Das Musical „Ein Käfig voller Narren“ am Theater Basel rockt, berührt und zeigt Haltung
Aus der Mottenkiste ins pralle Leben
Den Welthit „I Am What I Am“ hört man in der Version von Gloria Gaynor noch auf Ü-40-Partys. Und das 1983 am Broadway uraufgeführte Musical „Ein Käfig voller Narren“, aus dem der Song stammt, wird meist in Provinztheatern gespielt, wo Männer in Frauenkleidern à la Charleys Tante für garantierte Lacher sorgen. Nun ist das Stück am Theater Basel zu sehen.
Der junge Berliner Regisseur Martin G. Berger holte „Ein Käfig voller Narren“ am Theater Basel aus der Mottenkiste, gemeinsam mit Dirigent Thomas Wise, der mit dem Freiburger Nikolaus Reinke die Songs für eine zehnköpfige Band neu arrangiert hat, erweckte er es zu prallem Leben. Dabei setzt Berger mit seiner Kostümbildnerin Esther Bialas nicht nur auf einen hohen Glamourfaktor, sondern begibt sich auch auf die Suche nach den Schattenseiten der Figuren.
Schon die erste Szene fasst beides ins Bild. Während im Hintergrund die Show im Club „La cage aux folles“ läuft, liegt Albin vorne auf dem Bühnenboden. Eigentlich sollte der Lebensgefährte von Clubbetreiber Georges (mit Goldkette, Schnauzer und viel Präsenz: Burgschauspieler Roland Koch) als Travestiestar Zaza auftreten, aber er fühlt sich von seinem Partner zu wenig beachtet. Mit nacktem Oberkörper, Mieder und schütterem Haar präsentiert sich diese Zaza in der Midlife Crises.
Stefan Kurts grandiose Interpretation dieser Rolle beginnt im Zerbrechlichen. Mit dem Kostüm verändert sich die Figur. Herrlich, wie er die Zuschauer, seine „Basler Leckerli“, mit genüsslichen Zoten aus der Reserve lockt, bevor er dann in vollem Ornat und „Lesbentaille“ ins Parkett geht und auf Schwyzerdütsch den direkten Kontakt sucht. Unterstützung bekommt er dabei von den schrillen „Les Cagelles“, die zu den peitschenden Klängen der Band über die Sessel des Zuschauerraums steigen.
„Ich bin was ich bin“ beginnt diese vielschichtige Zaza ganz ruhig und unbegleitet, ehe Akkordeon und Klarinette ein wenig Halt bieten. Die Cagelles-Band unter der Leitung des famosen Thomas Wise unterfüttert diesen Welthit allmählich mit Groove, beschleunigt das Tempo und dreht orchestral auf. Aber auch die überarbeiteten, perfekt getimten Dialoge beleben die Geschichte und schaffen die Verbindung zwischen Tragik und Komik. Karl-Heinz Brandts Kammerzofe Jacob mit rheinischem Akzent ist der Knüller.
Max Rothbart gibt den heiratswilligen Sohn Jean-Michel als sensiblen Draufgänger. Myriam Schröder ist eine nicht unsympathische leibliche Rabenmutter, Liliane Amuat als Anne Dindon eine quirlige Braut. Dass ihr Vater Edouard Dindon Funktionär der „Partei für Tradition, Familie und Moral“ ist, erschwert die Lage und gibt Regisseur Martin G. Berger die Gelegenheit, das Stück mit eingeschobenen Videosequenzen zu aktualisieren (Video: Jonas Alsleben) und ihm am Ende noch ein politisches Statement mitzugeben.
Die für das Kennenlernen der Eltern züchtig umgebaute Wohnung mit Holztäfelung und Kruzifix an der Wand ist nämlich selbst ein gläserner Käfig (Bühne: Sarah-Katharina Karl). Hier brilliert Stefan Kurt im Dirndl als Jean-Michels Mutter. Sie wird bei ihrem Lied wie im Musikantenstadl vom rechtspopulistischen Brautvater am Akkordeon begleitet, was seine Frau Marie (schön verklemmt: Nicola Kirsch) frustriert und ihre Handtasche abfeuern lässt.
Als die Tunten das Abendessen sprengen, fallen auch die Glaswände. Zum großen Finale tanzt Edouard Dindon selbst mit Perücke und rosa Glitzerkleid – als „Geste gegenüber den homosexuellen Wählern“ – um dann aber gegen homophobe Muslime zu hetzen. Für so jemanden ist nun wirklich kein Platz im Käfig der Narren, so dass Dindon schimpfend das Basler Theater verlässt.
Was: Musical „Ein Käfig voller Narren“
Wann: 6./12./18./28. Januar 2019, 5./17. Februar 2019
Wo: Theater Basel, Grosse Bühne, Elisabethenstr. 16, 4051 Basel
Web: www.theater-basel.ch
Bildquellen
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