Das Theater Basel bringt “Jesus Christ Superstar” auf die Bühne
Ein bisschen Hippie, ein bisschen Opi
Als Andrew Lloyd Webber und Tim Rice für ihre Rockoper „Jesus Christ Superstar“ einen Produzenten suchten, hatten sie zunächst keinen Erfolg. Die Passion Christi als Musical? Die Liebesbeziehung des Gottessohnes zu Maria Magdalena? Die Erzählweise aus der Perspektive des Verräters Judas? Das war zu heikel oder zumindest zu wenig erfolgsversprechend. Deshalb erschien die Musik 1970 zunächst auf einem Doppelalbum, bevor das Stück dann nach seiner Bühnenpremiere 1971 am Broadway zum Kult wurde.
Am Theater Basel ist nun das Musical in der englischen Originalversion (mit deutschen Übertiteln) wieder zu hören. Und es klingt unter der souveränen Leitung der Dirigentin Ansi Verwey mindestens so rockig wie bei der Ersteinspielung, die mit Murray Head und Ian Gillan, dem Sänger von Deep Purple, gleich zwei Rockröhren präsentierte. Dafür sorgen Alexander Klaws (Jesus Christ) und Patrick Stanke (Judas Iscariot) in den Hauptpartien, aber vor allem gibt die Band mächtig Gas (besuchte Vorstellung: 25.1.16). Die einfachen, bohrenden Riffs werden von Schlagzeug und Percussion (Martin Altenbach, Timo Stegmüller) noch druckvoller gemacht, die vielen ungeraden Takte mit klaren Akzenten versehen. Auch die E-Gitarren-Soli (Jan Fitschen, Michael Goldschmidt) sind schön dreckig.
Wenn man ein Kultmusical 45 Jahre nach seiner Uraufführung auf die Bühne bringt, dann bräuchte man eine Idee, die neue Aspekte entdeckt, sich genüsslich eines Retrocharmes bedient oder auch manche Dinge ironisch hinterfragt. Regisseur Tom Ryser, der am Theater Basel bereits die Musicals „My Fair Lady“ und „Fame“ in Szene setzte, fehlt bei dieser Inszenierung eine klare Konzeption. Es erschließt sich nicht, warum die Menschen so fasziniert sind von diesem Jesus in Cargohose und Kapuzenjacke (Ausstattung: Stefan Rieckhoff). Seine Fangemeinde ist kleidungs-, alters-und tanzmäßig ein bisschen Hippie, ein bisschen Opi (Gospelchor am Münster und Chor des Theaters Basel). Die Passionsgeschichte wird auf der abstrakten, von Treppen und Wänden geprägten Bühne nicht näher verortet. Die in schwarzen Gehröcken gewandeten Hohenpriester treffen auf moderne Sondereinsatzkräfte mit Maschinengewehr.
Vor allem im ersten Teil nehmen die von müdem Klatschen begleiteten Szenenübergänge immer wieder die Spannung heraus. Trotzdem ist schon hier einiges hörenswert wie Andrea Sánchez del Solars kitschfrei gesungene Ballade „Everything’s Alright“ in der Rolle der Maria Magdalena. Patrick Stankes Opener „Heaven On Their Minds“ macht gleich klar, dass die Randfigur Judas in dieser Passionsgeschichte sofort ins Zentrum des Geschehens rückt. Nur Alexander Klaws Wutausbruch im Tempel gerät zum Sturm im Wasserglas. Aber dieser Jesus rückt im zweiten, deutlich stärkeren Teil näher. Klaws Interpretation gewinnt an Profil, wenn der erste DSDS-Sieger im Garten Gethsemane unter Sternenhimmel die Einsamkeit des Verratenen spüren lässt oder am Ende in einer heftigen Szene die Geißelung erträgt.
Der Auftritt von Pilatus (überragend: Andrea Matthias Paganini) ist genauso packend wie Karl-Heinz Brandts herrliche Revuenummer als tänzelnder König Herodes im weißen Smoking. Tom Ryser schärft hier die Extreme. Das Timing stimmt. Die Szenenanschlüsse gelingen dichter als vor der Pause. Die große Energie des Ensembles lässt nicht nur in den kraftvollen Tanzszenen (Choreografie: Lillian Stillwell) endlich den Funken aufs Publikum überspringen.
Nächste Vorstellungen: 1./3./ 7./11./28. Februar 2016, Theater Basel.
Georg Rudiger