Auf Tauchkurs: Der com.dance e.V. zeigt „Yaku Samay – Atem des Wasser“ im E-Werk Freiburg
Wasser. Es gibt wohl kein zentraleres Element des Seins. Alles Leben entstammt dem Wasser. Die Ursuppe beispielsweise, eine Mischung anorganischer Substanzen, welche Leben überhaupt erst ermöglichte, bestand neben Ammoniak und Kohlenstoffdioxid aus Wasser, wie auch die ersten Lebewesen unseres Planeten im Wasser lebten, bevor sie langsam an Land krochen und das Laufen erlernten. Auch die kleine Spezies Mensch verbringt die ersten neun Monate seines Werdens im Fruchtwasser. Und wer im Bio-Unterricht aufgepasst hat, weiß, dass jeder erwachsene Mensch zu mindestens fünfzig Prozent aus Wasser besteht.
Was macht also mehr Sinn, als ein Stück über dieses flüssige Gold zu konzipieren? Die Produktion von Katja Gluding und Belinda Winkelmann hat sich mit „Yaku Samay – Atem des Wassers“ genau dies auf die Fahne geschrieben: Wasser als Metapher, um die Verbindung zwischen Mensch und Natur künstlerisch zu erforschen. Die Bühne im eWerk ist ein leerer, dunkler Raum. Eine Reihe von Spiegeln säumen den hinteren Bühnenrand und erzeugen durch ihre kaum merklichen Bewegungen ein visuelles Wellenerlebnis.
Zunächst sind da nur Tropfen, ehe die sechs TänzerInnen und ein Bewegungschor auf die Bühne steigen. Tropfen, die zu Regen werden, die zum Meeresrauschen werden, bis sich ein ganzer Ozean offenbart. Die Erde zu Urzeiten. Kein Leben an oder auf dem Land. Sich wälzende Leiber auf dem Boden, die vereinzelt und dann wieder gemeinsam schwingen, atmen, einen Rhythmus finden und dann wieder in alle Richtungen auseinanderströmen. In einem Moment ein bunter, wuseliger Fischschwarm, im Nächsten vereinzelte Meeresalgen oder Seeanemonen, die sich sanft im Wasser biegen.
Das integrative Projekt, das aus professionellen Tanzschaffenden und Tänzer*innen mit Beeinträchtigung besteht, zeigt all die unterschiedlichen Facetten, die Freiheit und das sprichwörtliche Eintauchen in einen völlig anderen, stillen Lebensraum. Kommunikation findet über den Körper, nicht über Worte statt. Hier und da eine Anordnung von Tönen, die eine Melodie bilden, doch die Sprache drückt sich über den Körper aus.
Kurze Momente der Zweisamkeit, wie das Duett von Kevin Albancando und Lisa Wethkamp in denen die Schwerelosigkeit Ausdruck einer zarten Verspieltheit wird, wechseln sich mit großen Gruppenszenen ab. Dabei wird eine durchweg konzentrierte Ensemble-Leistung sichtbar. Die zyklischen Elemente des Wassers werden in vielen wiederkehrenden Bewegungsabläufen abgebildet. Auch seine vielfältigen Aggregatzustände finden Anklang, wenn das Krachen grober Eisplatten, die körperliche Erstarrung und das abrupte Brechen von Platten eine körperliche Übersetzung findet.
Dennoch fragt man sich in dem ca. 60 Minuten andauernden Stück, warum die künstlerische Konzeption sich nicht auch an größere, mutigere und kraftvollere Bilder getraut hat, die die zerstörerische Kraft und die Urgewalt von Wassermassen abbilden. Auch aktuelle Bezüge zur wertvollen Ressource Wasser finden kaum Anklang, wo diese Welle doch unweigerlich auf uns alle zurollen wird.
Es ist ein Stück, das sich stark aus der Subjektivität und individuellen Empfindung von und mit Wasser speist, wie auch der kurze Einspieler des Erinnerungs-Solos deutlich macht.
Gesellschaftlich relevante Fragen werden ausgespart. Das hätte dem Stück noch eine andere Tiefe gegeben. Es bleibt bei einer Meditation im Zuschauen. Ein Abend, der angenehm vor sich hinplätschert.
Bildquellen
- Das integrative Stück setzt das Thema Wasser in den Mittelpunkt: © Jennifer Rohrbacher