Daniel Foerster inszeniert Rainald Goetz‘ „Krieg“ am Theater Freiburg
Der Krieg beginnt und endet im Kopf
Selten werden werden alle drei Teile von Rainald Goetz‘ Drama „Krieg“ aufgeführt. Nicht so in der Inszenierung des jungen Regisseurs Daniel Foerster am Theater Freiburg. Mit dabei: Harald Juhnke, Bubi Scholz, Martin Heidegger und einige Soldaten.
Dass Künstlerexistenzen als Patriarchen geradezu mit Bravour versagen können, weiß man in der deutschsprachigen Theaterlandschaft spätestens seit Thomas Bernhard. Der Vater (Henry Meyer) in Rainald Goetz‘ „Krieg“ mag vier Kinder gezeugt haben, als Künstler jedoch ist er impotent. Seit 30 Jahren bringt der früher als Schlachtenmaler erfolgreiche Künstler kein Bild mehr zustande.
Sozusagen als Kompensation tyrannisiert er im herrschaftlichen Fellmantel und mit verrutschter Krone seine Familie. Vielleicht ist aber auch eine psychische Erkrankung der Grund für die doppelte Malaise des künstlerischen Burnouts und einer Familie, die sich im Dauerkrisenmodus in eine Bungalowbox drückt. Am Ende jedenfalls steht die Einlieferung in die Psychiatrie. Nicht umsonst hat der Autor seine medizinische Doktorarbeit über ein psychiatrisches Thema geschrieben.
Im Theater Freiburg hat sich der junge, 1986 geborene Regisseur Daniel Foerster entschieden, Goetz‘ dreiteiliges Stück umzustellen. Foerster folgt nicht der Goetzschen Kriegserklärung, obgleich diese Sinn ergibt, denn erst richtet sich diese an die Gesellschaft, dann an die Familie und am Ende gegen das Individuum, das sich sozusagen selbst den Krieg erklärt. Er sieht in der Familie die Keimzelle der Gewalt und startet daher mit dem Mittelteil.
Lydia Huller und Robert Sievert haben in das Kleine Haus einen dreidimensionalen Rahmen gebaut, der für so viel Elend immer schon zu winzig ist. Als ob jemand hier „Reise nach Jerusalem“ spielen würde, rennen die Mutter (Anja Schweitzer) und die vier Kinder (Thieß Brammer, Martin Hohner, Stefanie Mrachacz, Rosa Thormeyer) wie aufgescheucht in dieser Raufasertapetenhölle herum bis sie sich neu unter das Dach krümmen. Man trägt 80er Jahre Schulterpolster, Grün in verschiedenen Schattierungen und Topffrisur. Der gescheiterte König sieht sich als „Radikalreduktionist“, er spricht von „Elternschaftsdummheit“ und „Abendlichtverzweiflung“. Die 80er Jahre und Goetz‘ Stück wurde 1987 uraufgeführt, waren eben nicht allein die Jahre des Waldsterbens, sondern auch von Thomas Bernhard.
Nicht grundlos wird Rainald Goetz‘ Drama „Krieg“ selten komplett gespielt. Tatsächlich ist Foersters Inszenierung erst das zweite Mal. Goetz‘ Stück eint eher ein Zustand der Dauererregung, als dass sich ein roter Faden durch die drei Teile zöge. Also Szenenwechsel: die Gesellschaft im Krieg mit sich selbst – wobei, Gesellschaft?! Das meint, dass rechts Harald Juhnke und Bubi Scholz als Kunstfiguren mit Hilfe von sehr viel Alkohol sehr larmoyant werden dürfen, werden sie dann noch sentimental, beklagen sie das traurige Los der getöteten Helga. Des Weiteren treten auf: Heidegger und einige Soldaten. Das hat schon sehr viel von Männerbündelei. Foerster hat das Ensemble auf eine schwarze Tribüne gesetzt, von der dieses in Richtung Publikum schaut. Goetz‘ Text treibt keine Handlung voran, er ist Handlung und Figur zugleich und vor allem eine Geste des Aufruhrs. Mehrfach wird „Sieg Heil“ gerufen, woraus dann doch – glücklicherweise ‒ nichts hervorgeht. Da wird viel Bier getrunken und wenig beschlossen oder gar geschossen.
Gleich drei Kästen Bier transportiert im letzten, „Kolik“ überschriebenen Teil Martin Hohner mit einer Sackkarre auf die Bühne. Er wird nur wenige Flaschen öffnen und jeweils nur nippen. Dieser Mann in weißem Hemd und schwarzer Hose ist niemand, der sich um die Besinnung bringen will. Martin Hohners Monolog ist geradezu choreografiert. Hohner füllt den Raum, er kippelt mal vor sich hin, dann sitzt er auf der linken Seite. Immer mal wieder wird er Worte und Sätze in das Mikro sprechen und sie abspielen, so dass chorische Elemente in den Monolog eingebunden sind.
Der Mann, der auf Widerspruch gebürstet ist, rauft sich die Haare, läuft zwischen den Podesten hin und her, einmal reißt er die Tür zur Straße auf. „Denken muss denken“, sagt er da, und „Denken denkt nichts als Tod. Der Denkende aber lebt“. Aus diesem Widerspruch gibt es kein Entkommen. Es ist aber diesmal ein produktiver. Der schlankeste Teil dieses Abends, mit dem man über die zwei Stunden nicht so recht warm wird, ist dann der stärkste Part.
Annette Hoffmann
Weitere Vorstellungen: 20. und 27. Mai im Kleinen Haus des Theater Freiburg.
www.theater.freiburg.de