakter geht dann wohl kaum.

Schön ist auch, wie Alceste der Angebeteten seine Super-Liebe gesteht und noch ein bisschen Veränderungsbedarf an ihren „Innereien“ hat. Also mehr Innerlichkeit, mehr Wahrhaftigkeit, vor allem aber: mehr Alceste und weniger Verehrer in den Privatgemächern. Liliane Amuat mit viel Stoff, Schmollmund, Augenaufschlag und Federputz auf dem Kopf trinkt den Sekt erst in Gläsern, dann aus der Flasche und schließlich aus dem Sektkühler. Soviel Menschenunfreundlichkeit ist auch wirklich schwer zu ertragen. PeterLicht stellt einer Gesellschaft, die durch Vergnügungen entpolitisiert ist, ein Individuum gegenüber das auch nicht besser, aber dennoch ganz sympathisch ist. Bis zu dem therapeutisch kollektiven Anfassen mit anschließender Saunaweltmeisterschaft hat das Witz, dann wird es einem ziemlich lang. Die Handlung, die im Wesentlichen auf zwei Szenen konzentriert, aber auf zwei Stunden und 40 Minuten gedehnt ist, trägt das dann doch nicht. Den Versuch war es jedenfalls wert.

Weitere Vorstellungen: 2./5./ 6./12./13./21. Mai, Schauspielhaus, Theater Basel.

Annette Hoffmann