Das dicke Ende
Am Theater Basel wurde Lukas Linders Komödie „Der Revisor oder Das Sündenbuch“ uraufgeführt
Lukas Linder übernimmt in seiner Komödie nur das Grundgerüst von Nikolai Gogols „Revisor“ und behandelt dieses wie eine Travestie. Die Kleine Bühne des Theater Basel wird zu einer Ideal-Schweiz mit einem schematischen Alpenpanorama, in der sich die Dorfbewohner gegen alles Fremde abschotten wollen.
Nur zur Erinnerung: Nikolai Gogols „Revisor“ ist jenes Stück, in dem ein abgebrannter junger Mann mit einem Revisor verwechselt wird, der die Stadtfinanzen überprüfen soll. Es gibt hinreichend Gründe diesen zu fürchten, denn die Stadtoberen sind korrupt. Der vermeintliche Revisor lässt sich aushalten, am Ende wird er den Bürgern mit einem Brief die lange Nase zeigen. Das dicke Ende kommt dann noch – als der wirkliche Revisor vor der Tür steht.
Lukas Linder hat von diesem Plot nur das Grundgerüst belassen und wird es in seiner Komödie „Der Revisor oder Das Sündenbuch“ wie eine Travestie behandeln. In Cilli Drexels gut zweistündiger Uraufführung ist Nöthli (Vincent Glander) Linders Revisor, der mit dem Tages-Generalabonnement in einem Schweizer Dorf strandet, in dem der Frauenchor bevorzugt auf „ojemine“ singt (Musik: Elia Rediger). Dort hat man den Fremden längst erwartet, besser befürchtet, schließlich hält man ihn für einen Flüchtling. Dabei trägt Nöthli seinen Namen nicht umsonst, eigentlich ist er einer von ihnen, vielleicht ein wenig weltgewandter.
Die Dorfbewohner wiederum wären den vermeintlichen Flüchtling gern so schnell wie möglich wieder los und schildern ihr Dorf in den schlimmsten Farben. Im Detail wiederum vermerkt Nöthli all diese Versäumnisse in seinem Notizbuch. Dabei ist das Dorf eigentlich so reich wie pittoresk.
Christina Mrosek hat in die Kleine Bühne eine Ideal-Schweiz mit einem schematischen Alpenpanorama gebaut, das ein wenig an ein dreihöckriges Kamel erinnert und dessen Türen mal die gute Stube des feisten Gemeindepräsidenten Obermoser (Andrea Bettini), mal das mit überdimensionierten Tapetenblumen dekorierte Gastzimmer Nöthlis verbergen. Weiter unten auf dieser abfallenden Bühne ist der Zivilschutzkeller eingelassen, in dem Arnulfi (Thomas Reisinger) eine bizarre Puppensammlung verwahrt.
Diese Schweiz hat sichtlich parodistische Qualitäten. Obermosers Tochter Kloe (Franziska Hackl) spielt im rosa Kleidchen zu Ehren des Fremden ein Blockflöten-Ständchen, das so schlecht ist, dass sie heulend die Szene verlassen wird. Später werden sie und ihre Mutter (Katja Jung) sich darüber streiten, wer von beiden Nöthli in seiner Stube besuchen darf, er selbst ist längst eingeschlafen. Der Fremde ist da auch nicht besser als die Männer im Dorf.
Der Basler Autor, der 1984 in Uhwiesen im Kanton Zürich geboren wurde, hat über eine von Ressentiments geprägte Schweiz geschrieben, an der sich viele seiner Generation abarbeiten. Doch ein Gegenbild ist auch Nöthli nicht, der pedantisch jede verstimmte Kirchenorgel in sein Sündenbuch einträgt und irgendwann kippt der zeitkritische Spaß und aus der Komik wird etwas, das ebenso wenig subtil ist wie die Abschottungen der Dorfbewohner gegen alles Fremde. Denn dann werden die Biedermänner zu Brandstiftern und werden nicht aufhören bis der Fremde am Marterpfahl verendet.
Weitere Vorstellungen: 3./ 15./18./28. und 31. Dezember, Kleinen Bühne des Theater Basel.
Annette Hoffmann