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Auf Umwegen ans Ziel: Ein Projekt der katholischen Gefängnisseelsorge schickt Insassen der JVA Freiburg in ein leuchtendes Labyrinth

Ein Labyrinth im Gefängnis? Im Rahmen eines Projekts der katholischen Gefängnisseelsorge in Freiburg wurden Gefangene in ein Labyrinth geschickt, welches die 20 Männer zuvor auf dem Boden der Sporthalle der JVA ausgelegt haben.

„Wenn ich hier rauskomme, dann nehme ich den geraden Weg“ – diesen Vorsatz hört Martin Vrana häufig von Gefangenen der JVA. Er ist seit 2018 katholischer Gefängnisseelsorger in der JVA Freiburg und führt hier mit inhaftierten Männern – wenn gewünscht – Gespräche und feiert Gottesdienste mit ihnen. „Der gerade Weg – was soll das für einer sein? An diesem Satz bin ich hängengeblieben“, so Vrana. „Lebenswege sind nun mal nicht gerade.“ Das war für ihn der Auslöser, sich mit dem Labyrinth zu beschäftigen und festzustellen: „Es gibt keinen Ort, an dem dieses Symbol besser passt als im Gefängnis!“

Das Kultursymbol Labyrinth hat eine jahrtausendealte Tradition und wird häufig mit dem Begriff des Irrgartens vertauscht, doch es gibt einen grundlegenden Unterschied: Irrgärten können auch in Sackgassen führen, Labyrinthe tun dies nicht. „Ist man im Gefängnis nun in einer Sackgasse gelandet, oder ist es doch eher ein Stück eines Weges, der wieder eine neue Wende nehmen kann?“, fragt Vrana. Für diesen Gedanken steht das Labyrinth, das der Seelsorger mit 20 Gefangenen an einem Nachmittag in der Sporthalle der JVA Freiburg auslegt. Als Vorbild dient das berühmte Pflasterlabyrinth am Boden der Kathedrale von Chartres. In der Gefängnissporthalle wird es etwas kleiner nachgebaut aus zwei Ster Holzscheiten und 1100 Teelichtern, mit einem Durchmesser von 16 Metern und ca. 700 Metern Laufweg. Schon das Legen der Pfade in gleichmäßigen Abständen wird zur gemeinsamen Meditationsübung.

Behutsam und aufeinander konzentriert gehen die Insassen den Weg gemeinsam

Der Weg durch das Labyrinth dauert seine Zeit, doch niemand versucht, sich zu beeilen: langsam bis in die Mitte und zurück. Was den Männern beim Gehen durch den Kopf gegangen ist, fragt Vrana im Anschluss. „Ich habe an meine Familie gedacht“, lautet eine Antwort. „Das nimmt ja kein Ende hier, genau wie der Knast“, eine andere.

Und dann geht es in die zweite Runde: Nun begehen alle 20 Gefangenen das Bodenlabyrinth mit den brennenden Teelichtern gleichzeitig, hintereinander, in kurzen Abständen. Es ist eine Aufgabe, die Behutsamkeit, Konzentration und aufeinandert Acht geben fordert. Sie müssen aufpassen, gemeinsam im selben Tempo zu bleiben. Symbolisch interpretiert der Gefängnisseelsorger es so: „Wir gehen diesen Weg zusammen als Schicksalsgemeinschaft im Gefängnis. Wir achten auf unseren Vordermann, damit es keine Karambolage gibt.“ An diesem Abend gibt es keine.

Bildquellen

  • Behutsam und aufeinander konzentriert gehen die Insassen den Weg gemeinsam: Foto: Katholische Kirche Freiburg