Ausstellung des BBK zu Georg Büchners „Lenz“ im Kulturwerk T66 in Freiburg
Nach der Französischen Revolution dauerte es, bis die neue Epoche mit etablierter bürgerlicher Klasse sich durchzusetzen vermochte. Manche nehmen die Julirevolution 1830 in Anschlag, andere den Vormärz in Deutschland oder die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848. Aber hernach folgten Rückschläge und ‚Verzögerungen‘ des Fortschritts: die konkurrierenden europäischen Nationalstaaten, Kolonialismus und Kriege, Monarchien, Kaisertum und Zarenherrschaft, Unterdrückung der Frauen – alles fernab von ‚Fraternité‘ und ‚Égalité‘. Das Tor zur Moderne wurde erst zwei Generationen später aufgestoßen, in den Künsten verbunden mit Namen wie: Auguste Rodin, Rainer Maria Rilke, Gottfried Benn, Georges Braque, dem frühen Picasso und Anderen – um die Wende zum 20. Jahrhundert.
Der BBK-Südbaden schrieb jetzt in der zehnten Auflage seiner Reihe „Kunst und Literatur“ einen schwierigen Text aus: Georg Büchners Erzählung „Lenz“ – früher einmal Schullektüre. Bezugspunkt ist der Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz (geb. 1751), der sich gegen den pietistischen Vater stellte, literarisch zu reüssieren versuchte, von Goethe und Anderen protegiert wurde, in Emmendingen und im Elsass sich irrend umhertrieb und scheiterte, endend im Suizid-Wunsch. Ihm setzte Büchner mit seiner Erzählung (1839) ein Denkmal – und nahm es zum Credo für bürgerliches Auflehnen gegen die Konvention. „Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, dass er nicht auf dem Kopf gehen konnte“, heißt es im Text.
Die Jury wählte Arbeiten folgender Künstler*innen aus: Waltraud Brügel, Jürgen Giersch, Andrea Hess, Klaus Hietkamp, Michaela Höhlein-Dolde, Dieter Maertens, Claudia Michel, Ludwig Quaas, Doris Ruch-Hummel, Marja Scholten Reniers, Konrad Wallmeier, Ulrike Weiss, Elisabeth Zeller.
Der Blick vorab zeigt, kein Wunder angesichts des Stoffs, viel Grau(s)es und Dunkles in den Beiträgen. Eher weniger Zukunftsperspektive. Herausstechen die keramische Zwitter-Skulptur von Ludwig Quaas (geb. 1945), das Lichtobjekt „Innenansicht“ von Konrad Wallmeier (geb. 1960) und vor allem die Textilarbeit „Leisesrot“ von Marja Scholten-Reniers (geb. 1957). Die Niederländerin präsentiert, als Einzige, eine komplett abstrakte Antwort: offenbar der einzige Ausweg aus dem Dilemma, fast ein rückprojizierter Vorgriff auf die Quadrate des Suprematisten Majakowski – wie geistreich. Gestickt ist das, man erkennt die Struktur der handwerklichen Herstellung– als hätte Lenz das in den abgelegenen Tälern der Vogesen bei den Landfrauen dort sehen können.
Das Projekt war für den Winter 2020 geplant, da hätte es jahreszeitlich auch besser gepasst. Ersonnen war es schon vor der Pandemie – welche Weitsicht! Es sprach offenbar die Stimmung der Krise und des (möglichen) Epochenumbruchs dann doch die Künstler*innen an, denn bei keiner Auflage der Serie zuvor gab es so zahlreiche Einsendungen. Gelungen ist das also, vielleicht ein wenig verkopft. Für die Zukunft wünscht man sich eine frechere, am Ende vielleicht optimistischere Text-Vorlage. Auch um Jüngere zur Beteiligung zu animieren.Der Besuch lohnt gleichwohl sehr.
„Kunst und Literatur 10: Ausgewählte Arbeiten zum Thema „Georg Büchner: Lenz“ Vernissage: 19. September, 17 Uhr, mit Einführung der Kunsthistorikerin Antje Lechleiter, begleitet durch eine Lesung des Schauspielers Ullo von Peinen. Kulturwerk T 66, Talstr. 66, Freiburg, Do, Fr, Sa 14–18 Uhr, und nach Vereinbarung. 17. September bis 16. Oktober 2021. Eintritt frei. www.t66-kulturwerk.de
Bildquellen
- Marja Scholten-Reniers: „Leisesrot“, Stickerei auf Baumwolle, 40 x 40 cm (2021).: Foto: T66