Ateliers brechen weg / zur Situation der Bildenden Künstler*innen in Freiburg
Ist Freiburg wirklich eine ‚Stadt der KünstlerInnen‘, möchte sie es sein? Die Frage ist – heute – nicht ganz einfach zu beantworten. Mit Blick auf die Nachkriegsgeschichte bestand daran lange Zeit kein Zweifel: Besonders die Kunstakademie, zunächst eigenständig, dann seit 1956 als Außenstelle von Karlsruhe geführt, trug neben dem geschichtsträchtigen Kunstverein kontinuierlich zu Belebung und Erneuerung bei. 2017 wurde der Akademiebetrieb an der Dreisam eingestellt. Eine wirksame Kompensation gab es nicht.
Die ehemals private Hochschule für Kunst, Musik & Design (HKDM) wurde 2015 an den Macromedia-Konzern veräußert – was jedenfalls keine Stärkung der Kunstausbildung in Freiburg nach sich zog. Der ursprünglich starke Musikzweig brach schon weg. Das Institut der Bildenden Künste an der Pädagogischen Hochschule bringt kontinuierlich noch Nachwuchskünstler auf akademischem Niveau hervor.
Obschon auch die Galerien sterben und sich nur wenige noch halten, zeichnet Freiburg weiterhin eine aktive Szene der Bildenden Kunst aus. Erstaunlich. „Wir haben hier ca. 500 professionelle KünstlerInnen in unserer Datenbank in Freiburg“, teilt Michael Ott, Vorsitzender des BBK Südbaden, mit; etwa 180 nehmen an den „Offenen Ateliers“ teil. Ott liefert den Wermutstropfen gleich dazu: „Der Bereich Bildende Kunst blutet aus. Er ist völlig unterversorgt.“
Städtische Ateliers gekündigt
Eine aktuelle Entwicklung sorgte für den Aufreger zu Beginn der Sommerpause. Grundlage ist ein ausführliches Papier über die Situation der Bildenden Kunst in der Stadt insgesamt, das der damalige Amtsleiter Achim Könneke als „Informationsvorlage“ (Drucksache KA-05/2015) dem Kulturausschuss im Oktober 2015 zur Kenntnis gab. Minutiös und durchaus überzeugend werden da die verschiedenen Einrichtungen und Parameter der Bildenden Kunst analysiert. Dort heißt es aber auch: „Um jüngeren Künstlerinnen und Künstlern trotz der knappen Ateliersmöglichst schnell einen Atelierplatz vermitteln zu können, werden neueVerträge auf fünf Jahre befristet.“ Etwas Neues also, das man als Instrument gegen Stagnation und Verkrustung einschätzte.
Ich traf mich mit den Künstlerinnen Alexandra Centmayer (52) und Ludmilla Bartscht (39) inder Basler Straße 103, einem von vier städtischen Atelierhäusern. Beide sind die ersten ‚Opfer‘ der neuen 5-Jahres-Regelung. Nun müssen sie (zum 31.12.2020 bzw. 15.4.2021) weichen. Natürlich waren ihre Mietverträge entsprechend befristet. Doch„von Beginn an wurde die Aussicht genährt, dass es eine Verlängerung gebe“, so die Künstlerinnen.
Der zuständige Mitarbeiter im Kulturamt Samuel Dangel teilte der betroffenen Ateliergemeinschaft, nachdem diese solidarisch protestiert hatte, am 14. Juli per Email seine Einschätzung mit: „Wir sehen darin keine Schwächung der Freiburger Kunstszene, sondern ein nachhaltiges System von Kontinuität und Wandel.“ Ähnlich äußert sich auf Nachfrage auch Christoph Schneider, Mitglied des ‚Atelierbeirats‘ der Stadt: „Die Kündigungen sind keinem leichtgefallen“, aber „Neue müssen nachrücken können“. Das Rotationsprinzip bei den Ateliers sieht Schneider als „wichtige Stellschraube“ des Wandels und der Innovation.Stadtrat Atai Keller (Kulturliste) schlug vor, wenigstens eine ‚Kulanz‘ von zwei Jahren einzuräumen – sein Ansinnen wurde vom Kulturdezernat bislang nicht beantwortet.
Wegzug ernsthaft erwogen
„Mir wird komplett die Arbeits- und Lebensgrundlage entzogen, vielleicht ziehe ich jetzt aus Freiburg weg“, sagen beide Künstlerinnen unisono. Sie stellen auch in Frage, wie sachgerecht die Entscheidungen gefällt werden. Centmayer arbeitet in einem lichtdurchfluteten Raum mit mehreren Fenstern, erst kürzlich hat sie auf eigene Kosten eine Beleuchtungsanlage für die Stunden ohne Tageslicht eingebaut – ein typisches Maleratelier also. Jetzt soll ein Foto- und Videokünstler nachrücken.
