Kunst

Das Kunstmuseum Thun widmet sich in zwei Ausstellungen den textilen Werken von Gunta Stölzl, Johannes Itten und Sophie Taeuber-Arp

Bereits 2020 zeigte das Kunstmuseum Thun eine Ausstellung zum Frühwerk des gebürtigen Berner Oberländers Johannes Itten. Nach einer Lehrerausbildung studierte er bei Adolf Hölzl in Genf und Stuttgart, gründete in Wien mithilfe von Agathe Mark-Kornfeld eine private Malschule in Wien und lernte über Alma Mahler Walter Gropius kennen, der ihn 1919 ans Bauhaus nach Weimar berief. Sein Verdienst da war die Einrichtung eines Vorkurses, der für alle Studierenden Pflicht war. Form und Farblehre wurden seine Schwerpunkte. Nach Konflikten mit dem Bauhausleiter Gropius zog er 1923 nach Zürich-Herrliberg, wo er in die Mazdaznan-Tempel-Gemeinschaft eintrat. Mit Hilfe seiner ehemaligen Schülerin Gunta Stölzl gründete er die Ontos-Werkstätten für Handweberei und Teppichknüpferei. „Klar ist, dass Itten keinen einzigen der von ihm entworfenen Teppiche selbst geknüpft oder gewebt hat. Diese Feinarbeiten überliess er Mila Hoffmann-Lederer, Lucia Stehen und bis 1924 Gunta Stölzl“. Werke, wie die Gesamtkomposition „das Velum“, hier in Bleistift und Gouache von 1938, waren ursprünglich für die Decke des Stedeljk Museum in Amsterdam gemalt.

Gunta Stölzl: „Getürmt“ © David Aebi

Die seit 17 Jahren erfolgreich im Thunerhof waltende Direktorin des Kunstmuseums Thun Helen Hirsch hat für die beiden Ausstellungen Christoph Wagner aus Regensburg, der aktuell das Werkverzeichnis zu Johannes Itten betreut, als Cokurator hinzugeholt. In den groβzügig gebauten neun Sälen und zwei Gängen der repräsentativen Villa, werden rund 200 Werke „Textiles Universum“ gezeigt. Das Entleihen von Textilien gehört zu den fragilsten Vorgängen in einem Museumsbetrieb. Das Material ist heikel, die Leihbedingungen streng. So hat das Bauhaus-Archiv in Berlin derzeit einen Ausleihstopp verfügt. Nichtsdestotrotz gelang es der engagierten Direktorin und ihrem Team eine stattliche Anzahl Webarbeiten, Teppichentwürfen, Dekorationsstoffen, Wandbehängen, Druckstoffen sowie einige Kleider auszuleihen. Gunta Stölzl, 1897 in München geboren, besuchte 1914-19 die Königliche Kunstgewerbeschule, musste 1917/18 als Rot-Kreuzschwester Kriegsdienst leisten. 1919 immatrikulierte sie sich im „reichlich verwahrlosten Bauhaus“ in Weimar, wo die Malereiklasse vorerst renovierte. „Itten übte große Anziehungskraft aus … am Boden hockend, das Skizzenbuch auf den Knien, … zeichneten wir mit Kohle oder Bleistift: Rythmen-Material-Pflanzliches …“. Am Bauhaus und in der Stadt war es „übervoll mit Erlebnissen, Begegnungen, Freundschaften, die Jahrzehnte überdauerten“, so Stölzl. Seit 1921 leitete Georg Muche die Weberei, 1926 übernahm Stölzl als einzige Frau unter 13 Männern die „Weiberklasse“. Sie verdiente weniger als die Kollegen, durfte sich nicht Professorin nennen und hatte als Frau kein Anrecht auf eine Pension. Die Webereiklasse war jedoch die einzig wirtschaftlich profitable im Bauhaus. MuseumsbesucherInnen finden, nach der kleinen „Landi-Tasche“, die gut für den Nationalstolz der BesucherInnen der Zürcher Landeskunstausstellung 1939 war, im ersten Saal die minutiös in Beigetönen abgestimmte Textilarbeit Stölzls „Überwurf mit Fransen“, 212 x 183, 5 cm gross, von 1923. Sie liegt inmitten des Raumes in einer, eigens gefertigten und mit Glas bedeckten Vitrine. An den Wänden ringsum hängen Zeichnungen und Malereien von G. Stölzl aus der Zeit des Vorkurses im Bauhaus sowie Farb- und Formkompositionen von Johannes Itten. 1931 kündigte Stölzl wegen antisemitischer Angriffe ihr Stelle im Bauhaus. Sie war mit dem jüdischen Architekten Arieh Sharon verheiratet, hatte eine Tochter mit ihm. Er wanderte nach Palästina aus, wo er „zum Architekturvater“ Israels reüssierte. Stölzl und Tochter emigrierten in die Schweiz. Mit den ehemaligen BauhauskollegInnen Gertrud Preiswerk und Otto Hürlimann gründete Stölzl das Handweberei-Unternehmen S-P-H Stoffe in Zürich, wird Mitglied des SWB (Schweizerischen Werkbundes) und führt ab 1937 die Handweberei Flora. Diese erhält bis in die 1960er Jahre Aufträge Schweizer Einrichtungsfirmen wie Wohnbedarf. 1939 wird Stölzl Mitglied der SGBK mit ausschliesslich weiblichen Mitgliedern. (Das männliche Pendant GSMBA nahm keine Frauen auf). Erst 1942 wird sie durch Heirat mit Willy Stadler zur Schweizerin und zum 2. Mal Mutter einer Tochter. Wunderschöne Stoffe, ein Paradies vieler Farben und Formen in unterschiedlicher Präsentation: liegend, hängend und schräg, in verschiedenen Techniken gefertigt, erwartet Interessierte. Begriffe wie „Flachgewebe“, „(Schlitz)gobelin, „Knüpfteppich“ „Spanngewebe“ und mehr bleiben dabei im Raum hängen. Dazu szenografische Hintergrundtapisserien von Annina Arter in kräftiger Ausführung. Hervorgehoben sei der buntfarbige Jacquard Wandbehang von 1928, der 2021 von Katharina Jebsen nachgewebt wurde, ein Augenschmaus der Farben und Formen.
Im Kabinett werden frühe Arbeiten der „Textilreformerin Sophie Taueber“ gezeigt. Darunter das Projekt „Klöppelindustrie“ von 1915 mit neu entworfenen Mustern. Dazu Fotografien von fleissig über der Arbeit gebeugten Köpfen und Schultern. Die Frauen im Lauterbrunnental erwirtschafteten mit dieser Feinarbeit mehr Einkommen.

Gunta Stölzl und Johannes Itten. Textile Universen. Sophie Taueber. Textilreformerin. Kunstmuseum Thun, Thunerhof, Hofstettenstr. 14. Bis 01.12.24

Bildquellen

  • Gunta Stölzl: „Getürmt“: © David Aebi
  • Sophie Taeuber-Arp mit Dadakopf: © Nic Aluf