Theater

Das Leben proben

Amélie Niermeyer inszeniert für das Theater Basel Max Frischs „Biografie. Ein Spiel“

Claudia Jahn und Florian Müller-Morungen ©Judith Schlosser

Proben, so kann man im Programmheft nachlesen, haben Max Frisch fast immer fasziniert, Aufführungen des Öfteren gelangweilt. Mit „Biografie. Ein Spiel“ hat der Schweizer Autor ein Stück ganz nach seinem Gusto geschrieben. Der Verhaltensforscher Hannes Kürmann verhält sich zu seinem Leben wie ein Schauspieler zu einem Drama, bekommt er doch die Möglichkeit, seine Biografie in den entscheidenden Wendepunkten zu ändern. Das mag ihn nicht ernsthaft über seine Krebserkrankung hinwegtrösten, doch kann ihm im besten Fall sieben Jahre zurückbringen. Es ist die Zeitspanne, die er mit seiner zweiten Ehefrau Antoinette verbracht hat. Die Ehe ist den beiden nicht geglückt, das Paar steht vor der Scheidung.

Im Schauspielhaus des Theater Basel haben Regisseurin Amélie Niermeyer und Bühnenbildner Florian Etti für das Lebensmodell im Konjunktiv ein Setting gewählt, das an ein zum Raum gewordenes Spielfeld erinnert. Das Publikum sitzt einander in zwei Blöcken auf der Längsseite gegenüber. In Reihen ist jeweils ein roter Ball auf einem Draht aufgezogen, sie sind in der Höhe verstellbar und markieren das Alter Kürmanns. Dazwischen stehen rote Sessel in verschiedenen Ausführungen. Wären da nicht die beiden Tonbänder, die Atmosphäre gliche einem Wartesaal. Doch als das siebenköpfige Ensemble zu elektronischen Beats in karierten violetten Anzügen und Hüten auf die Bühne einzieht, fühlt man sich an die Reise nach Jerusalem erinnert – im abgesicherten Modus, denn es ist kein Stuhl zu wenig.
Und in dieser Komfortzone findet auch die Inszenierung des ersten Zusammentreffens von Kürmann und Antoinette statt. Man feiert Kürmanns Beförderung und Antoinette (Claudia Jahn, Joanna Kapsch), eine elegante Erscheinung in pinkfarbenem Overall und mit langen rotblonden Locken ist um zwei Uhr morgens der letzte Gast (Kostüme: Kirsten Dephoff). Bleibt sie, ist es um die beiden geschehen, geht sie, dann hat Kürmann eine Biografie ohne Antoinette. Regisseurin Amélie Niermeyer hat die Figuren vervielfältigt. Bis auf Martin Hugs Kürmann, der selbst in dieser Probensituation kein waghalsiger Spieler, sondern ein Zauderer ist. Und so endet die Szene immer wieder im Kuss. Fahrig, immer ein bisschen überfordert bewegt Kürmann sich in seinem Leben wie in einem fremden Raum. Auch der Registrator tritt in Basel in Teamstärke an. „Denken Sie jetzt nicht an Ihre Haushälterin“, herrscht ihn Christiane Rossbach an, Andrea Bettini bemängelt zu viel Körperkontakt beim Helfen in die Jacke und Ilja Niederkirchner rhythmisiert am Tonband das Spiel und gibt akustische Stichworte. Während Florian Müller-Morungen kurzerhand Kürmanns erste Frau gibt, die Selbstmord beging, dann einen Schulkamerad, der wegen ihm ein Auge verlor.
Die Inszenierung erzählt von unserem Verharrungsvermögen gegenüber unseren Fehlern, alles könnte revidiert werden, doch Kürmann bleibt sich gleich. Frisch und mit ihm Amélie Niermeyer vermitteln in „Biografie. Ein Spiel“ einen sentimentalen Umgang mit dem eigenen Leben. Das ist über weite Strecken amüsant, hat durch die ständigen Wiederholungen fast zwangsläufig Längen. Als Frischs Stück 1968 Premiere in Zürich feierte, wird der libertäre Charakter der Beziehungen ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Heute sind uns Frischs provisorisch anmutende Identitäten womöglich sogar näher. Doch wenn am Ende die roten Kugeln auf den Bühnenboden fallen und  als Schlusspunkt das Spiel besiegeln, ist dies eindeutiger als sich die Inszenierung bis dahin gab.
Weitere Vorstellungen: 3./13./