Die nächste, die es trifft, wird die Öl- und Acrylmalerin Ruth Gast sein, die zusätzlich zu einem dunklen und schwer belüftbaren Kellerraum (den darf sie behalten) bisher noch ein kleines Atelier (knapp 10 qm) im Oberschoss gemietet hat. Sie beklagt zudem die Spaltung der Ateliergemeinschaft. Manuel Frattini, ebenfalls im Haus, wird deutlicher: „Ich empfinde die Situation als bedrückend. Es wird klar, dass lange ungelöste Probleme jetzt nach unten weitergegeben werden: der Druck, der durch die Versäumnisse der Stadtverwaltung entstanden ist, wird nun an eine Szene weitergegeben, die schon lange keine Luft zum Atmen mehr hat.“
Tatsächlich fragt man sich, ob Verwaltung (und Politik) die Dringlichkeit der Lage hinreichend bewusst ist. Jedenfalls scheint eine der zentralen Schlussfolgerungen des Könneke-Papiers nicht gefruchtet zu haben: „Um im Bereich der direkten Künstlerförderung eine Lebendigkeit der Szene inFreiburg erhalten und weiter stärken zu können, sieht es das Kulturamt alseine der wichtigsten Aufgaben an, bezahlbare Atelierräume zu sichern.“
Kunsthaus L6: Zukunft unsicher
Gut informierte Kreise berichten, dass auch das L6 in der Lameystraße, unweit des Bürgerhauses Zähringen, bedroht sei. Zur Erinnerung: Die Immobiliesoll einst von dem Freiburger Ingenieur und Bauprojektträger Wulf Wössner erworben sein, die Stadt trat als langfristigerMieter ein – 2004 nahm das Kunsthaus den Betrieb auf, als Ausgleich für die veräußerten Objekte Mehlwaage und Schwarzes Kloster in der Innenstadt. Der aktuelle Vertrag soll bis 2024 terminiert sein. Bislang gibt es dort den städtischen Ausstellungsraum, den Projektraum „Garage“, die Künstlerwerkstatt, zehn Ateliers sowie acht Probenräume für bis zu 20 Bands.
Jetzt macht die (noch unbestätigte) Nachricht die Runde, dass Wössner das Objekt an die Stuckert Wohnbau AG verkauft habe. Da steht dannmit gutem Grund nur noch dessenbegrenzte Weiterexistenz zu erwarten – bevor es renditeträchtigem Wohnbau weichen wird.
Stadthalle als Kunstzentrum
Chancen zur Belebung der Bildenden Kunst in Freiburg und eben auch der Atelierlandschaft liegen auf dem Tablett. Das an sich attraktive Güterbahnhofareal mochte man anders vermarkten – und hat es so getan. Doch die ehemalige Stadthalle steht weiterhin brach, in attraktiver Lage mit optimaler ÖPNV-Anbindung. Hier gab es schon den (geistreichen) Vorschlag, dem Museum für Neue Kunst (endlich) eine angemessene Heimstatt zu bieten. Angeblich kommt Widerstand aus der Kulturverwaltung.Nebenbei: Auf der großen Wiese vor dem denkmalgeschützten Haus hätte auch das „Freiburger Bild“ von Horst Antes (seit 1996 für teures Geld eingelagert) einen wunderbaren und einladenden Platz – Werbung für die Stadt par excellence wäre das! Die Stimmen aus der Bevölkerung mehren sich, wenigstens irgendeine kulturelle Nutzung hier zu realisieren. Tatsächlich kann das sehr gut ein Ort der Bildenden Kunst sein, ihrer Entstehung (Ateliers) und der Präsentation verschiedener Sammlungen. Man fragt sich: Warum passiert nichts? Woran hakt es?Oder fehlen schlicht Visionen? Natürlich ist das alles eine Frage des Geldes – aber auch der schlüssigen Idee. Wäre diese plausibel entwickelt und vorgetragen, würde sich der Gemeinderat dem gewiss nicht versagen.
Kulturkonzept erneuern –Schildacker entwickeln
„Im Handlungskonzept „Stadt der Künste“ des Kulturkonzeptes Freiburg ist formuliert,dass die wichtigste Basis der Stadt der Künste die hier lebenden undarbeitenden Künstlerinnen und Künstler sind.“, schrieb Könneke 2015. Zukunftsszenarien für die Kultur müssen stetig erneuert werden. Das sog. Kulturkonzept der Stadt, inzwischen mehr als zehn Jahre alt, bedarf einer Neuauflage. Solch ein Prozess dauert indes – und hat noch nicht einmal eingesetzt. Ergo müssen auch kurz- und mittelfristige Leitlinien entwickelt sein.
Am Ende kann der Hinweis auf das Quartier Schildacker nicht ausbleiben. Auf der Folie des von der Stadt Freiburg 2015 beschlossenen Rahmenkonzepts zur Neustrukturierung des Gewerbegebiets Freiburg-Schildacker (nach durchgeführtem aufwändigen Wettbewerb), wäre hier ein optimaler Handlungsrahmen gegeben.
Das Quartier verfügt über kultur-, kreativ- und kleingewerbliche Strukturen. 2015 hatte sich der Verein der „Kreativpioniere Schildacker“ gegründet – und seitdem in mehreren Anläufen bemüht, zum Beispiel ein Atelierhaus zu errichten bzw. eine geeignete Immobilie dafür zu finden. Obwohl man bereit ist, auch Eigenmittel einzusetzen, bedarf es des Supports durch die Stadt. Doch binnen fünf Jahren ist nichts passiert.