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Blut auf dem Brautkleid: Calixto Bieito inszeniert am Opernhaus Zürich Francesco Cavallis Oper „Eliogabalo“

Ein junger Herrscher, der anstatt zu regieren lieber seinen Sexualtrieb auslebt. Der beide Geschlechter mag, gewalttätig ist und sich auch mal als Frau verkleidet, um im von ihm gegründeten Frauensenat das nächste Liebesabenteuer klar zu machen, ehe er am Ende seines wilden Treibens getötet wird. „Eliogabalo“ von Francesco Cavalli ist genau der richtige Stoff für Calixto Bieito, könnte man meinen. Der katalanische Regisseur mag es gerne drastisch auf der Bühne und kann an guten Tagen Emotionen schmerzhaft zuspitzen. An schlechten sorgt seine permanente szenische Eskalation allerdings für Langeweile. Der Premierenabend am Züricher Opernhaus gehörte leider zu letzteren.
Francesco Cavalli hatte seine Oper über den römischen Kaiser Elagabal, der im Jahr 218 als Vierzehnjähriger gekrönt wurde und vier Jahre später von Soldaten ermordet wurde, für den Karneval in Venedig im Jahr 1668 komponiert. Aufgeführt wurde allerdings der Stoff in der Vertonung von Giovanni Antonio Boretti – und Cavallis lange Zeit verschollene Oper erklang erst im Jahr 1999 in Crema. Der spärlich notierte Orchesterpart ist beim Orchestra La Scintilla unter der Leitung des Barockgeigers Dmitry Sinkovsky bestens aufgehoben. Die oft langatmigen dramatischen Rezitative werden durch das Orchester immer neu gefärbt. Mit vier Zinken, zwei Barockposaunen, Dulzian, Blockflöten, Theorbe und Erzlaute gibt es neben den Streichern viele klangliche Variationsmöglichkeiten. Leider ist diese feine Differenzierung im Orchesterpart auf der Bühne nicht zu erleben.
Yuriy Mynenko sitzt als Eliogabalo mit heruntergelassener Hose auf seinem Bürostuhl und ist mit Eritea (in der Höhe leider zu forciert: Siobhan Stagg) zu Gange. Sein Liebhaber Zotico (mit lyrischem Schmelz: Joel Williams) hat noch Pause. Dienerin Lenia (im Gouvernantenlook: Mark Milhofer) ist scharf auf den Kutscher Nerbulone (bassmächtig: Daniel Giulianini). Dazu laufen Videos – wahlweise von Zwiebel schneidenden Hausfrauen, Stierkämpfen oder Lichtern einer Großstadt. Anstatt die durchaus krasse Geschichte um den triebgesteuerten Herrscher ein wenig auseinanderzudröseln, die Ruhepunkte der Musik szenisch zu unterstützen oder die Figuren näher kommen zu lassen, macht Bieito aus den Protagonisten Karikaturen. Im Gegensatz zur Musik fehlt auf der Bühne jede Leichtigkeit. Im Senat ziehen sich die Frauen bis auf die Unterwäsche aus (Kostüme: Ingo Krügler) und liegen sich schreiend in den Haaren, ehe sich das Solistensextett, warum auch immer, Spaghetti aus Pappschachteln ins Gesicht schmiert.
Der dritte Akt startet nach der Pause mit einer subtil gestalteten Arie des Dirigenten und Countertenors Dmitry Sinkovsky. Die von Eliogabalo begehrte Gemmira (auch darstellerisch stark: Anna El-Kashem) trägt blutige Krawatten um ihren Hals und wird vom irren Kaiser vergewaltigt. Ihr eigentlicher Verlobter Alessandro (mit kräftiger, manches Mal zu scharfer Höhe: David Hansen) versucht derweil, die ihn anhimmelnde Attilia (differenziert: Sophie Junker) abzuwimmeln. Von der Decke schwebt ein Motorrad, auf dem Lenia und Zotico Spaß haben. Auch ein Stier wird als Männlichkeitssymbol vom Schnürboden heruntergelassen (Bühnenbild: Anna-Sofia Kirsch, Calixto Bieito). Am Ende sticht die wunderschön singende Beth Taylor als Giuliano Lenia und Zotico ab. Der ebenfalls musikalisch berührende Countertenor Yuriy Mynenko muss sich als Eliogabalo kastrieren, zieht sich ein Brautkleid über und landet im Käfig. Die Musik, die lebendig aus dem Orchestergraben tönt, geht dabei leider im allgemeinen Bühnengetrampel unter.

Bildquellen

  • Yuriy Mynenko als Schreckensherrscher Eliogabalo: © Monika Rittershaus