Das Cargo-Theater mit “Als ich fliegen konnte” im E-Werk
Tiefenpsychologische Reise à la “Alice im Wunderland”
Nichts als ein rustikaler Kleiderschrank steht im nachtblauen Halbdunkel auf der Bühne des Kammertheaters im Freiburger E-Werk. Linkerhand eine Holzbretterbude, in der Carla Wierer während des neuen Cargo-Stückes „Als ich fliegen konnte“ das Geschehen mit Live-Musik, Geräuschen, Klängen und Rhythmen stimmungsvoll begleiten wird.
Zu ihrem melancholischen Trompetensolo kramt nun ein kauziger Alter (Stefan Wiemers) mit steifen Trippelschritten das Papiermodell einer Stadt hervor, der Wind saust und ein Figürchen mit winzigem Regenschirm schaukelt durch die Luft. Wenig später wird dieser Fremde (Samuel Kübler) als einziger Gast in einem seltsamen, Schneesturm umtosten Berghotel landen, sich tief in Fantasien, Träumen und Ängsten verlieren und schließlich einer lang verdrängten Schuld begegnen.
Ein surreales Setting, das mit seiner düsteren Melancholie und seinen grotesken Szenen an die Vorgängerproduktion „Das finstere Tal“ erinnert, inhaltlich eine Art tiefenpsychologische Reise à la Alice im Wunderland bietet.
Regisseur Mark Kingsford hat für diese Koproduktion mit Longnose Production Zürich in Zusammenarbeit mit dem E-Werk Freiburg und dem Vorstadttheater Basel ein mutiges Konzept gewählt: Er setzt auf radikale Reduktion, verzichtet fast ganz auf Text und auf Dialoge, bietet stattdessen starke Bilder und lässt Samuel Kübler und Stefan Wiemers vor allem pantomimisch interagieren. Überraschende Perspektivenwechsel, originelles Objekttheater und großartiges Schauspiel – all diese Gütezeichen des Cargo Theaters sind da bei dieser Inszenierung, die dann aber leider doch nicht funktioniert. Das liegt an der Geschichte, der es trotz vieler sehr poetischer Sequenzen an einem roten Faden und damit an Spannung fehlt. Sie bleibt blass, allgemein und auch etwas pathetisch.
Ein „Belegt“-Schild packt der Alte auf den Tresen jenes einsamen Hotels, in das sich der Flieger gerade gerettet hat. Der Weg zu seinem Zimmer gleicht einem Höhlenlabyrinth durch viele Schranktüren, immer wieder irritiert ihn Stimmengewirr von irgendwoher, allein im Frühstückssaal kauert er dann auf einem Puppenstubenstuhl und löffelt flambierten Wabbelteig. Wenig später kracht er metertief durch den Boden, stürzt in Meereswelten, findet einen Grabstein und sich selbst mit Bergsteigerseil auf einem verschneiten Bergkamm wieder. Er kämpft und verliert: Ein verzweifelter Schrei, sein Freund stürzt ab. Es folgt eine kafkaeske Gerichtsverhandlung, Bücher lassen sich nicht einfach zuklappen und aufräumen, sondern entwickeln widerspenstiges Eigenleben und ziehen den Verzweifelten wie von Geisterhand in den Schrank. Am Ende wird dieser Schrank zum Boot, in dem der Reisende sich entfernt.
Happy End? Vergebung und Frieden? Man weiß es nicht, bleibt doch vieles hier eine Aneinanderreihung von Traumsequenzen und Assoziationen, durch die man sich intuitiv und zunehmend angestrengt rätselt, ohne wirklich gepackt zu werden.
Weitere Termine: 3. März, 21 Uhr und 4. März, 20.30 Uhr, E- Werk Freiburg.
Marion Klötzer