Theater

Dani Levy verhebt sich in Basel an der „Dreigroschenoper“

Nichts Halbes und nichts Ganzes

Das unterhaltsame wie umjubelte Stück leidet unter einem Zuviel an Einfällen und einem Zuwenig an Fokussierung, findet Georg Rudiger.

Paula Hans, Thiemo Strutzenberger und Pia Händler in der "Dreigroschenoper" am Theater Basel. (©Sandra Then)
Paula Hans, Thiemo Strutzenberger und Pia Händler in der „Dreigroschenoper“ am Theater Basel. (©Sandra Then)

Er hätte keine Idee zur „Dreigroschenoper“, sagt Dani Levy im Gespräch mit Dimitri alias Michael Wächter im Videoblog des Basler Theaters. „Ich finde es ganz wichtig, dass uns noch was einfällt“ meint der bekannte Film-Regisseur mit gespieltem Ernst – zwei Tage vor der Premiere. Dabei mangelt es Levy bei seiner ersten Musiktheaterregie nicht an Ideen. Das Problem dieser durchaus unterhaltsamen, heftig umjubelten Produktion ist eher das Gegenteil: Ein Zuviel an Einfällen und Brechungen. Und ein Zuwenig an Fokussierung und an Arbeit im Detail.

Dani Levy hat für die Basler „Dreigroschenoper“ eine Rahmengeschichte erfunden. Das Stück spielt in einer Psychiatrie, in der Kapitalisten gestrandet sind. Die Protagonisten werden mit Foto von der japanischen Klinikdirektorin (Nahoko Fort-Nishigami) und ihrem Oberarzt (Gen Seto) vorgestellt – die Symptome reichen von Asperger-Syndrom bis zur Zwangsstörung im hygienischen Bereich. Als Therapie wird Theaterspielen verordnet. Und so bekommen die Patienten zu Kurt Weills Ouvertüre von Krankenschwestern ihre Kostüme angelegt, die durch die überlangen Ärmel an Zwangsjacken erinnern (Kostüme: Jana Findeklee, Joki Tewes).

Eigentlich wollte der Regisseur auch während des Stücks Elemente der Rahmengeschichte einfügen, aber das hat die Kurt-Weill-Foundation untersagt. Das zurechtgestutzte Konzept nun ist nichts Halbes und nichts Ganzes, weil die Brechung der Figuren nicht konsequent durchgezogen wird, sondern nur noch punktuell entsteht, wenn etwa Florian Jahr die Texte seiner verschiedenen Figuren (Erzähler, Smith, Konstabler, Filch) mit falschen Betonungen herunterleiert, als hätte er sie mehr schlecht als recht auswendig gelernt.

Auch die Moritat von Mackie Messer singt er ganz schüchtern, was dem Haifisch die Zähne zieht. Nur selten fallen die Protagonisten aus ihren Rollen. Paula Hans bekommt als Polly Peachum einen Schreikrampf, weil ihre Mutter sie nervt – und flüchtet sich in den Sitzkreis. Jonas Anders hat als Münzmatthias den einen oder anderen Tick und sagt häufig „Scheiße“, wenn er mal wieder durch den Seerosenteich latscht. Ansonsten läuft die „Dreigroschenoper“ ganz normal ab. Durch diese Inkonsequenz wird die Regieidee zu einem Gag, der sich schon bald verbraucht.

Warum diese Psychiatrie auf einer asiatischen Raumstation im Weltall liegt – mit Pavillon, japanischem Garten und Sternenhimmel (Bühne und Video: Jo Schramm) – erschließt sich nicht, zumal das Setting nur als Dekor dient. Da hält sich auch der Brecht‘sche Verfremdungseffekt in Grenzen.

Dass der kranke Thomas Reisinger als Jonathan Jeremiah Peachum seine Rolle bei der Premiere nur spielen und sprechen kann, seine Songs aber von seinem Pfleger (souverän als Einspringer: Klaus Brömmelmeier) gesungen werden, funktioniert dagegen erstaunlich gut und rettet etwas von der Inszenierungsidee. Allerdings hat die Kurt-Weill-Foundation nur für die Premiere ihren Segen gegeben.

Das spielfreudige Ensemble macht den Abend erträglich, weil es die Freiheiten nutzt, die das locker ausgeführte Regiekonzept bietet. Thiemo Strutzenberger ist ein zwischen Dandy und Cowboy angesiedelter Macheath, der kein Pathos scheut und auch gesanglich eine gewisse Noblesse zeigt. Ingo Tomi macht aus Polizeichef Brown einen Sonderling ohne jede Autorität. Dass die Huren von Spelunkenjenny (Myriam Schröder) als Geishas verkleidete Männer sind, sorgt für den schnellen Lacher, erinnert dann aber doch zu sehr an „Charleys Tante“.

Pia Händler ist eine zwischen autistisch und durchgeknallt changierende Lucy, Cathrin Störmer eine dominante Frau Peachum mit schön tiefer Brecht-Stimme und Pluderhose. Paula Hans‘ zerbrechliche Polly schafft berührende Momente, ist aber dann doch gesanglich gerade im Falsett zu harmlos. Dass beim Barbara-Song entgegen der Partitur die Posaune die Gesangsstimme mitspielt, ist eine durchaus stimmige Hilfe, die die Basel Sinfonietta unter Johannes Kalitzke anbietet.

Überhaupt schafft die Combo in Originalbesetzung einen authentischen Brecht/Weill-Sound, der locker zwischen Tango und Foxtrott hin- und herswitcht und auch den barocken Verdichtungen wie beim dritten Dreigroschenfinale das nötige Gewicht gibt. Leider kann das Schauspiel-Ensemble den Songs keine vergleichbare Plastizität geben. Das Ende nimmt der Regisseur durchaus ernst.

Der Galgenstrick legt sich um Mackie Messer, den Grabschrift-Monolog spricht Thiemo Strutzenberger mit heiligem Ernst, das Ensemble formiert sich zum moralischen Chor. Aber auch diese Wirkung nimmt die Regie wieder weg, weil ja die Rahmengeschichte nochmals auftauchen muss. Die Krankenhauschefin verkündet den Bau von vier weiteren Kliniken im All. Dafür könne man nun Aktien kaufen. Ach was.

Georg Rudiger

Die nächsten Vorstellungen: 9./14./28.3., 19./20./26.4. Theater Basel.
www.theater-basel.ch