Kunst

Das Museum für Neue Kunst in Freiburg sucht die Liebe in der zeitgenössischen Gegenwart

Die „Familienporträts“ von Maria Mavropoulou setzen gleich am Anfang des Ausstellungsparcours die Atmosphäre von „Modern Love (or Love in the Age of Cold Intimacies)“. Es sind Interieurs, die lediglich von Smartphones, Tablets und Laptops beleuchtet werden. Ganz selbstverständlich liegen sie neben Wasser- und Weingläsern, Suppenschüssel und Teller. Mehr sieht man auch kaum, der Rest, versinkt im Schwarz. Und natürlich sind diese Fotografien menschenleer. Es scheint als ob die Geräte ihre eigene Familie gegründet hätten. Die Art der Intimität ist zweifellos recht kühl.
Kuratorin Katerina Gregos hat den Untertitel ihrer Ausstellung Eva Illouz‘ Buch „Gefühle in Zeiten des Kapitalismus“ entlehnt (im Original: Cold Intimicies). Ganz stimmt es also nicht, dass die Liebe im zeitgenössischen theoretischen Diskurs, wie sie in ihrem einleitenden Aufsatz anführt, keine Rolle spielt. Die Ausstellung ist in Kooperation mit der Kunsthalle Tallinn und dem Festival IMPAKT, das in Utrecht stattfindet, entstanden. Gregos, die in Brüssel lebt, hat 2015 den belgischen Pavillon auf der Biennale von Venedig kuratiert, vor zwei Jahren war sie für die erste Riga-Biennale verantwortlich. Das erklärt nicht unbedingt eine ausgesprochen technikaffine Werkauswahl, die vor allem den Ausstellungstitel bestätigt. Viele der Arbeiten, die in Freiburg jetzt gezeigt werden, thematisieren oder laufen auf jenen Medien, die die Schau für die Gefühlskälte verantwortlich macht. Das bedingt eine große Ähnlichkeit, so dass man sich beim Verlassen einen Moment wundert, dass man Werke von 16 Künstler*innen gesehen hat. Die Ästhetik ist leicht unterkühlt, clean, perfektionistisch. Viel ist von Befreiung und Erlösung die Rede, auch wenn man sich fragt, von welchen Körpern und welchen Zwängen.
Laura Cemin bietet in ihrem „4-minute warm up“ eine Art Tutorial, wie man sich in dieser Welt gut alleine einrichten kann. Die Protagonistin dieses Videos trägt erst eine Creme aufs Gesicht auf, die die Haut erwärmt, macht dann ein kurzes Workout, misst ihre Körperwerte bevor sie sich ins Bett legt. Die fehlende Nähe eines Partners wird durch eine Heizdecke sublimiert. Und selbstverständlich sieht die Wohnung der jungen Frau aus als sei sie aus einem Einrichtungskatalog. Und natürlich ist diese Arbeit ein Plädoyer für unmittelbare menschliche Nähe, die eben durch nichts ersetzt werden kann. Im gleichen Raum läuft der Film „Liberdade“, der auf eine Zusammenarbeit von Gabriel Abrantes und Benjamin Crotty zurückgeht. Die Liebesgeschichte zwischen einem jungen Angolaner und einer Chinesin ist in der Hauptstadt Luanda gedreht, die auf pittoreske Weise den Niedergang bebildert. Er lebt in einer Bauruine, die zugleich eine illegale Müllhalde zu sein scheint, einmal macht das Paar einen Ausflug zum Schiffsfriedhof Santiago, wo Frachter vor sich hinrosten und von Jugendlichen abgefackelt werden. Die Geschichte ist schön anzusehen, aber voller Abgründe. Dass die Familie des Mädchens in Luanda lebt, hat viel mit der neuen Seidenstraße und dem chinesischen Kolonialismus zu tun und er überfällt eine Apotheke, um an Viagra zu kommen. Für sich selbst. Es ist vieles in dieser vermeintlichen Idylle dysfunktional.
Viele der Arbeiten befassen sich mit Dating-Apps und der Selbstoptimierung, die mit ihrer Nutzung anscheinend zwangsläufig einhergeht. Das ist mal lustig, wenn Lauren Lee McCarthy sich von Zeitarbeitern synchron durch Dates losen lässt. Marijke De Roover hat eine ganze Quarantäne-Serie geschaffen, die viel von Sehnsüchten und Projektionsflächen erzählt und die Situation ins Ironische wendet. Da wird die sorgfältig konstruierte Tinder-Bio ebenso erwähnt wie die heißen Fotos, die jedoch schon ein paar Jahre zurück liegen. All das ist nicht aus der Welt, doch ähnlich einseitig wie eine rosarote Sicht auf die Liebe.

Modern Love (or Love in the Age of Cold Intimacies). Museum für Neue Kunst, Marienstr. 10a, Freiburg. Di-So 10-17 Uhr, Do 10-19 Uhr. Bis 7. März 2021.

Bildquellen

  • Hannah Toticki Anbert, Touch Screen Protection Rings, Silver version (2019): Modern Love