Das Theater Basel brilliert mit einer poetischen Zauberflöte
Premiere am Theater Basel: Mozarts “Zauberflöte”
Von Maschinen und Menschen
An Mozarts „Zauberflöte“ scheitern viele Regisseure und Dirigenten. Die Oper ist einerseits ein Kasperl- und Zaubertheater in der Wiener Volkstheatertradition, andererseits besitzt sie einen großen philosophischen Überbau. Das Volkstümliche eines Papageno steht neben dem Erhabenen eines Sarastro, das Spektakuläre der Königin der Nacht neben dem schlichten Gesang der drei Knaben. Am Theater Basel hatte nun eine „Zauberflöte“ Premiere, die all das vereint. Die den Figuren und der Musik die Heterogenität lässt, sie aber trotzdem zu einem Ganzen fügt. Julia Hölscher erzählt die Geschichte mit wunderbarer Leichtigkeit, einem kindlichen Blick und, vor allem im zweiten Akt, einer humorvollen Distanz.
Dirigent Christoph Altstaedt lässt Mozarts Musik ihre Natürlichkeit. Da werden keine Extreme herausgekitzelt, sondern es herrscht beim Sinfonieorchester Basel ein verbindlicher, warmer Ton. Nicht nur die häufig vorkommenden, getragenen Es-Dur-Akkorde in den Bläsern sind wunderbar zusammen. Die Rezitative haben einen organischen Fluss.
Schon der Beginn des Abends ist reinster Theaterzauber. Eine von unten beleuchtete Wolke schwebt über der leeren, schwarzen Bühne. Langsam wird ein Seil vom Schnürboden herabgelassen, das sich am Boden wie eine Schlange, von der Tamino (mit warmem, farbigem Tenor und leichter: Sebastian Kohlhepp) verfolgt wird, kringelt. Weitere Seile folgen. Überall entsteht so eine Verbindung zwischen (Theater)-Himmel und Erde. Im Verlauf des Abends wird aus zwei Seilen eine Schaukel, auf der der Rock tragende Papageno (mit charmantem österreichischen Akzent, großer Spielfreude und beweglichem Bariton: Thomas Tatzel) in einer berührenden Szene seine Papagena (glockenhell: Valentina Marghinotti) durch die Lüfte wiegt (Kostüme: Susanne Scheerer). Aber auch Papagenos Galgenstrick ist aus solch einem Seil gemacht. Hell und Dunkel liegen eben nah beieinander bei Mozart.
Bühnenbildnerin Mirella Weingarten hat von den Basler Theaterwerkstätten vier rollbare Holztürme bauen lassen: bezaubernde Maschinen mit Schwungrädern und Ketten, die man sich auch in Emanuel Schikaneders Vorstadttheater vorstellen könnte. Beim Tanz der Sklaven („Klinget, Glöckchen, klinget“) wird einer davon zur sich drehenden Weihnachtspyramide. Überhaupt ist alles in Bewegung in dieser großartigen, leichtfüßig inszenierten und dirigierten „Zauberflöte“. Für den ersten Auftritt der Königin der Nacht (technisch sauber, aber zu wenig dramatischt: Mari Moriya) wird eine große Stahltreppe von der Hinterbühne heruntergelassen. Sarastro (mit mächtigem Bass: Callum Thorpe) hat keinen Tempel, sondern nur seine mobilen Holztürme. Und ein buntes Volk mit männlichen Betschwestern und weiblichen Frackträgern, das ganz und gar nicht weihevoll agiert.
Aber auch die kleinen tiefsinnigen Regieeinfälle verzaubern. Die drei Damen sind durch einen Zopf miteinander verbunden (Festspielformat: Bryony Dwyer, Dara Savinova, Sofia Pavone), so dass sie sie sich schon dadurch andauernd mit sich selbst beschäftigen müssen. Als Sarastro seine Arie „In diesen heiligen Hallen“ singt, lehnt Pamina (zu wenig fokussiert: Anna Gillingham) ihren Kopf an seine Schulter. Und statt durch Feuer und Wasser schreiten Tamino und Pamina am Ende einmal durch die nun miteinander verbundenen Türme und passieren neben dem traurigen Monostatos (spielstark: Karl-Heinz Brandt) auch alle anderen Figuren der Oper. Der Blick zurück weicht einem lichten Aufbruchsgefühl.
Nächste Vorstellungen: 3./5./ 8./10./16./31. Januar 2016, Theater Basel.
Georg Rudiger